Dieser Teil der Chronik behandelt die Konfrontationspolitik der Kennedys,
die Entstehung einer Gegenallianz und die Vorbereitungen zur Ermordung des Präsidenten.
Zentrale Themen und Personen:
Allianz gegen Kennedy: Ölindustrie, Stahlkonzerne,
I. Irving Davidson, Attentatsplan, Bahamas
und Kuba: Meyer Lansky, Richard Nixon, Exilkubaner, Lee
Harvey Oswald, Gerry Hemming und Guy Banister: Spurenfabrikation, Vorbereitungen
in Dallas, Plot gegen Duvalier in Haiti von George DeMohrenschildt
und Clemard Joseph Charles, Die Mafia in Bedrängnis,
Kennedys Konfrontationskurs: Finanzpolitik, Gleichstellung
der Schwarzen, Martin Luther King, Kennedys Aussenpolitik,
Atomtestverbot, Aufrüstung, Berlin, Profumo-Skandal, Lateinamerika:
Putsch gegen Carlos Arosemena Monroy von Ecuador, Kuba, 'Trotzkist'
Oswald Attentatsplanung in Dallas, Doppelgänger,
Mafiaenthüllungen,
Putschgeschichten: Juan Bosch in der Dominikanischen Republik, Fidel Castro
auf Kuba und Ramon Villeda Morales in Honduras, Ruby und
Oswald, Jackie Kennedy und Aristoteles Onassis, Bobby-Baker-Skandal,
Lyndon Johnson, Robert Kennedy und Ellen Rometsch, Sturz
von Ngo Dinh Diem in Vietnam, Navy SEALS, Rückzugspläne.
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Januar 1963 Allianz gegen Kennedy
John Kennedy schlägt zusammen mit seinem Budgetentwurf eine Steuerreform vor, die eine Steuererleichterung für die unteren Einkommensschichten, eine Revision der Kapitalsteuer und die Eliminierung von Steuerprivilegien der Ölindustrie und der Lücken im Steuergesetz vorsieht.
Nachdem der Kennedy Act' vom 16.10.62 die Unterscheidung zwischen importierten
und im Ausland reinvestierten Gewinnen aufhob, fiel die Kapitalrendite der Auslandsinvestitionen
der Ölkonzerne bereits von 30% auf 15%. Bisher konnten die amerikanischen
Ölfirmen aufgrund der speziellen Ölförderrechte bis zu 27,5%
ihrer Gewinne von den Steuern abziehen. Der Vorschlag ist eine Konfrontation
mit dem Big Business, allen voran den Ölbaronen, die geschätzte $300
Mio. mehr Steuern zahlen müssten. Bedford Wynne spendet der Demokratischen
Partei im Januar 1963 $500'000, offenbar um den Skandal seines Freundes Bobby
Baker zu unterdrücken, worauf Murchisons Sohn John in einem Gespräch
mit JFK die Fortführung der privilegierten Ölförderrechte gewährt
werden. Wynne investierte in Geschäfte mit Bobby Baker, I. Irving Davidson,
Allen Dorfman und Thomas Webb und versucht zusammen mit Clint Murchison und
Gordon McLendon zu verhindern, dass Jimmy Hoffa ins Gefängnis muss.
Die texanischen Ölmagnaten, deren Steuerprivilegien bedroht sind, unterstützen
die Anti-Kennedy-Koalition aktiv. Sie verfügen über die von ihnen
kontrollierten Medien, ihre Lobbyisten und den Zahlungen über einen enormen
Einfluss auf Politik und Justiz. Nelson Bunker und H. Lamar Hunt beispielsweise
unterstützen die John Birch Society und die Minutemen, finanzieren das
Facts Forum (später Life Line), eine Radiosendung, die täglich über
409 Stationen gesendet wird, bezahlten Joseph McCarthy, Roy Cohn, den Sprecher
des Repräsentantenhauses Sam Rayburn und Lyndon B. Johnson, haben enge
Verbindungen zu Militärs (General George C. Kenney, General Albert Wedemeyer,
Admiral James Van Fleet, General Edwin A. Walker) und zum FBI. J. Edgar Hoover
ist ein Pokerfreund von Hunt, der eine direkte Telefonleitung zu Hoover hat.
1955 orderte der FBI-Chef den Agenten Paul Rothermel zum Schutz Hunts ab. Der
frühere FBI-Agent Booth Mooney ist Hunts Verbindungsmann zu Präsident
Johnson und schreibt etwa die Hälfte von Hunts rechtsextremen Radiosendungen
Lifeline. Hunt iniziierte und finanziert einen eigenen Geheimdienst, den Foreign
Intelligence Digest. Beteiligt daran sind unter anderem General Willoughby,
Frank Capell, Billy James Hargis, José Ignacio Rasco, Austin J. App,
Raymond de Jaegher und Philip J. Corso. Der FID steht in Kontakt zur Gehlen-Organisation,
die trotz ihrer technischen Nationalisierung als BND ein unabhängiges Netzwerk
bleibt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gewannen solche Netzwerke zunehmend an Bedeutung
und waren in fast alle Skandale verwickelt. Die H.L.H. Productions Inc. diente
zur Finanzierung verdeckter Operationen, auch zusammen mit der Mafia. Hunt steht
in Verbindung mit Frank Erickson, Ray Ryan, Frank Costello, Carlos Marcello
und Joe Civello.
Bereits im Mai 1962 benutzte Kennedy sein Amt, um die grossen Stahlkonzerne dazu zu bringen, ihre angekündeten Preissteigerungen rückgängig zu machen, indem das Verteidigungsministerium Stahl bei einer kleinen Firma bestellte, die die Preise nicht erhöht hatte. In einem Interview bezichtigte JFK die Firmenleiter der unverantwortbaren Gewinnsucht, was in der Geschäftswelt heftige Reaktionen auslöste. Die hauptbetroffene United States Steel Corporation produziert nicht nur 25% des Stahls der USA, sondern auch Zement, Fertighäuser, Waffen und (Atom-)Rüstungsanlagen und betreibt Minen, Eisenbahnen, Hafenanlagen und Handelsschiffe. Die 18 Direktoren sind mit Managements von 85 weiteren Gesellschaften (davon 20 Banken und Finanzinstitute, 10 Versicherungsgesellschaften und 54 Industrie- und Handelskonzerne) verbunden. Die Kennedys versuchen, die widerspenstigen Firmen mit Antitrustklagen einzuschüchtern. Das Justizministerium gewinnt 1963 45 von 46 Prozessen gegen grosse Konzerne, aber viele Manager und Firmeninhaber stellen sich nun gegen die Kennedys.
Kennedys Steuerreform bedroht auch den steuerfreien Status der Schifffahrt: Reeder unter ausländischer Flagge wie Aristoteles Onassis oder die Liberian Services müssten bei der auf den 25.11.63 geplanten Änderung des National Labor Relations Board-Status Millionen bezahlen. Die gesamte Schifffahrt von Liberia wird von der Liberian Services, Inc. (LSI) kontrolliert, einer CIA-Front. Die US-Kontrolle über das afrikanische Land sicherte Roosevelts und Trumans Aussenminister Edward R. Stetteninus. Vor dem 2. Weltkrieg, als die USA in Liberia Stützpunkte für Wasserflugzeuge aufbauten, war Stetteninus Präsident der U.S.Steel. Sein Vater, der für J.P. Morgan arbeitete, war im 1. Weltkrieg der Chef des Federal Lend-Lease-Programms. Edward R. Stetteninus schuf die grösste Handelsbank der Welt, die International Bank of Washington. Nach dem Krieg setzte er sich für die Gründung der Vereinten Nationen ein und war der erste amerikanische UN-Botschafter. Er kaufte dem liberischen Diktator faktisch alle Rechte ab: die Rechte für die Kautschuk- und Minenindustrie, für die Schifffahrt und selbst für die Flagge.
I. Irving Davidson verkörpert mit seinen Beziehungen die Gegenallianz zu den Kennedys. Bis 1963 entwickelt sich diese Gegnerschaft zu einem Krieg zwischen der Kennedy- und der Johnson-Fraktion, der an verschiedenen Fronten geführt wird. Wichtig ist zu verstehen, wie einzelne Exponenten der Ölmultis, der Waffenindustrie, der Hochfinanz, der Militärs, der Mafia, der Polizei, der Exilkubaner und der verschiedenen Geheimdienste zusammen funktionieren. Unter der institutionellen und pseudodemokratischen Oberfläche liegen langbestehende Beziehungen und konvergierende Interessen der Beteiligten, deren Rekonstruktion zentral für das Verständnis der Ereignisse ist. Um Situationen und historische Prozesse nachvollziehen zu können, muss man den fiktiven Charakter von Institutionen, Organisationen und Staaten durchschauen und diese aus der handlungstheoretischen Perspektive der Akteure interpretieren. Die Ontologisierung sozialer Konstruktionen erlaubt zwar eine Vereinfachung der Komplexität historischer Ereignisse, führt aber zugleich zu einer Ideologisierung dieser kollektiven Orientierungsinhalte.
Quellen: Groden/ Livingstone: 306ff, 416, Hersh: 345-352, Engberg: 2, Hamilton-Paterson (2000): 44, Horowitz: 339-341, Marrs: 275f, Scott (1993): 226f, 305, Tarpley/ Chaitkin: 136, 177ff, Pepper, Dankbaar.
Februar 1963 Attentatsplan top
Chicago-Boss Sam Giancana gerät innerhalb der Mafia unter Druck, da er
Kennedy an die Macht hievte. Santos Trafficante und Jimmy Hoffa wollen den Justizminister
Robert Kennedy umbringen lassen, aber Carlos Marcello besteht auf der Eliminierung
des Präsidenten. Am 31.10.62 wurde der Deportationsbefehl gegen Marcello
bestätigt und Marcello drängt auf Taten. Giancana muss eingestehen,
dass er sich bei den Kennedys verschätzt hat, und Marcello setzt sich mit
seiner Forderung durch. Frank Ragano, Anwalt von Trafficante und Hoffa und Freund
Marcellos, bestätigt später, dass die Attentatsplanung im Februar
1963 bereits am Laufen ist. Die Attentatsvorbereitungen dauern mehrere Monate,
da zunächst einmal Pläne für Mordanschläge in Miami, Los
Angeles, Chicago und Dallas ausgearbeitet werden.
FBI-Direktor Hoover verstärkt, nachdem RFK ihn wegen Untätigkeit gerügt hat, die Überwachung Marcellos. Zuständig dafür ist FBI-Agent Regis Kennedy, der während Jahren berichtete, Marcello sei ein einfacher Tomatenhändler, wofür er von Marcello bezahlt wird. Trotz der Anweisung zur erhöhten Anstrengung schafft es das lokale FBI nicht, in New Orleans und Dallas weiterzukommen. Dabei hat Marcellos Imperium einen geschätzten Wert von $1,6 Mia. Die New Orleans Crime Commission schätzt, dass 1963 Gewinne von $500 Mio. aus dem Spielgeschäft, $100 Mio. von Bars und Saloons, $8 Mio. durch Einbrüche und Hold-ups, $6 Mio. aus der Prostitution und $400 Mio. aus Geldwasch-Investitionen im Transportwesen, in Finanzgeschäften und Liegenschaften herausspringen.
Quellen: Callahan: 138-140, Davis (1988): 120-125.
April 1963 Von Kuba auf die Bahamas und zurück top
Nach dem definitiven Ende der Casinos auf Kuba trommelte Meyer Lansky 1962 Charles
Tourine, Michael Coppola, Dino Cellini, Max Courtney und Frank Ritter im Fontainebleau
Hotel in Miami zusammen, um die Spielgeschäfte auf die Bahamas zu verlegen.
Dazu schmierte Lansky den Chef des Entwicklungsbüros, Sir Stafford Sands,
mit ungefähr $2 Mio.
Dan "Dusty" Peters fliegt zwei Mal wöchentlich von den Bahamas
nach Miami und bringt je um die $300'000 der beiden Casinos auf das Festland.
Lanskys Verbündete Wallace Groves und Lou Chesler sind mit der Resort International
von James Crosby auf Paradise Island assoziiert, dessen Bruder Peter Crosby
ein Betrüger mit Kontakten zu Mafia-Aktienschwindler Louis Mastriana und
John Lombardozzi ist. Bebe Rebozo konsultiert beim Handel mit gestohlenen Aktien
Peter Crosby, Mastriana und Donald Nixon. Der erste Casinodirektor auf Paradise
ist Eddie Cellini, der schon in Kuba in zwei Casinos für Lansky arbeitete.
Crosby arbeitete an Werbeaktionen für Richard Nixons Präsidentschaftskampagne
1960 mit, Chesler befand sich im Wahlkampftross. Crosby und der Cellini-Mann
Sy Alter, der Politiker und Richter schmierte, um einer Verurteilung wegen Verletzung
des Alkoholgesetzes zu entgehen, finanzieren Nixon 1968. Nixon und Rebozo waren
an den Verhandlungen zur Erteilung der Casinolizenz auf Paradise Island beteiligt,
über das Gelder für Nixons Kampagne und Tasche gewaschen werden. Den
beiden gehört, zusammen mit George Smathers, die Brücke zur Insel,
die nach dem heutigen Wert $5 Mio. abwirft, wobei die Gewinne bei der Zürcher
Cosmos Bank, die Niederlassungen in New York und auf den Bahamas hat, deponiert
werden. Auch die UBS-Tochter Cantrade führt ein Konto von Nixon, der öffentlich
behauptet, nie mit ausländischen Banken zu tun gehabt zu haben, aber in
den 80er Jahren jedes Jahr nach Zürich reist.
Auch andere Leute aus diesem Umfeld wie Richard Pistell, der den Kauf von Paradise
Island durch Robert Vesco Anfang der 70er Jahre organisiert, tragen zur Wahl
Nixons zum Präsidenten bei. Um sein Comeback vorzubereiten, wird Nixon
ein Job bei einer Anwaltsfirma (Nixon, Mudge, Rose, Guthrie and Alexander) organisiert,
die sich auf Steuerhinterziehung und Vermögensverwaltung spezialisierte.
Zu den Kunden zählen Don Kendall, Bob Abplanalp, Stavros Niarchos, Arnholdt
Smith und Ngo Dinh Diem. Für $135'000 kauft sich Nixon eine Wohnung in
New York neben Nelson Rockefeller. 1972 entdeckt IRS-Informant Norman Caspar
auf der Kundenliste der Castle Bank auf den Bahamas, dass Nixon seit den 50er
Jahren ein Konto bei der CIA-/Mafia-Geldwaschanlage auf seinen eigenen Namen
führt. Als IRS-Agent Richard Jaffe die Liste anfordert, fehlt der Name
des Präsidenten, und da IRS-Kommissar Donald Alexander, dessen Name selbst
auf einem Index der Castle erscheint, von Nixon ernannt wurde, stoppt er die
Untersuchung. Vor einem Ausschuss vermutet Caspar plötzlich, jemand, der
zu viele Martinis getrunken habe, könnte Nixons Namen auf diese Liste gesetzt
haben.
Jerry Buchanan schliesst sich der Aktion von Zacarias Acosta, dem Leiter der Exilkubanergruppe "Los Pinos Nuevos", an, die mit dem Boot Violynn III einen sowjetischen Frachter angreifen wollen. Richard Lauchli lieferte der Gruppe Los Pinos Nuevos das nötige Dynamit dazu. Alex Rorke, William Johnson, George Smathers und Frank Sturgis waren an der Planung dieses Attentats, das parallel zu einem Bombenangriff mit einem Beechcraft-Flugzeug stattfinden soll, mitbeteiligt. Auf den Bahamas wird das mit Waffen vollbeladene Boot von den Briten gestoppt, die es mit den sechzehn Personen am 1.4. in Nassau der United States Coast Guard übergeben.
Am 26.4. erzählt Alexander Rorke dem Miami Harald, er sei tags zuvor nach Kuba geflogen, um die Nico Lopez Ölraffinerie, die vorher Shell und Esso gehörte, in Havanna zu bombardieren. Laureano Batista von der Christian Democratic Movement, Geoffrey Francis Sullivan und Steve Justin Wilson hätten die selbstgemachten Napalm- und Penilitebomben, nachdem sie sie mit ihren Zigarren angezündet hätten, aus dem Fenster der zweimotorigen Maschine geworfen. Havanna bestätigt den Angriff, der scheiterte, weil die Bomben nicht explodierten. Der Angriff zeigt jedoch, dass die US-Behörden die Exilkubaner nicht kontrollieren und wie leicht die kubanische Flugabwehr zu umgehen ist. Trotz dieser Provokation, die in der gesamten Presse verbreitet wird, und der Kritik Kubas unterbindet das Justizministerium eine Untersuchung des Angriffs.
Am 17.4. gibt Miro Cardona, der Chef des Cuban Revolutionary Council, eine Pressekonferenz, auf der er seinen Rücktritt bekannt gibt. In einer Serie von Treffen mit dem Justizminister forderte er vergeblich $50 Millionen für eine erneute Invasion Kubas. Der Protest-Rücktritt Cardonas führt zu einer Spaltung der Exilkubaner und zu Flügelkämpfen. Weil dieser Schritt an die Öffentlichkeit eine Blamage für Kennedy, der immer jeglichen Zusammenhang seiner Regierung mit den Aktivitäten der Exilkubaner bestritt, und eine Form von Erpressung ist, streicht die Kennedy-Regierung die Unterstützung des CRC.
Paulino Sierra trifft sich am 15.5.63 in Miami mit Exilkubanerführer aller politischen Richtungen, um die Koordination der einzelnen Gruppen und eine gemeinsame militärische Invasion zu organisieren. Pedro Diaz Lanz, Carlos Rodriguez Quesada und Felipe Vidal Santiago sind zu diesem Treffen eingeladen. Vidal kennt CIA-Offizier William Bishop, der Vorkenntnisse über das Kennedy-Attentat besitzt. Carlos Rodriguez Quesada ist der Leiter der "Bewegung 30.November", von der sich im Mai 1962 die "Revolutionäre Bewegung 30.November" abspaltete. Quesadas Gruppe kooperiert 1963 mit der "Junta Del Gobierno de Cuba en Exilio" von Sierra, beispielsweise bei der Entführung von kubanischen Fischerbooten im Februar, an der Roy Hargraves beteiligt war.
Sierra behauptet, er vertrete eine Gruppe reicher Geschäftsleute aus Chicago, zu denen William Trull gehöre, die zusammen mit der United Fruit und der Standard Oil $30 Mio. aufwerfen würden für die Beseitigung Castros, egal ob dies mit oder ohne Unterstützung der Regierung geschehe. Bis im Juli gelingt es ihm, eine mächtige Koalition auf die Beine zu stellen, die Carlos Prio Socarras als Präsidenten und Sierra selbst als Aussenminister einer neuen kubanischen Regierung vorsieht. Im August wendet sich Sierrra an Richard Lauchli und die Hemming-Mitarbeiter Steve Justin Wilson, Denis Linns Harber und Joe Garman, um Waffen zu beschaffen. Im Sepember verkündet Prio seine Kollaboration mit Sierras Allianz, womit der von den Kennedys favorisierte Manuel Artime isoliert wird. Bereits im Oktober beginnen Probleme bei Waffenkäufen, mit den Behörden und bei der Frage der Kooperation mit linken Exilkubanern das Funktionieren dieser Koalition zu bedrohen.
Loran Hall und Gerry Hemming sind im Mai in Dallas, um Geld für Waffen und Trainingscamps der Exilkubaner aufzutreiben. Hemming ist im Juni in einen Waffendiebstahl verwickelt, wobei der beraubte Waffenhändler Mike Marino die Waffen zurückerhält und dafür von der US-Zollbehörde verhaftet wird.
Quellen: Weberman (7): 22-25, (10): 26-28, 66-69, (11): 29, Best: 38, Collier/ Horowitz: 379f, Russell: 5, Summers (2000): 240-245, 252-259, 510ff.
April 1963 Lee Harvey Oswald top
An einer Party im Februar stellte George DeMohrenschildt seinen Freund Lee Harvey
Oswald dem Faschisten Volkmar Schmidt vor, wonach dieser unbedingt wollte, dass
Oswald auch Michael Paine kennenlernt. Schmidt führte mit Wilhelm Kuetumeyer
Versuche an Psychiatriepatienten durch, war am Plot "20. Juli" dabei
und arbeitet nach seiner Flucht in die USA bei der Ölfirma Magnolia. DeMohrenschildt
schenkte Oswald Hitlers "Mein Kampf", das dieser angeblich während
seiner Marinezeit bereits gelesen hatte. An der Party waren noch andere Magnolia-Mitarbeiter
mit Kontakten zur CIA anwesend. Oswald machte Bekanntschaft mit Everett Glover,
dem Sohn des Direktors von Radio Free Europe, und mit dem Admiral der Naval
Intelligence H. E. Bruton.
Am 12. März bestellte Oswald als A. J. Hidell bei Klein's Sporting Goods Company in Chicago das Mannlicher-Carcano Gewehr und wurde daraufhin damit und dem 38-Smith & Wesson Revolver von George Rose and Company auf Schiessplätzen gesehen. Gerry Hemming besass ebenfalls zwei Mannlicher-Carcano Gewehre, die er 1962 einem Saul Sagué gab, von dem Hugh C. McDonald behauptet, er sei einer der Mörder Kennedys. Ein Mario Tauler Sague war im Sommer 1960 zusammen mit Armando Cubria Ramos an einem CIA-Attentatsversuch gegen Castro beteiligt. CIA-Agent Robert D. Morrow, der mit Gerry Hemming und Mario Kohly zusammenarbeitet, behauptet, er hätte David Ferrie vor dem Kennedy-Attentat zwei Mannlicher Gewehre verkauft.
Marina Oswald schrieb der russischen Botschaft am 27.2.63, dass sie in die
Sowjetunion zurückkehren möchte, ohne ihren Mann. Oswald schlägt
seine Frau, weil sie mit anderen Männern schläft. Sie zieht am 24.4.63
mit dem Kind zu Michaels Frau Ruth Paine, die eine aktive "Betreuungsaufgabe"
übernimmt. Ruth Paines Vater, William Avery Hyde, ist ein Geschäftspartner
von DeMohrenschildt und an Kommunisteninfiltrationen beteiligt. Er arbeitet
hauptsächlich für eine Versicherungsgesellschaft und die CIA dominierte
Agency for International Development. Ruth Paine ist eine Quäkerin und
beim Friends World Committee beteiligt, das Austauschstudenten, von denen etwa
25% CIA-Agenten sind, in die UdSSR schickt. Ihre Schwester Sylvia Ludlow Hyde
Hoke arbeitet seit 1954 für die CIA und später ebenfalls für
die AID. Sie ist befreundet mit Talbot Bielefeldt, Chef der UdSSR-Dokumentationsabteilung
der CIA. Ruths Schwager John Lindsey Hoke war in Zusammenhang mit der International
Cooperation Administration, der Vorläuferorganisation der AID, bei der
er später ebenfalls arbeitet, im Geheimdienstbereich für die US-Botschaft
in Panama tätig.
Ruths Ehemann, Michael Ralph Paine, von dem sie getrennt lebt, aber in häufigem
Kontakt steht, arbeitet in der Carswell Air Force Base in Fort Worth in der
Bewaffnungs- und Elektronikabteilung, die Unterhaltsarbeiten für B-52-Atombomber
ausführen. Paines Militärgeheimdienstname lautet auf Charles Melvin
Coffey. Seine Familie hat Beziehungen zur United Fruit, zu Rockefeller und zur
Gibraltar Steamship, die der CIA Schiffe für die Schweinebuchtoperation
offerierte. Paine ist ein Cousin des United Fruit-Direktors Alexander Cochrane
Forbes und des United Fruit-Präsidenten Thomas Dudley Cabot.
Vater George Lyman Paine heiratete nach seiner Scheidung die Trotzkistin Frances
Drake, wodurch er enge Kontakte zu dieser Szene bekommt und vermutlich als CIA-Informant
arbeitet. George Paine war mit der Liebhaberin von Allen Dulles, Mary Bancroft,
befreundet. Ruth Forbes war zuvor mit Arthur Young, der mit Dulles in Korrespondenz
steht, verheiratet. Young war einer der Mitbegründer der Bell Helicopter,
wo der Nazi Walter R. Dornberger Vizepräsident ist. Dornberger war für
die Einsätze der V2-Raketen auf London verantwortlich und hätte wegen
Massenmord in Nürnberg hängen sollen. 1950 wurde er entgegen den Protesten
und Warnungen der Engländer von der Joint Intelligence Objectives Agency
in die USA gebracht. Michael Paine arbeitete ebenfalls sieben Jahre für
Bell Aircraft.
George DeMohrenschildt zügelt nach einer Überprüfung der Domestic Operations Division der CIA im April und Mai nach Haiti. Die CIA schickt Oswald nach New Orleans, wo er Guy Banister unterstellt sein wird. Am 6.4.63 gibt Oswald seine Stelle in Dallas auf und zieht zu Lilian und Charles Murret. Offiziell verliert er seine Stelle bei Jaggars, Chiles & Stovall am 5.4.63, weil er russische Zeitungen las. Obwohl er laut Warren-Bericht erst Ende April nach New Orleans kommt, wurde er dort schon im März im Gefängnis von einem Beamten der Einwanderungsbehörde interviewt. Marina Oswald kommt mit dem Kind ebenfalls nach New Orleans, als er am 9.5. eine Wohnung mietet.
Charles Murret arbeitet als Buchmacher im Glücksspielgeschäft der Marcellos unter Sam Saia. Oswalds Mutter Marguerite war jahrelang mit Sam Termine, dem Chauffeur und Leibwächter Marcellos, mit Raoul Sere und mit Clem Sehrt, Anwalt und Geschäftsfreund von Marcello, befreundet. Oswald arbeitete auch als Laufbursche und Kassierer für seinen Onkel.
FBI-Informant Gene Sumner beobachtet während eines Essens im Town & Country-Restaurant, wie Marcello-Mitarbeiter und Restaurantmanager Joseph Poretto Oswald ein Bündel Geldscheine zusteckt. Eugene DeLaparra, Angehöriger des Marine Corps und ebenfalls FBI-Informant, der halbtags in der "Tregles Bar" vom Lounnor Restaurant arbeitet, hört eine Unterhaltung zwischen Marcellos Geschäftsfreund Bernard Tregle, Norman Le Blanc und David Ferrie, in der es um das Gewehr für die Ermordung Kennedys geht.
Um 21 Uhr des 10.4.63 schiesst Gerry Hemming mit "Oswalds" Mannlicher-Carcano
auf General Edwin Walker, der an seinem Schreibtisch arbeitet. Hemming schiesst
absichtlich daneben und Walker bleibt unverletzt. Zur Vorbereitung des vermeintlichen
Attentats fotografierte Lee Harvey Oswald Walkers Haus, und dessen Adresse
und Telefonnummer stehen in Oswalds Adressbuch. Mit diesem vermeintlichen Mordversuch
eines konservativen Exponenten wird die Legende von Oswalds Gewalttätigkeit
aufgebaut. Zudem macht Hemming, für dessen INTERPEN Walker Geld auftreibt,
den rechtsextremen General zu einem Märtyrer. DeMohrenschildt bestätigt'
nach dem Kennedymord, dass Oswald ihm das Gewehr gezeigt habe, mit dem er auf
Walker geschossen habe, und auch Michel und Ruth Paine tragen mit ihren Zeugenaussagen,
Oswald habe Walker mit Hitler verglichen und ihn deshalb beseitigen wollen,
zur "Beweisführung" des kommunistischen Gewalttäters bei.
Walker befehligte in Deutschland die 24. Division der U.S.Army und benutzte
seine Stellung, um seinen Soldaten faschistische Propagandaliteratur zu verteilen.
Angewiesen, dies sofort zu stoppen, quittierte er seinen Dienst und kam 1961
in die USA zurück, um politisch tätig zu werden. Walker wurde einer
der Sprecher der ultrarechten John-Birch Society, kandidierte 1962 für
das Amt des Gouverneurs von Texas gegen John Connally und begab sich im Februar
1962 zusammen mit dem rechtsextremen Prediger Billy James Hargis auf eine nationale
Propagandatournee. Nach der Schweinebuchtmisere stellte die CIA Walker ein,
um die Exilkubaner wieder zu bewaffnen und zu trainieren. Walker wurde am 1.10.62
verhaftet, weil er einen Aufstand an der Mississippi-Universität angeführt
hatte, um die Immatrikulation des Afroamerikaners James Meredith zu verhindern.
Kennedy schickte 3000 Soldaten zur Niederschlagung des Aufstandes, und Walker
wurde auf Initiative von Robert Kennedy von Psychiatern untersucht, als paranoid
diagnostiziert und in eine geschlossene Abteilung verfrachtet. Robert Morris
und Dr. Stubblefield vom Parkland Hospital gelang es schliesslich, Walker wieder
frei zu bekommen.
Walkers rechte Hand Robert Allan Surrey ist befreundet mit FBI-Agent James P.
Hosty, der Oswald im Herbst beschattet/betreut. Surrey liefert zusätzliche
Informationen über das angebliche Attentat Oswalds auf den General und
produziert die "Kennedy - Wanted for Treason"-Flugblätter, die
entlang der Parade am 22.11.63 von Mitgliedern der JBS verteilt werden. Der
Bruder von Walkers Fahrer, Larrie Schmidt, schreibt mit Bernard Weissman das
schwarzumrandete "Todes"-Inserat, das am 22.11.63 in der Dallas Morning
News erscheint.
Walker kennt Jack Ruby und ist mit Warren Reynolds befreundet, der den Mörder
Tippits verfolgt. Augenzeuge Reynolds ist zuerst unfähig, Oswald als den
Mörder zu identifizieren, kann es aber, nachdem ihm in den Kopf geschossen
wird, was er überlebt, und nachdem er sich mit Walker getroffen hat. Am
23.11.63 ruft Walker den Herausgeber Gerhard Frey der faschistischen Deutsche
National Zeitung an und beschuldigt Oswald, er habe auf ihn geschossen. Frey
ist Mitglied der Neonazi-Organisationen Witiko Liga, deren Präsident Walter
Becher 1950 in den USA ein Büro eröffnete, über das Kontakte
zu Joe McCarthy, Charles Willoughby, Edwin Walker, Robert Morris, Douglas MacArthur
und FBI-Agent Dan Smooth laufen. Marina Oswald bestätigt Walkers Geschichte
und beschuldigt ihren Mann im Januar 1964 auch, dass er auch Richard Nixon habe
umbringen wollen. Sie habe es verhindert, da sie die Badezimmertüre abgeschlossen
und ihn drei Stunden eingesperrt habe. Weder die Warren-Kommission noch das
FBI können mit dieser Geschichte etwas anfangen. Die Geschichte, die vermutlich
von Isaac Don Levine kommt, zielt ebenfalls darauf ab, Oswald als Killer von
Politikern des rechten Lagers zu profilieren. Nixon hätte laut Maurice
Carlson, dem Präsidenten der Reliance Life and Accident Insurance Company,
Ende April angeblich am Southeast Dallas Chamber of Commerce sein sollen. Don
Levine ist an der CIA-Aktion zur Expatriierung der Töchter von Alexander
Ziger, Oswalds Boss in der Radiofabrik in Minsk, nach Argentinien beteiligt.
Oswald arbeitet vom 9.5. bis 19.7.63 in der Nähe von Banisters Büro im Kaffee-en-gros-Geschäft William B. Reilly Company als Kellerwart. William Reilly finanziert das Crusade to Free Cuba Committee von Arcacha und das Information Council of the Americas von Alton Ochsner und Edward Scannel Butler. Gleichzeitig mit Oswald beginnt dort auch der ehemalige FBI-Agent William I. Monaghan, der vorher bei Standard Fruit gearbeitet hat und Mitglied des INCA ist. Das INCA spielt eine wichtige Rolle bei der Verleumdung Oswalds als "kommunistischem Propagandisten". Carlos Bringuier, ebenfalls ein Mitglied der INCA, propagiert die "Kommunistenzugehörigkeit" Oswalds über das Directorio Revolucionario Estudiantil. Butler veröffentlicht zu Beginn der Garrison-Untersuchung die "kommunistischen" Vernetzungen Oswalds. Monaghan verlässt die Firma ebenfalls, als Oswald gefeuert wird.
Daneben ist Oswald für William Guy Banister aktiv. Oswald ist laut Banisters Sekretärin und Liebhaberin Delphine Points Roberts ein Undercoveragent Banisters. Roberts ist wie ihre Ehemänner in rechtsextremen Kreisen aktiv. Oswald arbeitet einerseits als Kommunist getarnter Spitzel/Provokateur für die CIA unter Banister, wofür er $200 pro Monat erhält, und andererseits als FBI-Informant. Seine FBI-Informantennummer lautet S-172 oder S-179. FBI-Agent Warren DeBrueys, der Sergio Arcacha Smith kennt, geht davon aus, dass Oswald ein Undercoveragent für das Cuban Revolutionary Council ist. Im Juli 1963 versucht sich Oswald in ein Trainingslager der Exilkubaner in Lacombe nördlich von New Orleans einzuschmuggeln. Das Trainingslager befindet sich auf einem Grundstück von Mike McLaney, einem ehemaligen Casinobesitzer aus Havanna mit Verbindungen zu Santos Trafficante und Meyer Lansky.
Sieben FBI-Beamte sind in den eineinhalb Jahren bis zu seinem Tod in Kontakt mit Oswald. William Torbitt schliesst daraus, dass Hoover über die FBI-Division Five und die Defense Industrial Security Command hinter der Manipulation Oswalds stecke. Oswald erledigt aber nicht nur Aufträge des FBI, sondern auch der bundesstaatlichen Social Security, des Secret Service und der Alcohol, Tobacco, and Firearms-Einheit der U.S.Treasury, weshalb er bei einem Privatdetektivbüro angestellt ist und nicht beim FBI. Im Auftrag der AFT bestellte Oswald als "A. J. Hidell" am 27.1.63 den Smith & Wesson-Revolver bei George Rose and Company, mit der Hemming geschäftet. Bis heute haben sich die Behörden geweigert, Oswalds Steuerunterlagen zu veröffentlichen, die die genauen Auftragsverhältnisse klarstellen würden.
Banister war Polizist und arbeitete ab 1934 bei der Untersuchungsabteilung
des Justizministeriums. Als SAC des FBI in Chicago war er an der legendären
Schiesserei beteiligt, in der Amerikas Staatsfeind Nummer Eins, John Dillinger,
getötet wurde. Einer seiner Mitarbeiter war Robert Maheu, der das FBI in
den 50er Jahren verliess. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Banister
auch für das ONI, zu dem er über Anwalt und ONI-Reserveoffizier Guy
Johnson weiterhin Kontakt hat. Aufgrund des lausigen Handlings eines Mordfalles
in Minnesota wurde Banister vom FBI gefeuert, worauf er nach Louisiana zurückkehrte,
für Gatlin arbeitete und zu trinken begann.
Maurice Gatlin war Chefankläger beim Steueramt von Louisiana und arbeitete
für Huey Long an Verleumdungskampagnen gegen Kritiker des Senators. Gatlin
stand in Kontakt mit den Kommandanten der Militärakademie Guatemalas, Roberto
Barrios Pena und Carlos Castillo Armas, und belieferte die CIA 1954 mit Informationen
für den Putsch gegen Arbenz. Zudem war er ein Lobbyist des dominikanischen
Diktators Trujillo. Gatlin stellte Spitzel ein, um Kommunistenorganisationen
zu infiltrieren und gründete 1954 das Anti-Communist Committee of the Americas,
Caribbean Division, das zur Inter-American Confederation for the Defense of
the Continent gehört. Vizepräsident dieser Organisation wird der ehemalige
Polizei- und Militärgeheimdienstchef Batistas, Salvador Diaz Verson, der
ebenfalls Präsident der Anti-Communist League of Cuba ist. Guy Banister,
der das Naziblatt Thunderbolt abonniert und den Führer der Nazipartei George
Lincoln Rockwell kennt, gehört ebenfalls dieser Organisation an. Rockwells
Name steht auch in Oswalds Adressbuch. Ein anderer Verbündeter von Banister
ist der korrupte Bürgermeister von New Orleans DeLesseps Story Morrison,
der zusammen mit dem Warren-Kommissionsmitglied Hale Boggs eine Anwaltskanzlei
führte. Nach vier Amtszeiten wurde er im Juli 1963 zum Botschafter der
Organization of the American States ernannt. Er trat 1962 wegen Korruptionsvorwürfen
zurück und wird Gouverneur von Louisiana.
Banister war Untersuchungsbeamter im Louisiana's Committee on Un-American Activities
und wurde stellvertretender Polizeichef, aber 1957 entlassen, weil er einen
Kellner mit der Pistole schlug. Daraufhin gründete Banister sein eigenes
Privatdetektivbüro, trat der John Birch Society und der ultrarechten, paramilitärischen
Untergrundorganisation der Minutemen bei. Zudem gibt er den rassistischen Louisiana
Intelligence Digest heraus. 1960 wollte ihn Bürgermeister Richard Daley
als Polizeichef nach Chicago berufen, was verhindert wurde, weil die CIA im
August begann, Banisters Detektivbüro als Cover für verdeckte Operationen
zu benutzen. Für oder mit Banister arbeiten Joseph Oster, Grady Durham,
John Sullivan, Edward Stuart Suggs (=Jack Martin), Major Stewart, David Ferrie,
George Singleton, Alvin Cobb, Joseph Newbrough und Thomas Edward Beckham. Über
FBI-Agent Regis Kennedy, der oft in Banisters Büro auftaucht, laufen Kontakte
zu Marcello. Spätestens ab Ende 1962 steht Banister auf der Gehaltsliste
von Carlos Marcello.
Am 6.1.61 gründete Banister die Friends of Democratic Cuba, die die Cuban
Revolutionary Front von Sergio Arcacha Smith unterstützen soll. Dabei arbeitet
Banister mit E. Howard Hunt und Frank Sturgis zusammen. Banisters Büro
ist die Operationsbasis für die CIA-Operation MUNGO, bei der Exilkubaner
in Trainingslagern für die Eroberung Kubas vorbereitet werden. Neben seinem
Detektivbüro an der 531 Lafayette Street/544 Camp Street befand sich bis
1962 das CRC von Arcacha, wo oft Waffen und Sprengstoff für die Arcachas
Kampftruppen gelagert wurden. Arcacha musste New Orleans 1962 wegen seinen Betrügereien
verlassen und ging nach Dallas. Diese Adresse ist die Drehscheibe der exilkubanischen
Aktivitäten und befindet sich in unmittelbarer Nähe der lokalen FBI-
und CIA-Büros. Auch für die Schweinebuchtinvasion lagerte Banister
Waffen in seinem Büro. Banisters Waffendepot in Houma, Louisiana, gehört
der Schlumberger Corporation, die auch rechtsextreme Terroristen in Algerien
beliefert. Aus diesem Waffendepot organisieren Banister, Ferrie, Andrew Blackman,
Sergio Arcacha Smith, Gordon Novel und Layton Martens einen Scheindiebstahl,
wonach sie behaupten, das Justizministerium und damit Robert Kennedy stehe hinter
dem Diebstahl. Laut Novels Frau ist Gordon einer der Doppelgänger Oswalds,
der wie Seymour belastende Spuren legt.
Zusammen mit William Wayne Dalzell gründete Banister Ende 1961 das Radio Free Cuba. Banister wurde Ende der 50er Jahre der Kopf der Anti-Communism League of the Caribbean in New Orleans. Die ACLC wurde ursprünglich von der CIA aufgebaut mit dem Ziel, Arbenz in Guatemala zu stürzen und gehört zur World Anti-Communist League. Bei einer Reise nach Europa trifft sich Banister auch mit französischen Terroristen. Über die Permindex von Clay Shaw spendet die ACLC der Organisation de l'Armée Secrète $200'000 für die Ermordung Charles de Gaulles. Als Folge des missglückten Attentats wird die schweizerische Niederlassung der Permindex geschlossen und das mit der Permindex verhängte Centro Mondiale Comerciale muss seinen Sitz von Rom nach Johannesburg verlegen. De Gaulle ist überzeugt, dass auch NATO-Kreise hinter den Attentatsversuchen stecken, da General Maurice Challe Kontakte zum Pentagon und zur DIA hat.
An den angeblich kommunismusgefährdeten Tulane- und Louisiana State-Universitäten
baute Banister ein Netz von Informanten auf, deren Berichte von Jerry Milton
Brooks regelmässig ins FBI-Büro von New Orleans gebracht werden, wo
man sie ins Archiv integriert. An der Tulane-Universität ist auch H. Warner
Kloepfer, der mit seiner Frau Ruth in Oswalds Adressbuch steht. Oswald soll
an einer Party an der Tulane-Universität bei Robert Hoffman gewesen sein.
Banister ist zusammen mit seinen Mitarbeitern auch an COINTELPRO-Aktionen des
FBI beteiligt.
Guy Banister baut Oswald gezielt als Sündenbock auf und plant mit David
Ferrie Oswalds Aktivitäten, die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit
erregen sollen: Oswald gibt sich bei seinen Aufträgen als fanatischen Kommunisten,
Waffennarr und Einzelgänger aus. Er bewirbt sich am 26.5.63 bei Direktor
Ted Lee am Hauptsitz des Fair Play for Cuba Committee in New York, um eine Zweigstelle
in New Orleans zu gründen, deren einziges Mitglied er selbst bleibt. Ab
dem 28.5.63 führt Oswald eine intensive Korrespondenz mit Lee, der offenbar
ebenfalls Mitglied der Progressive Labor Movement ist und von der CIA und dem
FBI intensiv überwacht wird. Die CIA-Operation gegen das FPCC unterstehen
James McCord und David Atlee Phillips, der eng mit E. Howard Hunt zusammenarbeitet
und laut James Files Oswalds Kontrollagent ist. Auf Wunsch der CIA bricht das
FBI unter Leitung von SAC John Malone im April und im Oktober 1963 im Hauptquartier
des FPCC und im Mai ins Büro des PLM ein, wobei auch Oswalds Korrespondenz
fotografiert wird. Nachdem Hoover am 7.12.63 die Morduntersuchung bereits abschliessen
will, veröffentlicht die Presse 6 Briefkopien Oswalds, die Ted Lee nach
dem Attentat dem FBI übergab. In der New Yorker Ausgabe des Journal-American
schreibt Guy Richards, ein Freund von John Malone, das Attentat könnte
eine vom FPCC gesteuerte Verschwörung sein. Lee wird vom Senatsausschuss
von Julien Sourwine, der von Trujillo, Somoza und Pawley unterstützt wird,
und Senator James Eastland, der zusammen mit Pawley 1963 eine Kubainvasion plant,
in Hearings in die Mangel genommen. Der CIA-Verbündete William Pawley ist
mit der Botschafterin Claire Booth Luce befreundet, die seine Kubaaktionen unterstützt,
an einer auch Oswald 1962 einmal mit Justin McCarthy beteiligt war.
Oswald druckt "Hands Off Cuba"-Pamphlete und Mitgliedskarten des "N.O.F.P.C.C."
Unter den Namen Osborne und Hidell verteilt Oswald Mitte Juni Flugblätter
mit politischer Agitation für Castro. Banister bekommt einen Wutanfall,
als er entdeckt, dass Oswald die Adresse 544 Camp Street als Sitz des FPCC auf
die Flugblätter gedruckt hat. Einige der Zeugen, die Oswald in New Orleans
beobachten, beschreiben ihn als sauber und gepflegt, andere als fluchenden und
dreckigen Säufer, was bedeutet, dass ein Doppelgänger auftritt. Banister
stellt andere junge Männer wie die beiden Ex-Marines Allen und Daniel Campbell
ein, die Pro-Kuba-Studentengruppen infiltrieren.
Als Oswald bei Reilly gefeuert wird, freut er sich, weil er erwartet, bald bei der NASA im neu eröffneten Space Center in Michoud bei New Orleans zu arbeiten. Tatsächlich wechseln 5 seiner Arbeitskollegen der Kaffeefirma kurz danach zur NASA. Einer davon ist Dante Marachini, der am selben Tag wie Oswald dort zu arbeiten begann und ein Freund von Davis Ferrie ist. Zur selben Zeit beginnen 2 weitere Freunde Ferries bei der NASA zu arbeiten: James Lewallen und, unter seinem Militärpseudonym Charles Melvin Coffey, Michael Paine.
Quellen: Bartholomew: 54, 57f, Weberman (8): 44f, 62, (9), (10): 2, 18-20, (11): 1-55, (12): 17ff, (14): 31, Groden/ Livingstone: 299f, 308f, 437f, Tarpley/ Chaitkin: 117-129, Brussell (1983): 16-22, Marrs: 225-230, 260, 342, Bartholomew: 55, Callahan: 36, 66 ,89,108ff, Scott (1993): 95, 261, (1994): 2f, Rose: 2f, Anson: 121-126, 191-217, 249ff, Davis (1988): 122-137, 404, 415, Sylwester: 17-19, Summers (1993): 322-325, (1989): 576, Torbitt: 15-17, 23, 29f, Dankbaar.
April 1963 Vorbereitungen in Dallas top
Vizepräsident Lyndon B. Johnson trifft kurz vor Mittag des 23.4.63 in Dallas
ein und hat 2 Arbeitsessen, 2 Privatkonferenzen in den beiden Zeitungsbüros
und hält eine Rede an einem Wissenschaftsmeeting. Während der Konferenz
bei der Dallas Times Herald kündigt er an, Kennedy könnte in der nächsten
Zeit einen Tagesbesuch in Texas machen. Johnson vergleicht Kennedy mit einem
Piloten und meint, man solle ihn nicht jetzt abschiessen, sondern auf seinen
Besuch warten, was wie eine Botschaft tönt.
Offenbar steht die Einladung Kennedys zum Al Thomas Appreciation Dinner für
den 21.11.63 von Jack Valenti in Houston bereits fest. An diesem Dinner wird
Rubys Freund und Waffenhandelspartner Jack Halfen, der den Vizepräsidenten
im Auftrag Marcellos schmiert, teilnehmen. Am 24.4. bestätigt das Weisse
Haus die Reise des Präsidenten im November nach Texas. JFK will im Rahmen
der Kampagne für die Wiederwahl San Antonio, Houston, Fort Worth, Dallas
und Austin besuchen. Die Demokratische Partei in Texas ist zwischen dem konservativen
Flügel um Lyndon Johnson und John Connally und den Liberalen um Ralph Yarborough
zerstritten, seit die Partei Johnsons Sitz an den Republikaner John Tower verloren
hat. JFK muss versuchen, die konservativen Texaner auf seine Seite zu bringen,
da er Johnson durch George Smathers ersetzen will. Johnson muss darüber
auf dem Laufenden sein, weil Bobby Bakers Sekretärin Carola Tyler mit Smathers
Sekretärin Mary Jo Kopechne zusammenwohnt. Tyler kommt in einem ungeklärten
Flugzeugunfall, Kopechne in einem inszenierten Autounfall mit Teddy Kennedy
am 18.9.69 ums Leben.
Der Rechtsextreme Cecil Bernard Smith, der die Kampagnen von Johnson trotz seinen
beschränkten finanziellen Mitteln unterstützt, verkauft George Gordon
Wing den Rambler, der am 22.11.63 als Fluchtauto dient. R. L. Lewis, der Händler
von C. B. Smith Motors, der den Verkauf tätigt, stirbt am 11.1.64 an einer
Herzattacke. Smith arbeitete zwei Jahre in Mexiko und fördert die Lateinamerika-Abteilung
an der Universität Austin, Texas. Das Institute of Latin American Studies
ist eine der Akademien, die von der CIA für verdeckte Operationen gebraucht
werden. Smith hat vermutlich Spanischkurse besucht, die William F. Buckley Sr.
dort erteilte. Rektor der Universität ist Johnsons Freund Harry Huntt Ransom,
Offizier bei der Air Force Intelligence im 2.Weltkrieg und danach Berater der
Air Force. Smith, Wing und David Harold Byrd, der Hausbesitzer des TSBD, von
wo Oswald Kennedy erschossen haben soll, hatten im Militär mit Waffengeschäften
zu tun. Auch George Wing arbeitete in Mexiko, am City College, und wurde danach
vom CIA finanzierten Institute of International Education unterstützt.
Während den 29 Jahren Unterrichtsstätigkeit an der UT fehlt Wing nur
zweimal: wegen Krankheit 1991 kurz vor seinem Tod und im zweiten Jahr seiner
Anstellung als Assistenzprofessor, im Herbstsemester 1963, ohne Erklärung.
Walt Withman Rostow, der mit Allen Dulles, McGeorge Bundy, Richard Bissell und Charles P. Cabell zusammenarbeitet, gründete das Institute of Latin American Studies auf Empfehlung von George DeMohrenschildt. Neben dem Kennedy-Berater ist auch John W. F. Dulles an dieser Uni tätig. Rostow, wie Edward G. Lansdale ein OSS-Veteran, mit dem er 1961 eng zusammenarbeitete, ist vermutlich die Schnittstelle, von der die CIA und die Exilkubaner von Kennedys Geheimplan, mit Kuba die Beziehungen zu normalisieren, erfahren. Rostow gehört zum inneren Kreis der Kennedy-Administration und wird nach dem Attentat Johnsons Sicherheitsberater. Für Johnson ist Rostow der wichtigste Mann seines Kabinetts, und von Rostows Bruder kommt die Idee zur Bildung der Warren-Kommission, die den Kennedy-Mord untersuchen' soll.
Quellen: Bartholomew (1): 7ff, (4), Groden/ Livingstone: 321.
Mai 1963 Plot gegen Duvalier top
George DeMohrenschildt arbeitet an einem von der CIA gutgeheissenen Plot zum Sturz des haitianischen Diktators François Duvalier. Bereits ein Jahr nach seinem Amtsantritt 1957 setzte "Papa Doc" die Verfassung ausser Kraft, baute ein diktatorisches Regime auf, liess in Militär und Regierung Säuberungsaktionen durchführen und ordnete Massenhinrichtungen und Ausgangssperren an. Zur Seite stand Duvalier dabei seine Privatarmee, die gefürchtete Tonton Macoute, eine berüchtigte Polizei- und Spitzelorganisation, die gegen 60'000 Menschen ermorden wird. 1958 liess er ein Stadtviertel von Port-au-Prince in Brand stecken, um die Leute zur Gründung einer neuen Siedlung zu zwingen.
Die französische Kolonie Saint-Domingue wurde als erstes Drittweltland
1804 als Haiti unabhängig, nachdem die drangsalierten aufständischen
Sklaven unter Toussaint Louverture und Jean-Jacques Dessalines die Spanier,
Engländer und Franzosen besiegten, wobei letztere allein 50'000 Mann verloren.
Haiti war auch das erste Land, das die Sklaverei abschaffte (während das
Königreich Saudi-Arabien erst 1963 Sklaven verbietet). Die USA befürchteten,
dass der Funke der Rebellion auf die eigenen Sklaven überspringen könnte
und initiierten mit der Verhängung des Wirtschaftsembargos 1806 die Isolierung
und Sabotage der ersten Schwarzen-Republik.
Nachdem die USA 1898 Kuba und Puerto Rico, 1903 Panama, 1905 die Dominikanische
Republik und 1909 Nicaragua unter ihre Kontrolle gebracht hatten, okkupierten
sie 1915 Haiti aus strategischen Gründen. Die Nationalversammlung wurde
aufgelöst, und der spätere Präsident Franklin D. Roosevelt brüstete
sich: "Ich schrieb Haitis Verfassung selbst, und wenn ich das sage, meine
ich, dass es eine ziemlich gute Verfassung ist." Die Marine organisierte
ein Plebiszit, an dem 5% der Bevölkerung teilnahmen, womit die Verfassung
mit 99% Zustimmung angenommen wurde. Als die Marines 1934 abzogen, war die Dominanz
der die Interessen der US-Konzerne sichernden Oberschicht garantiert.
Die "Perle der Antillen" verkam in der Folge zum Armenhaus der westlichen
Hemisphäre. Am 8.4.61 löste Duvalier das Parlament auf. Im April 1963
plante Clement Barbot, der kurz zuvor aus dem Gefängnis entlassene politische
Gegner von Duvalier, dessen Kinder zu entführen, um seinen Rücktritt
zu erzwingen. Die Entführung schlug fehl, sechs Verdächtige der Verschwörung
wurden sofort exekutiert und eine breit angelegte Suche nach Barbot begann.
Die Amerikaner wollen Duvalier nun loswerden, aber ohne dass die Kommunisten
die Macht übernehmen.
In Washington treffen sich DeMohrenschildt und sein Geschäftspartner Clemard Joseph Charles mit dem CIA-Beamten Joseph F. Dryer und einem Vizedirektor der Army Intelligence, um einen Waffenschmuggel nach Haiti zu organisieren. Charles, eigentlich ein Freund von Duvalier, gilt als möglicher politischer Führer eines demokratischen Haitis. Er soll für den Machtwechsel über die Agency for International Development $1 Mio. bekommen. DeMohrenschildt versucht, ein Treffen mit Charles und Vizepräsident Johnson zu organisieren. Über Dorothe Matlack vom Generalstab des militärischen Geheimdienstes laufen die Kontakte zur Navy. Matlack trifft sich am 7.5.63 mit DeMohrenschildt und Charles, der will, dass die U.S. Marines Haiti erobern und Duvalier stürzen. 8 US-Schiffe mit 2000 Marines befinden sich im Mai unmittelbar ausserhalb der haitianischen Gewässer. Über Jacqueline Lancelot laufen Kontakte zu Phillipe De Beaujolais, dem Chef des französischen Geheimdienstes der Botschaft in Washington. I. Irving Davidson, der Charles kennt und Lobbyist von Duvalier ist, befindet sich im Mai 1963 ebenfalls in Haiti. DeMohrenschildt zieht am 2.6. nach Haiti, wo der Machtwechsel jedoch fehlschlägt.
Kurz nach dem Kennedy-Attentat werden $200'000 oder $250'000 auf ein Konto
von DeMohrenschildt in Port-au-Prince einbezahlt. Ende 1964 fliegt der ehemalige
Testpilot von Lockeed, Donald Edward Browder, mit einem gecharteten B-25 Bomber
nach Haiti, was von Charles bezahlt wird. Browder wird später wegen Sicherheitsverletzungen
zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Nachdem das FBI Duvalier informiert,
dass DeMohrenschildt ein "polnischer Kommunist und Mitglied einer internationalen
Bande" sei, bekommt dieser zunehmend Schwierigkeiten, muss im November
1966 die Insel verlassen und kommt mit seiner Frau nach Dallas zurück.
Charles wird kurz zuvor eine grosse Summe ausbezahlt. 1967 wird er verhaftet
wegen seiner Rolle in dem Anti-Duvalier-Plot, kommt aber gegen ein Lösegeld
von $250'000 wieder frei. 1970 landet er erneut im Gefängnis wegen der
Finanzierung der fehlgeschlagenen Militärrevolte, wobei der wegen Drogenhandels
später verurteilte französische Agent André Labay eine führende
Rolle spielte. Charles hat auch Kontakt mit anderen Drogenhändlern mit
Geheimdienstkontakten wie Mitchell WerBell III von der Nugan Hand Bank, Mario
Renda und Herman K. Beebe. 1988 führt Charles ein Geschäft mit Frank
Sturgis und bewirbt sich nach dem Sturz von Jean-Claude "Baby Doc"
Duvalier 1986 als Kandidat an den Präsidentschaftswahlen in Haiti. Er wird
aber drei Tage vor den Wahlen, die in einem Blutbad enden, vom obersten Gericht
in Haiti disqualifiziert.
Quellen: Marrs: 79, 284, Weberman (8): 45-56, (10): 71ff, Groden/ Livingstone: 299-304, Schmid (2000a), Bertolami: 7ff.
Juni 1963 Die Mafia in Bedrängnis top
Teamster-Boss Jimmy Hoffa wird in Chicago wegen Betrugs mit Pensionskassenkrediten
in der Höhe von $20 Mio. angeklagt. Nur ein Monat zuvor erfolgte eine Anklage
gegen ihn wegen Richter-Bestechung. Hoffa versucht daraufhin, Justizminister
Robert Kennedy zu erpressen, indem er am Telefon von seinen Kenntnissen und
Beweismitteln von dessen Beziehung mit Marilyn erzählt. Da er weiss, dass
das Telefon abgehört wird, rechnet er mit Bobbys Angst vor der Publikation
dieser Informationen. Hoffa wird am 20.1.64 zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt,
die er im März 1967 antritt.
Nachdem Genoveses Unterboss Tony Provenzano noch im Februar bei einem Local 560 Meeting eine Lohnerhöhung von $50'000 für seine Verdienste bei der Eliminierung von Gewerkschaftsreformern zugesprochen bekam, wird er wegen Firmenerpressung zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.
Carlos Marcellos Antrag auf Revision des Deportationsfalles wurde am 27.5.63 vom Obersten Bundesgericht abgelehnt, was bedeutet, dass ihm keine Rechtsmittel mehr offenstehen. Es bleibt ihm nur noch die Möglichkeit, die Anklagen wegen Konspiration und Meineids aufgrund der Fälschung der guatemaltekischen Geburtsurkunde abzuwehren. Da der Prozess auf November anberaumt ist, hat er nur noch wenig Zeit, um sein $1,6 Mia.-Imperium, seine Stellung und seinen Ruf zu retten.
Nachdem Robert Kennedy von J. Edgar Hoover eine effektivere Überwachung
von Sam Giancana verlangte, führte dieser die "Manndeckung" ein.
FBI-Agenten folgen dem Mafiaboss offen und immer überall hin. Dies bringt
natürlich keine neuen Erkenntnisse, sondern provoziert Giancana so weit,
dass er zum Gegenangriff übergeht. Er klagt am 28.6. auf Rat des Advokaten
Tony Tisci gegen das Justizministerium wegen fortwährender Belästigung
und Einschränkung der Privatsphäre.
Eigentlich wäre dies die beste Gelegenheit, Giancana ins Kreuzverhör
zu nehmen, da er im Zeugenstand unter Eid aussagen müsste, aber aus Angst
vor Enthüllungen verhindert Bobby ein Kreuzverhör. Da der Justizminister
das Gericht für nicht zuständig in FBI-Angelegenheiten erklärt,
muss die Beschattung gelockert werden.
Frank Sinatra und Giancana verbrachten im Mai ihre Ferien zusammen auf Hawaii,
und Giancana besucht im Juli das Cal-Neva, das Sinatra offiziell, aber Giancana
wirklich besitzt. Im Oktober verliert Sinatra seine Casino-Lizenz, verkauft
seine $380'000 Aktien am Sands und wird dafür Direktor des sich in Mafiabesitz
befindlichen Berkshire Racetrack in Massachussetts.
Quellen: Davis (1988): 129, 330-338, 408, (1994): 97, 110f, Marrs: 171-173, Weberman (21): 37, (27): 43, Gregory/ Speriglio: 254, Best: 13f, 22, 41, Collier/ Horowitz: 382-385, Giancana: 500-502.
Juni 1963 Kennedys Konfrontationskurs top
John Kennedy begibt sich auf Konfrontationskurs mit dem Federal Reserve Board,
indem er unter anderem die Ausgabe von fast $4,3 Mia. United States Notes'
durch das Finanzamt anstatt durch die im FED zusammengeschlossenen Banken beschliesst.
Zusätzlich ersetzt er die Silber- durch die Golddeckung von Ein- und Zweidollarnoten,
um die Währung zu stärken. Durch die Ausgabe des Konkurrenzgeldes
verspricht sich JFK eine Reduktion der Staatsschulden und eine Schwächung
des Finanzmonopols des FED. Der Präsident des Rechnungshofes James J. Saxon
hat sich schon seit längerem für breitere Investitionen und die Stärkung
der anderen Banken ausgesprochen. Da das FED das Geld selber druckt und der
Regierung gegen Zinsen leiht, handelt es sich um eine weltweit einmalige Form
von Korruption, wie Louis McFadden, Vorsitzender des House Committee on Banking
and Currency, meint: "The Federal Reserve is one of the most corrupt institutions
the world has ever seen. There is not a man within the sound of my voice who
does not know that this nation is run by international bankers." Als Vater
Joe von den Plänen erfährt, das FED auszuhebeln, schreit er seinen
Sohn im Oval Office an: "Wenn du das tust, bringen sie dich um!" Am
4.6.63 unterzeichnet er die Executive Order Nr. 11110, womit das Finanzministerium
silberzertifizierte United States Notes herausgeben kann. An weiteren Staatsschulen
hätten die Privatbanken kaum mehr etwas verdient (F137: 275).
Das Federal Reserve System wurde 1913 als privates Unternehmen, an dem der Staat
keine Aktien halten darf, gegründet. Die ursprünglichen Aktienbesitzer
der Federal Reserve Banken waren die Rockefellers und Rothschilds, JP Morgan,
Lazard Freres, Schoellkopf, Kuhn-Loeb, die Warburgs, Lehman Brothers und Goldman
Sachs. Kein Senator oder Abgeordneter im Abgeordnetenhaus darf Mitglied des
Federal Reserve-Gremiums oder ein Offizier oder Direktor der Federal Reserve
Bank sein. Nach dem 1. Weltkrieg mussten die Europäer zur Begleichung der
Kriegsschulden ihr Gold abliefern, das zur Deckung des Dollars verwendet wurde.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Golddevisen-Standard eingerichtet, der es den
anderen Zentralbanken erlaubt, Dollars gegen Gold zu einem festen Satz umzutauschen.
Deshalb sicherten sich die anderen Länder ihre Währung mit Dollars,
die sie in den Kellern lagern. Die Amerikaner konnten sich daher in der eigenen
Währung verschulden, ohne dass dies Folgen gehabt hätte. 1961 befinden
sich mehr Dollar in Umlauf, als durch Gold gedeckt ist, und die Inflation stieg
weltweit an. Bereits in diesem Herbst bildeten die USA (Beteiligung: 50%) mit
den Zentralbanken von Deutschland (11%), Grossbritannien, Frankreich, Italien
(je 9,3%), Belgien, Holland und der Schweiz (je 3,7%) einen Goldpool, um den
Verfall des Dollars mittels Goldpreismanipulationen zu retten. Als die Verluste
des Pools bis 1968 $4 Mia. erreichen, wird seine Tätigkeit faktisch eingestellt.
Drei Jahre später sind die Währungsgoldbestände der USA soweit
abgewirtschaftet, dass der Bankrott droht.
Ein Mitglied der Wall Street-Gruppe um das FED, John "Jock" Whitney,
gibt als erster die Coverstory von Oswald am 22.11.63 heraus. Der ehemalige
Botschafter in England ist verwandt und befreundet mit den Familien Bush, Harriman,
Vanderbilt und Payson, wobei letztere eng mit der Atom- und Rüstungsindustrie
verknüpft sind. Sofort nach dem Tod Kennedys werden die neuen "United
States Notes" im Umfang von $4,3 Mia. zurückgezogen, und Johnson kehrt
zur Tradition der Zinszahlung zurück, obwohl die Order formell in Kraft
bleibt. .
Am 19.6.63 präsentiert Kennedy den Bürgerrechtsentwurf: Jedem Bürger,
unabhängig von seiner Hautfarbe, soll das Wahlrecht und der Zugriff auf
alle öffentlichen Institutionen garantiert werden. Schon im Oktober 1962
verärgerte JFK den Süden, als er Bundestruppen an die Universität
von Mississippi schickte, um die Immatrikulation von Schwarzen gegen den Willen
des Gouverneurs George C. Wallace durchzusetzen. Im Januar 1963 gab James Meredith
sein Studium an der Uni Oxford in Mississippi wegen ständiger Anfeindungen
wieder auf. Trotzdem stellte sich Kennedy nie eindeutig hinter die Schwarzen.
Im April und Mai 1963 kam es zu erneuten blutigen Unruhen, vor allem in Alabama,
wo die Farbigen mit Boykottmassnahmen für ihre Rechte demonstrierten. Am
13.5.63 schickte JFK Luftlandetruppen nach Birmingham, nachdem im Motel A. G.
Gaston, wo sich die Schwarzenführer einquartiert hatten, eine Bombe explodierte.
Bei den friedlichen Demonstrationen liess der Polizeikommissär Teophilis
Eugene Connor 2500 Farbige inhaftieren und mit scharfen Hunden, Wasserwerfern,
elektrischen Schlagstöcken und Gummiknüppeln gegen die Demonstranten
vorgehen, obwohl der Bürgermeister Albert Boutwell mit der Bürgerrechtsbewegung
eine Vereinbarung ausgearbeitet hatte. Nachdem am 12.6.63 der Schwarzenführer
Medgar Evers in Jackson, Mississippi, ermordet wurde, entschloss sich JFK, nun
doch etwas zu tun. Eine Woche später legt er dem Kongress eine Serie von
Gesetzesentwürfen vor, die eine Gleichstellung der Farbigen im öffentlichen
Leben erzwingen sollen. Die Segregisten der von Robert Welch finanzierten John
Birch Society und des Ku-Klux-Klan schwören Rache für den Verrat an
der weissen Rasse.
Am 27.8.63 findet der Marsch nach Washington gegen die Rassendiskriminierung
und für die Durchsetzung des Bürgerrechtsprogramms von JFK statt,
an dem 200'000 Menschen teilnehmen. Kennedy empfängt eine Delegation der
Marschteilnehmer und warnt Martin Luther King persönlich im Weissen Haus,
dass er vom FBI überwacht werde und als Kommunistensympathisanten diskriminiert
werden solle. JFK empfiehlt King, die Beziehung zu seinem Berater Stanley Levinson
abzubrechen, der bis 1955 für die American Communist Party Gelder organisierte.
Hoover lässt den Prediger im Rahmen der COINTELPRO-Aktivitäten seit
Oktober 1962 unter dem FBI-Code ZORRO überwachen, obwohl ihm der Justizminister
keine Bewilligung erteilte.
Quellen: Marrs: 275, DiEugenio (1997): 1, Kolloch: 149f, Tarpley/ Chaitkin: 54,135, Oglesby: 8, Best: 15, Obenhause, King: 7-17, Collier/ Horowitz: 380ff, Theoharis/ Cox: 444, Schulz: 87, 113, Summers (1993), Giefer, Pepper, Dankbaar.
Juni 1963 Kennedys Aussenpolitik top
John Kennedy hält am 10.6.63 eine Rede, die viele Historiker als die beste
seiner Präsidentschaft bezeichnen. Darin stellt er den Kalten Krieg in
Frage, behandelt die Sowjetunion als ebenbürtige Supermacht und votiert
für den Weltfrieden. Eine Konsequenz dieser Rede ist auch die Einrichtung
einer Hotline am 20.6. zwischen dem Kreml und dem Weissen Haus, um eine zweite
Raketenkrise zu verhindern. Aber Kennedys eigentliches Ziel ist die Zustimmung
von Nikita Chruschtschow zum Vertrag, der zwei Monate später unterzeichnet
wird und Atomtests in der Atmosphäre verbietet. Die Amerikaner sind im
Sommer 1963 aufgeschreckt vom Strontium 90, das bei Atomwaffenversuchen freigesetzt
und in hohen Konzentrationen in Kuhmilch und menschlichen Knochen nachgewiesen
wurde. JFK rechnet damit, dass der Rüstungsvorteil der USA mit dem Vertrag
erhalten bleibt, da Chruschtschow nicht weiss, dass die amerikanischen Wissenschaftler
nun in der Lage sind, Atomversuche auch unterirdisch durchzuführen. Zudem
soll damit die weitere Verbreitung der Atombombe verhindert werden. Die UdSSR
zündete 1949, England 1952 und Frankreich 1960 ihre erste Atombombe, und
die USA befürchten, dass vor allem China in den Besitz der Atombombe gelangen
könnte. Acht Tage nach Unterzeichnung des Vertrages am 13.8.63 kündigt
Robert McNamara einen neuen Schritt im Rüstungswettlauf an, indem er die
Zahl der Interkontinentalraketen von 500 auf 1700 anheben und auch die der U-Boot-Raketen
verdreifachen will.
Nikita Chruschtschows Position innerhalb des Kremls wird damit nach der Kubakrise zum zweiten Mal geschwächt. 1964 trennt er den Parteiapparat in einen Industrie- und einen Landwirtschaftsbereich, kürzt das Rüstungsbudget und spricht von demokratischen Reformen. Trotz seiner Popularität im Volk hängt sein Leben an einem seidenen Faden, weil Leonid Breschnew seinen Sturz vorbereitet. Um ihrer Entmachtung zuvorzukommen, kommt ihm die Parteispitze, die Chruschtschow als Altherrenclub bezeichnet, zuvor. Im Oktober 1964 muss er von allen Regierungs- und Parteiämtern zurücktreten. Selbst nach dem Sturz empfindet ihn die Partei als Gefahr, lässt ihn weit ausserhalb Moskaus unter Hausarrest stellen und permanent überwachen. Seine Memoiren erscheinen einige Monate vor seinem Tod im Westen und werden in der Sowjetunion verboten.
Das Pentagon gibt zu, dass die Sowjetunion nur 60 und nicht 175 Divisionen hat und dass eine russische Division nur halb so gross ist wie eine NATO-Division. Ohne diese bis anhin von Reinhard Gehlen verbreiteten Zahlen hätte sich die Wiederbewaffnung Deutschlands, das seine Armee von 1000 Soldaten 1956 auf 300'000 1963 aufrüstete, was die Teilung Deutschlands und Europas zementiert, nicht durchsetzen lassen. Trotzdem sind die Westmächte mit Ausnahme Frankreichs nicht bereit, die deutschen Ostgrenzen anzuerkennen. Charles de Gaulle stellt sich immer wieder gegen die Einbindungsstrategie der USA, und Frankreich tritt am 7.3.66 aus der NATO aus, um nicht zum Handlanger der USA zu verkommen. Die Mitgliedsstaaten der NATO geben 1963 $71 Mia. für das Militär aus, während der Sowjetblock auf nur $37 Mia. kommt. Ein militärischer Angriff der Sowjetunion auf Westeuropa wird von den US-Regierungen nie als eine reale Möglichkeit betrachtet, aber die rote Gefahr dient als Legitimation für die repressive Innenpolitik und hegemonistische Aussenpolitik. Wo Revolutionen passieren, werden sie sofort der UdSSR in die Schuhe geschoben, auch wenn sie wie im Falle von Jugoslawien, China oder Kuba unabhängig von Russland entstanden.
JFK trifft auf seiner Europareise am 23.6.63 in Bonn ein und besucht dann das erste Mal die Berliner Mauer. Seine Rede am 26.6. ist ein Triumph: eine Million Zuschauer sind von seinem Bekenntnis "Ich bin ein Berliner" begeistert, obwohl seine Rede die Kalte-Krieg-Rhetorik wieder aufgreift und in diametralem Gegensatz zur Friedensrede zwei Wochen zuvor steht.
Nach einem Besuch in Irland trifft sich Kennedy am 29.6. mit dem um sein politisches
Überleben kämpfenden Harold Macmillan in dessen Landhaus in Surrey,
um der Aufmerksamkeit der Presse möglichst zu entgehen. Englands Regierung
von Harold Macmillan wird erschüttert durch den Sexskandal um John Profumo.
Der britische Kriegsminister hat ein Verhältnis mit der Prostituierten
Christine Keeler, die ebenfalls eine Affäre mit dem sowjetischen Flottenattaché
Yevgeny Ivanow hat, der für den sowjetischen Geheimdienst arbeitet. Zum
Call-Girl-Ring von Christine Keeler und Stephen Ward gehören auch die chinesische
Schönheit Suzy Chang und die wasserstoffblonde Tschechin Mariella Novotny,
die nicht nur in London, sondern auch in New York arbeiten, wo sie John Kennedy
vor und nach der Wahl 1960 mehrmals bedienten. Nach Aussagen von Novotny spielten
die beiden Ärztin und Krankenschwester, und der angehende Präsident
war ihr Patient. JFK verschlingt daher jedes geschriebene Wort über den
Profumo-Skandal, wobei ihn der amerikanische Botschafter in Grossbritannien,
David Bruce, direkt auf dem Laufenden hält. Besonders dramatisch ist, dass
Novotny mit dem KGB zusammen arbeitet und dass die Presse informiert ist.
Auf Initiative von RFK beauftragt J. Edgar Hoover seinen Attaché in London,
Charles Bates, den Skandal genau zu verfolgen, besonders im Hinblick auf eine
Verwicklung von amerikanischen Beamten. Denselben Auftrag erteilt John McCone
der CIA-Station in London. Deren Vizedirektor Cleveland Cram kann einen Monat
lang alle Unterlagen des MI-5 über den Fall einsehen, ohne Nennenswertes
zu finden. Offenbar benutzte der MI-5, der sowohl mit Hoover wie auch mit Angleton
in direktem Kontakt steht, Wards Sexring, um den russischen Agenten Ivanow,
der über Christine Keeler Informationen von Profumo erhalten wollte, zu
erpressen.
Am gleichen Tag des Treffens von Kennedy und Macmillan schreiben die Journalisten
James D. Horan und Dom Frasca im Journal-American über eine Verbindung
von einem hohen amerikanischen Regierungsbeamten mit dem Keeler/Ward-Sexring.
Der rechtsextreme Editor des Journals, Guy Richards, der über exzellente
Geheimdienstbeziehungen verfügt, versucht einen Skandal auszulösen,
um den Präsidenten nach dessen Entspannungsrede zu stürzen. Richards
wird zusammen mit Michael Eddowes, der mit Christine Keeler befreundet ist,
nach dem Attentat propagieren, dass der KGB JFK umgebracht habe.
Am 30.6. vergnügt sich Kennedy in einer von Dean Rusk organisierten Villa
der Rockefeller-Stiftung am Comersee mit Marella Agnelli, der Frau des italienischen
FIAT-Tycons, der seinerseits mit Jackie eine Affäre hatte. Während
JFK am nächsten Tag eine Audienz bei Giovanni Battista Montini, dem neuen
Papst Paul VI. hat und italienische Spitzenpolitiker trifft, zitiert Robert
Kennedy die beiden Journalisten des Artikels ins Justizministerium, um sie im
Beisein von Courtney Evans, dem Chef der Special Investigative Division des
FBI, auszufragen. Die beiden wissen, dass der "hohe Beamte" der Präsident
ist, verraten als Quelle aber nur den Journalisten Peter Earle von News of the
World, welche mit Novotny einen Vertrag für ihre Story abgeschlossen hat.
Die Journalisten versichern, dass sie weitere Quellen hätten. Wichtige
Informationen kamen offenbar von Roy Cohn, der einen Amerikaner im Profumoskandal
verteidigt, und gelangten über Hoover zu Richard Berlin, dem Chef des Hearst-Konglomerats.
FBI-Chef Hoover kann seit langem auf die Mithilfe der Hearst-Zeitungen zurückgreifen,
um die Kommunistenangst im Land zu fördern. Über James McInerney droht
Justizminister Robert Kennedy dem New York Journal-American von Randolph Hearst
mit einer Anti-Trust-Klage und kann damit verhindern, dass eine zweite Auflage
gedruckt oder die Story weiterverfolgt wird. Hearsts Empire umfasst um die 25
Zeitungen, 8 Magazine sowie einen Newsservice. Hearst hat Beziehungen zur Mafia,
die ähnlich der CIA viele bezahlte Journalisten in den Medien haben. Gleichzeitig
kehren die Kennedys das Spiel Hoovers um und weisen Kenneth O'Donnell an, ein
Schmutz-Dossier über Hoover zu eröffnen, um etwas gegen ihn in der
Hand zu haben.
Ein weiteres gefährliches Abenteuer hat John Kennedy mit der Ostdeutschen Ellen Rometsch. Sie war Mitglied einer kommunistischen Jugendgruppe und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, bis sie mit ihrer Familie 1955 nach Westdeutschland floh. Mit ihrem zweiten Ehemann, als Offizier der Luftwaffe an die Deutsche Botschaft abgeordnet, kam sie 1961 nach Washington, wo sie sich als Partygirl und Prostituierte beliebt machte. Die 27jährige wurde Anfang 1963 eine von Bobby Bakers Bekanntschaften, und Bill Thompson vermittelte sie an JFK. Rometsch ist mindestens zehn Mal bei Jack und erzählt Baker von den Nacktparties im Swimming Pool des Weissen Hauses, an denen oft Politiker und in der Regel doppelt soviele Mädchen wie Männer teilnehmen.
Am 3.7. informiert J. Edgar Hoover RFK, dass er einen Bericht erhalten habe, aus dem hervorgehe, dass der Präsident mit Ellen Rometsch, die früher für Walter Ulbricht gearbeitet habe und eine Spionin sein könnte, ungesetzliche Beziehungen habe. Die Gegenspionageabteilung des FBI eröffnet daraufhin eine Untersuchung. Auf offizielles Ersuchen des Aussenministeriums hin wird Ellen Rometsch am 21.8. in einem Air Force Transporter deportiert. Begleitet wird sie von Bobbys Freund LaVern Duffy, der seit einigen Monaten ebenfalls eine Affäre mit Rometsch hat. Rolf Rometsch verlässt die USA einige Tage später; ihre Ehe wird im September wegen ihren Beziehungen zu anderen Männern geschieden. Über La Vern Duffy zahlen die Kennedys Schweigegeld.
Quellen: Obenhause, Hersh: 382-400, Summers (1993): 305-313, Collier/ Horowitz: 385f, Scott (1993): 112, 229f, 305f, Fox: 110ff, Afterbach 6, Amara, Bartholomew: 52, (4): 18f.
Juli 1963 Lateinamerika top
Präsident Carlos Arosemena Monroy von Ecuador gibt am 10.7. ein Bankett
zu Ehren der Vertreter des Grace-Konzerns. In angetrunkenem Zustand erklärt
er: "Die Völker Ecuadors und der USA haben herzliche Beziehungen,
doch die bestehen nur zwischen den Völkern. Die Regierung der USA beutet
Lateinamerika aus, und sie beutet Ecuador aus." Der Präsident ist
noch nicht nüchtern, als die Armee schon die Macht übernommen hat,
die sie für die nächsten drei Jahre behält, bis ein landesweiter
Aufstand im März 1966 die Junta zum Rücktritt zwingt.
Kuba ist allein schon durch seine Präsenz als nicht US-dominierter Staat in Amerika eine Bedrohung des herrschenden Machtgefüges, da die Hoffnungen der amerikanischen Völker auf Unabhängigkeit dadurch genährt werden. Am 19.6. billigte JFK formell die geheime CIA-Unterstützung der "autonomen Gruppen", die zwar bewaffnet und finanziert, aber deren Sabotage- und Propaganda-Aktionen von der CIA nicht kontrolliert werden. Auch die Armee unterstützt die Exilkubanergruppen. Alexander Haig, der im Büro von Armeesekretär Cyrus Vance arbeitet, Santos Trafficante kennt, Nixons Sicherheitsberater und Reagans Aussenminister sein wird, arbeitet zusammen mit CIA-Agent Joe Califano an der Organisation von Hit-Teams. Haig behauptet später, Castro stecke hinter der Kennedy-Ermordung. John Martino ist im Juni mit einem Hit-Team auf Kuba, zusammen mit Loran Eugene Hall, Eddie Bayo, Rolando Martinez, Rip Robertson und dem Journalisten Richard N. Billings von Life, der eine Fotostory der Aktion veröffentlichen will. Billings arbeitet für Henry Luce, der die Alpha 66 unterstützt, ist verwandt mit C.D. Jackson und mit Allen Dulles befreundet, und hat ebenfalls eine Liebesaffäre mit Mary Bancroft. Martino arbeitet für Santos Trafficante und kennt laut Hall auch Sam Giancana und John Roselli.
Frank Sturgis, der als Hauptverdächtigter beim Mord eines Casinoleiters von Virginia vom FBI untersucht wird, arbeitete unter Supervision von Bernard Barker im Mai und Juni 1963 mit Pedro und Marcos Diaz Lanz zusammen an einem Luftangriff gegen Kuba, der auf den 31.7. geplant ist. Das Ziel von OPERATION CRYPT, woran Joe Garman, Jerry Buchanan, Gerry Hemming und Howard K. Davis mitarbeiten, besteht darin, ein Kuba-Abkommen von Kennedy mit Chruschtschow zu verhindern, indem zwei angebliche russische Überläufer mit Kenntnissen über russische Raketenstandpunkte auf Kuba in die USA gebracht werden. Bayo alias Eduardo Perez Gonzalez soll gleichzeitig mit zwei seiner Männer bei der Operation RED CROSS Castro ermorden. William Pawleys Yacht Flying Tiger soll die Russen vor der Küste Kubas aufpicken, aber die Beteiligten verschwinden. Bayos Team wird verhaftet, weil Informationen über ein bevorstehendes Attentat von Rolando Masferrer über Anwalt Carlos Garcia Bongo nach Kuba gelangen. Von Masferrer scheint auch die Idee gekommen zu sein, Oswald als alleinigen Schützen aufzubauen. Und von seinen Tigres und von Mitgliedern der Alpha 66, der Bewegung 30.November und von Ferries Lake Pontchartrain-Gruppe werden Kennedy-Attentäter rekrutiert. Masferrer, der die Führung der exilkubanischen Gruppierungen beansprucht, schiebt Geld von Carlos Marcello zur Alpha 66.
Am 15.6.63 wurden Sam Benton und Victor Espinosa bei den Vorbereitungen zu
einem Bombenanschlag der Shell-Raffinerie mit einem Flugzeug verhaftet. Victor
Hernandez und Mike McLaney sind ebenfalls involviert. Anfang Juli versucht Benton,
den Richard Lauchli mit 2500 Pfund Dynamit belieferte, eine B-24 für die
Aktion zu organisieren.
Am 20.6.63 verkündete das Cuban Revolutionary Council eine Invasion Kubas
durch die Movimiento Insurecional de Recuperacion, die Rescate und die Movimiento
Democrata Cristiana. Da sich die Invasion als reiner Bluff herausstellt, tritt
Dr. Antonio Maceo, der Nachfolger von Miro Cardona als Präsident des Cuban
Revolutionary Council, zurück. Auch diese Aktion soll die sich anbahnende
Entspannung zwischen Kuba und den USA verhindern.
Nicaraguas Diktator Anastasio Somoza ist am 21.7. in Miami und trifft sich
mit Führern von neun exilkubanischen Widerstandsgruppen, die er für
eine neue Kubainvasion koordinieren will und denen er seine Unterstützung
verspricht. JFK traf sich vor seiner Europareise mit Somoza und zeigte sich
interessiert an den Plänen zum Sturz Castros, wollte aber Manuel Artime
als militärischer Leiter der Kubaaktivitäten. Das Pentagon und die
CIA befürworten Somozas Ideen, aber das Aussenministerium verwirft sie.
Nach seiner Europareise will JFK Somoza nicht mehr treffen.
Der Präsident plant, die CIA nach den Wahlen von 1964 mittels Umstrukturierungen
zu entmachten. Er ändert auch seine Meinung in Bezug auf die von der CIA
bisher unterstützten autonomen Gruppen, die er einen Monat zuvor noch formell
billigte. Artime reagiert auf das Ende der Unterstützung mit einer scharfen
Kritik der Kubapolitik der Kennedys am 16.7. und mit der Gründung der Bay
of Pigs Brigade Veterans Association. Deren Kämpfer sollen in Louisiana
und Nicaragua, wobei Robert K. Brown die Schnittstelle zu Somoza bildet, trainiert
werden.
Das Hauptquartier von Artime wird daraufhin verwanzt und das Trainings Camp
der Exilkubaner am Lake Pontchartrain bei New Orleans, das Rudolph Richard Davis,
David Ferrie und Victor Panque mitleiten, vom FBI am 31.7. ausgehoben. Davis
kennt Kenneth O'Donnell näher. Panque gehört zur International Anti-Communist
Brigade und zur Movimiento Democratia Cristiana. Das FBI verhaftet auf William
McLaneys Grundstück Sam Benton, John Koch Gene, Earl J. Wassem Jr, Ralph
Folkerts, Victor Espinosa, Carlos Eduardo Hernandez Sanchez, Acelo Pedroso Amores,
Miguel Alvarez Jimenez, Antonio Soto Vasquez, Victor Panque und Richard Lauchli.
Zudem wird ein ansehliches Waffenarsenal beschlagnahmt, das von Gerry Hemming
und Frank Sturgis aufgebaut wurde, die dort als Trainer arbeiten. Victor Espinosa
Hernandez, ein Freund von Rolando Cubela und Eugenio Rolando Martinez, transportierte
das Kriegsmaterial von Richard Lauchli zum Camp, das dann eingezogen wird. Das
Camp wurde mitfinanziert vom Militärchef der Movimiento Democratia Cristiana,
Laureano Batista Falla, von Carlos Prio und von Somoza.
John Martino, Manuel Varona, William Pawley, Gerry Hemming, Frank Sturgis, Carlos
Prio und Rip Robertson ziehen das Projekt nach der FBI-Aushebung weiter, obwohl
die CIA auf Befehl Kennedys ihre Unterstützung dann einschränkt. Im
August 1963 diskutiert Stanley Drennen, ein Mitglied der rechtsextremen National
States Rights Party, mit Hemmings Freunden Robert K. Brown und Steve Justin
Wilson über die Beseitigung Kennedys. In Betracht gezogen wird die Ermordung
der gesamten Regierung Kennedys und aller Kongressabgeordneten, die zur "Americans
for Democratic Action" gehören. Diese Organisation besteht vorwiegend
aus dem liberalen Flügel der Demokratischen Partei und veröffentlicht
jedes Jahr eine Übersicht über das parlamentarische Verhalten aller
Kongressmitglieder.
Quellen: Hersh: 381-386, Bartholomew: 52, (4), Scott (1993): 90, 112, 305f, Weberman (10): 28-39, 52, (11): 2f, 29-31, (12): 25, 56-69, (15): 15-18, (18): 4, (21): 63, Griffith (1996), (1998), Schulz: 168, 211-214, Pease (1997), Barrett, Karel (1), CIA-Info: 14, Groden/ Livingstone: 410.
August 1963 Trotzkist' Oswald top
Jack Ruby und Lee Harvey Oswald waren am 22.6.63 in einem Motel in der Nähe
von New Orleans und telefonierten mehrmals nach Mexico City, von wo viele Falschinformationen
zum JFK-Mord herkommen. Während Ruby im März noch 10 Ferngespräche
führte, werden es im September 35, im Oktober 70 und im November fast 100
sein. Dabei telefoniert er mit Harold Tannenbaum, Michael Shore, Russell Matthews,
Irwin Weiner, Joe "The Wop" Cataldo, Lewis J. McWillie, James Henry
Dolan, Barney Baker, Murray "Dusty" Miller, Frankie Goldstein und
Paul Roland Jones, die alle zur Mafia gehören oder mit Mobstern kooperieren.
Seit Ende der 20er Jahre besteht ein geschützter Drogenhandel in die USA, der dem mexikanischen Innenminister, der in der Regel der Kandidat für die Präsidentschaft ist, untersteht. In den 40er Jahren wird innerhalb dieses Ministeriums die Direccion Federal de Seguridad gegründet, eine Verbindung von Geheimdienst und Privatarmee von Drogenhändlern. Gleichzeitig ist die DFS die Kontaktstelle für CIA-Agenten mit der mexikanischen Regierung.
Über die DFS und David Phillips werden Spuren aufgebaut, die Oswald in Verbindung mit Russlands KGB-Chef in Mexico, Valery Kostikow, und zu den Trotzkisten bringen. Armeeveteran und "Trotzkist" Harry L. Power von San Antonio ist ein Bekannter von Oswald. Am 23.11.63 wird in seinem Hotelzimmer in Indiana ein Mauser 7.65-Gewehr gefunden. Ein Bekannter von Power ist der "Trotzkist" John Robert Glenn, Geheimdienstagent der Air Force, der eine verblüffend ähnliche Karriere wie Oswald hat. Oswald hält auf dem "Hinterhoffoto" die trotzkistische Zeitung The Militant in der Hand und hat Pamphlete der Trotskite Pioneer Press bestellt.
Michaels Vater George Lyman Paine ist eine leitende Figur der eigentlich nicht mehr existenten Trotsky-Bewegung. Vaughn Marlowe des Fair Play for Cuba Committee von Los Angeles, der von "Leopoldo" und "Angel" als Schütze für das Kennedy-Attentat im Juni in Los Angeles hätte rekrutiert werden sollen, ist angeblich ebenfalls Trotzkist. Die zwei Schattenfiguren haben mit Oswald Kontakt und geben sich ihm gegenüber als Pro-Castro-Agenten aus. Walt Rostows Mitarbeiter am CENIS, Harold R. Isaac, gilt als Trotzkist. Angeblich soll Jack Ruby von Lorenzo Borenstein, einem engen Verwandten von Trotsky, Bilder abgekauft haben. Eventuell hängt dies mit Rubys Bruder Sam zusammen, der während dem 2. Weltkrieg bei der Army Intelligence arbeitet.
Die CIA benutzt Mexico als Basis für regionale Operationen in Zentralamerika
und wird seit 1956 vom Ex-FBI-Agenten Winston MacKinley Scott geleitet. Scott
setzt am 22.11.63 die Geschichte in die Welt, dass ein mutmasslicher Castro-Agent
namens Fabian Escalante am Morgen von Havanna kommend in Mexico City gelandet
und nach Dallas weitergeflogen sei. Felix Rodriguez wird später in einem Interview mit Tucker Carlson behaupten, dass Fabian Escalante der zweite Schütze gewesen sei und die Kubaner hinter dem Attentat stecken.
David Ferrie und Guy Banister erweitern die Taktik, um Lee Harvey Oswald als
Castro-Agenten darzustellen. Am 5.8. meldet sich Oswald bei Carlos Bringuier
und bietet an, er würde als Marine-Veteran mit Guerillaerfahrung die Brigade
2506 trainieren. CIA-Informant Bringuier macht das Spiel mit, das eventuell
von John Martino organisiert wurde. Am 10.8. wird Oswald, als er Pro-Kuba-Flugblätter
verteilt, "wiedererkannt", worauf es zu einer Auseinandersetzung mit
Bringuier auf offener Strasse kommt. Die Polizei greift in den Streit von Oswald
und Bringuier ein und verhaftet sie, wobei ein Zettel mit russischen Namen und
Telefonnummern bei Oswald gefunden wird. Diese zeigt der Polizei eine von V.
T. Lee signierte FPCC-Karte. Oswald schrieb über diese Auseinandersetzung
bereits, bevor sie stattfindet, in seinem Brief vom 1.8.63 an Lee. Interessant
am Konflikt mit Bringuier ist auch, dass Oswald Bringuiers Verbindung zur "Cosa
Nostra" erwähnt, obschon dieser Begriff erst nach der spektakulären
Zeugenaussage Valachis vom 25.9.63 gebräuchlich wird. Die Aussagen Oswalds
gegenüber Geheimpolizist Francis Martello passen nicht zu denen bei FBI-Agenten
John Lester Quigley. Oswald verlangt selbst eine FBI-Einvernahme und behauptet,
seine Sektion des "Fair Play for Cuba Commitee" habe 35 Mitglieder,
treffe sich geheim und ein Hidell, der seine (zweite) FPCC-Karte unterschrieb,
gebe ihm telefonische Anweisungen. Oswald baut damit eine Legende auf, die
das FPCC mit dem Namen Hidell koppelt. Indem Oswald den schwarzen Kommunistenführer
Ben Davis sowie weitere Unbeteiligte der Region als Mitglieder seines FPCC angibt
und sich selbst mit der Socialist Worker's Party und der Communist Party in
Verbindung bringt, unterstreicht er seine "Gefährlichkeit" und
erleichtert Hoover die Diffamierung der drei Organisationen. Dass er sich gleichzeitig
als Sündenbock aufbaut, ist Oswald nicht bewusst.
Martellos Bericht geht an die 112. Armeegeheimdienststelle weiter, während der von Quigley an das Marinegeheimdienstbüro in Algiers, Louisiana, weitergeleitet wird. Dabei handelt es sich vermutlich um eine von Hoovers Techniken, mit kompromittierenden Daten umzugehen, indem diese in Militärgeheimdienstarchive ausgelagert werden. Hoover gibt auch Informationen an den früheren Chef des Armeegeheimdienstes, Generalmajor Van Deman, weiter, der ein privates Archiv über 125'000 subversive Personen und Organisationen verwaltet.
Obwohl Oswalds aggressivster Akt darin bestand, Bringuier aufzufordern: "Okay,
Carlos, wenn du mich schlagen willst, schlag mich", bezahlt nur Oswald
eine Busse. Emile Bruneau, enger Freund von Nofio Pecora und Joseph Poretto,
bezahlt seine Kaution. Bringuier sorgt dafür, dass Kameras des WDSU-TV
die zweite Auseinandersetzung nach dem Gerichtshearing aufnehmen.
Am 16.8.63 verteilt Oswald zusammen mit Charles Hall Steele erneut Flugblätter.
Auf Initiative von Bringuier besucht der Journalist William Stuckey Oswald am
17.8.63, der ihm erzählt, er sei nur der Sekretär des FPCC in New
Orleans, der Präsident sei A.Hidell. Stuckey, der auch Kontakt zu Gerry
Hemming und Frank Sturgis hat, weiss bei der zweiten Radiodebatte, dass Oswald
ein Russlanddefektor ist. Oswald äussert in dieser Sendung seine Gegnerschaft
zu Kennedy. Am 21.8. diskutieren Oswald und Bringuier ihre Differenzen mit dem
Rechtsextremen Ed Butler vom INCA in einer ersten Sendung des lokalen WDSU-Radios.
Mit seinem Auftreten "verrät" sich Oswald als Marxist und Lügner.
Oswald organisiert weitere Strassenaktionen, die von Fernsehstationen übertragen werden. Verantwortlich für die FBI-Überwachung Oswalds ist Warren DeBrueys, der als Botschaftsattaché in Brasilien, Mexico und Argentinien für die CIA arbeitete. Am 27.7.63 hält Oswald auf Initiative seines Cousins Eugene Murret am Jesuit House of Studies in Mobile, Alabama, eine Rede, in der er die Befürchtungen und Anschauungen der Minutemen vertritt, zu einer Zeit, als er ein Einreisevisum für Marina und, gesondert davon auch für sich, in die UdSSR beantragt.
Neben Bringuier hat Oswald Kontakt mit anderen CRC-Mitgliedern: Arnesto Rodriguez, FBI-Informant Orestes Pena, Ronny Caire und Manuel Gil. Eine Diskussion findet auch mit Frank Bartes, dessen Name in Oswalds Adressbuch verzeichnet ist und der mit Bringuier zusammenarbeitet, statt. 1965 ist Bartes als Söldner bei der CIA-gesponserten kongolesischen Luftwaffe beteiligt. Piloten mit B-26-Bombern und T-28 aus der Schweinebucht fliegen unter dem Deckmantel der Fluggesellschaft Caramar Angriffe gegen die ehemaligen Lumumba-Rebellen im Kongo. Joseph Mobutu, Cyril Adoula, und später Moise Tshombé in Katanga werden von der CIA auch finanziell unterstützt. 1968 benachrichtigt Bartes das FBI, sein Leben sei wegen der Garrison-Untersuchung in Gefahr.
Senator Estes Kefauver wird am 10.8.63 vergiftet. Er beabsichtigte, vor dem Senat über Machenschaften der Mafia und der CIA zu berichten. Er stirbt tags darauf im Bethesda Naval Hospital, als die Ärzte eine Herzoperation vorbereiten.
Quellen: Davis (1988): 122-132, 404ff, Bartholomew (2), (4), Scott (1993): 258f, (1994): 3ff, CNPC: 2, Weberman (6): 70, (11): 20-26, (12): 1-56, (15): 17, (27): 49-59, Schulz: 90, Höfling, CIA-Info: 14, Torbitt: 22, Anson: 249ff, Callahan: 76f.
September 1963 Attentatsplanung top
Am 26.9. kommt die definitive Bestätigung, dass John Kennedy am 22. November
in Dallas sein wird. Texas ist in der Hand von Carlo Marcello, was von den anderen
wichtigen Mafiafamilien respektiert wird. Sein Schmiergeldverteiler ist John
Halfen, der Politiker wie den Kongressabgeordneten Albert Thomas aus Houston,
Richter wie Tom Clark vom Obersten Gerichtshof und die Polizei bezahlt. Es wird
geschätzt, dass beispielsweise von den $15,6 Mio. Gewinn, den die Pferdewetten
pro Jahr abwerfen, 40% an Marcello, 25% an Polizisten und Politiker und 35%
an Halfen und seine Mitarbeiter gehen.
Dallas eignet sich als Attentatsort vorzüglich, weil die Stadt seit zehn
Jahren ein inoffizieller Satellit der Marcello-Organisation ist. Joseph Civello
und die Brüder Joe und Sam Campisi, denen der Mafiatreffpunkt Egyptian
Lounge gehört, leiten die Geschäfte in Dallas. Joe Campisi gilt als
zweithöchster Gangster der Stadt und potenzieller Nachfolger von Civello.
Bürgermeister Earl Cabell, Bruder des von Kennedy geschassten CIA-Vizedirektors,
ist für die Verwaltung und Sicherheit zuständig. Das Dallas Police
Departement ist eines der korruptesten der USA, seit sich die Mafia Ende der
40er Jahre in der Stadt eingenistet hat. Sergant Patrick T. Dean ist öfters
Gast bei Joe Civello, der die Leitung der Mafia von Dallas 1956 übernahm.
Rubys Freund Dean stellte den im Drogenhandel tätigen Civello als Polizeiinformanten
in Drogenangelegenheiten an. Die Stadtpolizei rekrutiert ihre Beamten hauptsächlich
von erzkonservativen Gruppen wie dem Ku-Klux-Klan oder der John Birch Society.
Oft arbeiten CIA und lokale Polizei zusammen, indem die CIA Wanzen, Einbrüche,
Sprengstoffaktionen oder Trainingsprogramme für die Polizei organisiert
und die Agenten als Gegenleistung die Badges der Polizei für untersagte
Inlandoperationen benützen können. Einige Polizisten arbeiten an den
Attentatsvorbereitungen gegen den Präsidenten mit. Jack Ruby hat legendäre
Kontakte zur Polizei von Dallas und kennt 100 Polizeioffiziere mit Namen. Er
ist der Verbindungsmann der Unterwelt zur Oberwelt, und die Schmiergelder für
die Polizisten laufen fast ausschliesslich über ihn. Ruby organisiert den
Beamten Frauen, beschäftigt Polizisten in seinem Nachtclub und ist während
Jahren ebenfalls Informant der Drogenabteilung der Polizei. 150 bis 200 Polizisten
frequentieren Rubys Nachtklub, unter ihnen auch Captain Will Fritz, ohne dass
sie ihre Getränke bezahlen müssen.
Ursprünglich gehörte Ruby zu Al Capones Syndikat in Chicago, wurde dann 1947 von Tony Accardo nach Dallas geschickt, um die Stadt unter Kontrolle zu bringen. Da dies nicht gelang, konnte er nicht mehr nach Chicago zurück und wurde Mitarbeiter Joe Civellos, der mit Frank LaMonte Rauschgift aus Sizilien importierte. Als Stripteaselokalbesitzer, Buchmacher, Rauschgift- und Waffenhändler, Spielautomatenbetreiber und Zuhälter hat Ruby Kontakte zu mindestens drei der sieben Marcello-Brüder. Von Pete Marcello übernimmt Ruby häufig Stripperinnen, von denen er verlangt, dass sie mit ihm ins Bett gehen. 1963 versuchen Ruby und der Mafiaboss von Los Angeles Mickey Cohen, mit Candy Barr, einer von Rubys Lieblingsstripperinnen, eine prominente Person in eine sexuelle Falle zu ziehen. Barr heiratet Cohen später. Im Zusammenhang mit Waffen- und Drogenschmuggel und der Schweinebuchtinvasion arbeitete Ruby mit den CIA-Agenten Robert Perrin und L. Robert Castorr. Perrin, der Ehemann von Rubys Stripperin Nancy, wird am 28.8.63 vergiftet.
Seit 1959 ist er als Potential Criminal Informant des FBI registriert, wobei neun Kontakte von FBI und Ruby nachgewiesen sind. Im Herbst 1963 hat Ruby Ärger mit dem Steueramt, dem er gegen $60'000 schuldet. David Ferrie, wie Ruby an Oswalds Undercoveraktionen beteiligt, ist Stammgast in Rubys Carousel Club.
Die Planung des Kennedy-Attentats läuft über verschiedene Kanäle. Eine Schlüsselrolle nimmt Sam Giancanas Lieutnant Johnny Roselli ein, über den Kontakte zu Marcello, Trafficante, zur CIA und, über Red und Allen Dorfman, zu den Teamsters laufen. Jack Ruby, Lenny Patrick, Dave Yaras, Paul Jones und Lewis McWillie gehören zu dieser Linie. Eine weitere Schlüsselrolle spielt Robert Aimé Maheu, der den Kontakt zu den Geheimdiensten (FBI, CIA), Politik (Roosevelt, Nixon), Mafia (Giancana, Roselli, Banister, Cain, Cellini, Meyer, Zicarelli) und der Wirtschaft (Hughes, Ölfirmen, Rebozo) bildet. Nach Maheu "beauftragt" ihn Hughes "JFK zu entfernen", weil er über dessen Rassenpolitik aufgebracht ist und "Neger als verbreitende Träger von Bakterien" betrachtet. Charles Cabell, der ehemalige stellvertretende CIA-Direktor und Schnittstelle zur Politik in Dallas, arbeitet jetzt in Maheus Detektivbüro. E. Howard Hunt, Richard Cain und Frank Sturgis bilden die Schnittstellen von CIA und den Exilkubanern. David Atlee Phillips, Michael Paine, Guy Banister, Gerry Hemming und David Ferrie betreuen Oswald. Über Michael Paine laufen Kontakte zu den militärischen Geheimdiensten.
Richard Nixon und Lyndon Johnson sind über die Attentatsvorbereitungen
auf dem Laufenden. Das Geld für das Attentat, alle Beteiligten sollen mindestens
$50'000 bekommen, kommt von den reaktionären texanischen Ölbaronen,
vor allem von H. L. Hunt, die Johnson oder Nixon als Präsidenten wollen.
ONI-Agent Richard Case Nagell schreibt Hoover, dass Lee Harvey Oswald, den er
persönlich kennt, JFK am 23.9.63 umbringen wolle. Ein Attentatsort könnte
Ashland in Wisconsin sein, wo Kennedy am 24.9. eine Rede hält. Angeblich
warnt Nagell Oswald, dass er von den Kubanern "Leopoldo" und "Angel"
als Sündenbock aufgebaut werde. Nagell meldet dem CIA-Verantwortlichen
Desmond FitzGerald, dass die Operation mit Oswald ausser Kontrolle geraten sei.Die CIA hat ein Interesse, Oswald loszuwerden, weil dieser seit seiner Rückkehr Probleme macht.
Nagell wird am 20.9.63 verhaftet, weil er in der National Bank in Texas 2 Schüsse in die Decke geschossen hat, um verhaftet zu werden. Als Doppelagent hatte er die Aufgabe, Oswald zu überwachen. Nach seinen Aussagen gegenüber Garrison übelebt Nagell drei Attentatsversuche. Am 1.11.1995 soll Nagell vor dem Assassination Records Review Board aussagen, wird aber am selben Morgen tot in seinem Badezimmer gefunden, angeblich wegen einem Herzinfarkt. Seine versteckten Dokumente sind verschwunden. Schon bei seinem Umzug nach Arizona wurde sein Haus geplündert.
In Bay Cliff trifft Oswald Robert Ray McKeown, der mit Jack Ruby und Carlos Prio Socarras, dem ehemaligen kubanischen Präsidenten und Unterstützer der Exilkubaneraktivitäten, in Waffendeals verwickelt war. Am 12.9.63 trifft Oswald in Dallas den CIA-Agenten "Maurice Bishop" alias David Atlee Phillips, der Chef der Abteilung für verdeckte Aktionen in Mexiko. Eine Woche nach dem Treffen mit Phillips beantragt Oswald am 17.9. ein Visum für Mexico.
Fidel Castro meinte am 7.9. in einem Interview mit AP-Korrespondent Daniel Harker zu Geheimdienstberichten, wonach die CIA ihn zu ermorden plane: "Wir sind bereit zu kämpfen und es ihnen mit gleicher Münze heimzuzahlen. Die Führer der Vereinigten Staaten sollten bedenken, dass ihre eigene Sicherheit in Gefahr ist, wenn sie terroristische Pläne, kubanische Führer zu beseitigen, unterstützen." Laut dem kubanischen Geheimdienst ist dieses Zitat nicht korrekt, Castro habe gewarnt ohne zu drohen. Mit dieser Darstellung unterstützt Harker die geplante Strategie, Oswald als Befehlsempfänger Castros darzustellen. Castro sagt kurz vor dem Attentat auch, dass Kennedy in den letzten Monaten gelernt habe, viele Dinge zu verstehen. Am 18.9. versucht CIA-Agent Pierre Owen Diez de Ure 30 Kilo Plastiksprengstoff unter der Rednertribüne Castros zu platzieren.
Am 24.9. trifft sich Oswald mit Gerry Hemming. Die beiden fliegen am nächsten
Tag in einem privaten Flugzeug nach Austin, wo Oswald versucht, seine unehrenhafte
Entlassung von den Marines zu verbessern. Am 25.9. fliegt Oswald nach Dallas
zurück und besucht mit "Leopoldo" und "Angel" Sylvia
und Annie Odio. "Leopoldo" ist Robert Willis, der für Gerry Hemming
und mit Johnny Roselli arbeitet. Der kubanische Geheimdienst vermutet, dass
es sich bei "Angel" um den DRE-Aktivisten Isidro Borja handelt, der
ebenfalls für Hemming arbeitet und mit der Alpha 66 Gruppe verbunden ist.
Sylvia Odio wird verdächtigt, eine Castro-Agentin zu sein, weil sie zum
linken Flügel der JURE gehört. Laut Odio ist bekannt, dass Oswald
ein Doppelagent ist, der versucht, Kubanergruppen in Dallas im Auftrag des FBI
zu infiltrieren, weshalb man ihm nicht trauen könne.
Das Alcohol, Tobacco, and Firearms-Büro führt gegen die Alpha 66 von
Dallas eine Untersuchung wegen Waffenhandels durch, wobei ATF-Agent Frank Ellsworth
mit FBI-Agent James Hosty in Kontakt steht. Offenbar setzt Hosty Oswald für
diese Untersuchung als Informant bei der Exilkubanergruppe ein. Ellsworth und
Hosty befinden sich beim Kennedy-Attentat am 22.11.63 zusammen mit den Armeegeheimdienstagenten
Edward Coyle und James W. Powell in der Nähe von Oswald.
Die FBI-Agenten James Hosty und Bardwell Odum befragen Sylvia Odio und John
Martino, von dem ihr Vater Waffen kaufen wollte. Amador Odio sass 1961 zusammen
mit John Martino im Gefängnis in Kuba, weil er versuchte, Reinaldo Gonzalez
zu verstecken. Gonzalez versuchte nach einem Plan des Alpha 66-Gründers
Antonio Veciana, Castro zu ermorden. Veciana berichtet ebenfalls von einem Treffen
seines Kontaktagenten "Maurice Bishop" mit Oswald Anfang September
1963, das Vecianas Sekretärin Delores Cao bestätigt. Phillips offeriert
Vecianas Cousin Guillermo Ruiz, der für den kubanischen Geheimdienst in
Mexico City arbeitet, Geld, damit dieser aussagt, er hätte mit Oswald in
Kontakt gestanden.
Unmittelbar nach dem Kennedy-Attentat kommt die Meldung in die Presse, Oswald
habe mit einem Paar in Mexico Kontakt gehabt und handle im Auftrag von Castro.
Das FBI versucht mithilfe von Loran Eugene Hall zu beweisen, dass dieses Treffen
mit Odio nicht am 25.9. stattgefunden haben kann, da Oswald offiziell in Mexiko
ist. Das FBI muss dann diese Version aber zurückziehen, wonach Hosty behauptet,
dass Silvia Odio Oswald mit Seymour verwechselt habe, da die beiden sich offensichtlich
gleichen. William Houston Seymour gibt sich als Leon Oswald aus und legt Spuren
in New Orleans, Florida, Austin, Alice, Fort Worth und Dallas. Der Warren-Bericht
kommt zum Schluss, dass nicht Oswald, sondern Loran Hall, William Seymour und
Lawrence John Howard die Besucher bei Odio gewesen sein müssen.
Hall trifft sich am 18.9.63 in Los Angeles mit Frank Sturgis, Celio Castro,
Gerry Hemming und Richard Hathcock, dem er ein Gewehr ausgeliehen hat und nun
zurückbekommt. Es ist dasselbe Gewehr, das am 23.11.63 im Fernsehen als
Mordwaffe gezeigt wird. Hall fährt am 28.9.63 mit Lawrence John Howard
und Celio Castro und einem Anhänger voll Waffen nach Dallas, wo sie sich
im Lawnview Motel einquartieren. Hall nimmt Kontakt auf mit dem Rüstungslobbyisten
Robert Morris und dem Ölgeologen Lester Logue, der George DeMohrenschildt
kennt. Ab dem 12.10. ist Hall mit Seymour im YMCA von Dallas einquartiert, wo
auch Ruby und Oswald aufkreuzen. Vermutlich baut ihn Hemming als zweiten Sündenbock
auf, da dieser am 19.10. wegen Drogenbesitz zwar verhaftet, der Anhänger
mit den Waffen aber nicht entdeckt wird. Hall ist am 22.11. in Dallas, angeblich
um sich mit Lester Logue zu treffen, wobei ihm Hemming ein Gewehr mit Teleskop
mitgibt. Hemming behauptet gegenüber der Polizei in Miami, Hall habe dieses
Gewehr gestohlen. Von Sam Giancana erhält Hall $20'000.
Laut der Warren-Kommission ist Oswald am 25.9. auf dem Weg nach Mexico, obwohl er in Austin und Dallas auftaucht. Oswald bekam am 25.6. innerhalb von 24 Stunden einen neuen Pass, vermutlich dank CIA-Agent Robert D. Johnson, obwohl er angab, er wolle vielleicht wieder in die Sowjetunion reisen und die Behörden bereits zweimal eine Sperre hätten verhängen müssen. Am 26.7., als Oswald in New Orleans war, besuchte jemand das Atomic Energy Museum in Oak Ridge, Tennessee, und schrieb ins Besucherbuch: "Lee H. Oswald, USSR, Dallas Road, Dallas, Texas". Die Doppelgängertheorie wird von Marita Lorenz bestätigt. Oswald taucht mehrmals an zwei Orten gleichzeitig auf, wobei die Aussagen widersprüchlich und die Beweise dürftig sind.
Vom 25.9. bis zum 3.10. reist Larry Crafard, der für Jack Ruby arbeitet und sich als "Oswald" ausgegeben haben könnte, nach Mexico City. CIA-Informant William George Gaudet fährt ebenfalls nach Mexico. Er kennt E. Howard Hunt, Jack Ruby, Lee Oswald und Guy Banister. Während Jahren editiert er den Latin-American Report, der von der United Fruit, der CIA, der Chase Manhattan Bank, von Alton Ochsner und verschiedenen Diktatoren von Zentralamerika finanziert wird. Gaudet wurde 1942 ins Office of Inter-American Affairs des Aussenministeriums berufen, wo er für Nelson Rockefeller arbeitete. Von Gaudet kommt 1964 die Behauptung, dass Ruby bei Lorenzo Borenstein Gemälde gekauft habe.
CIA-Agent John Howard Bowen steht in Kontakt zu Gaudet. Bowen führt seit 1934 eine als Missionsstation getarnte Scharfschützenschule in Mexiko, die Mordaufträge wie denjenigen gegen Distriktrichter Floyd ausführt. Aus Versehen wurde am 8.9.52 dessen Sohn Jake ermordet. Das Mordteam wurde von Maurice Brooks Gatlin, Guy Banister und dem Miami-Büro von Double Check Corporation finanziert. "Missionar" Bowen gründete 1942 das faschistische Campfire Council, das in Verbindung zum American Council of Christian Churches steht. Er kennt H.L.Hunt, Gatlin und Shaw, arbeitete bei Jaggers, Chiles & Stoval mit Oswald und John Grosse, der ebenfalls als "Oswald" mit Gaudet nach Mexiko gereist sein könnte. Bowen hat Kontakte zur Division Five des FBI, das mit dem ACCC zusammenarbeitet, und zu Clay Shaws Centro Mondiale Commerciale.
Bowen, Oswald und einer der verhafteten Tramps benutzen das Pseudonym "Albert Alexander Osborne", und Oswald hat bei seiner Verhaftung ein Bibliotheksausweis von Bowen in seiner Brieftasche. Ein weiterer Doppelgänger könnte auch Fred Lee Crismon sein, der offenbar John Bowen gleicht. Crismon, bei Boing und Lockheed tätig, ist Bischof der Universal Life Church, was Garrison als Cover für seine Geheimdienstarbeit einschätzt. Tatsächlich hat er wie Bowen zu tun mit dem American Council of Christian Churches und Reverend Thomas Beckham, über den Zahlungen an die Schweinebuchtpartisanen liefen.
Am 27.9. schreibt sich "Harvey Oswald Lee" im Hotel Commercio in
Mexico City ein, wobei die Beschreibungen eher auf E. Howard Hunt zutreffen
und die Spuren dort sich verlieren. Hunt ist im August und September an der
CIA-Station in Mexico. Als Tad Szulc Hunts Funktion in Mexico 1973 untersucht,
wird bei ihm eingebrochen und seine Papiere werden gefilzt. David Phillips,
der an der CIA-Station Mexico unter Winston Scott arbeitet, befindet sich im
September und Oktober in Washington.
"Oswald" ruft zuerst der sowjetischen Botschaft an, um ein Visum für
Russland, und damit ein Transitvisum für Kuba zu bekommen. Er besucht zuerst
die kubanische, dann die russische Botschaft und hat eine gefälschte Mitgliedskarte
der amerikanischen Kommunistischen Partei, einen Direktorausweis des FPCC (beide
verschwinden danach) und die Arbeitskarte aus der Sowjetunion dabei. Dabei hat
"Oswald" angeblich Kontakt mit dem Geheimdienstchef Waleri Wladimirowitsch
Kostikow (Mitglied des 13. Departements des KGB, das sein Ausbildungslager in
Minsk hat) und den Angestellten der kubanischen Botschaft Silvia Tirado de Duran,
Luisa Calderon und Eusebio Azcue. Obwohl "Oswald" seine Kubaliebe
dick aufträgt, wird sein Visum abgelehnt, worauf er einen Wutanfall vorspielt.
Dabei werden faktisch alle Visumsgesuche von Amerikanern nach Kuba abgelehnt,
weil Castro weiss, dass er ermordet werden soll.
Der Plan sieht vor, Oswald vor dem Kennedymord nach Kuba zu schicken, so dass
es so aussieht, als hätte er seine Befehle von Castro empfangen. Gegenüber
der kubanischen Botschaft behauptet "Oswald" dann, er hätte bereits
ein Visum für die Sowjetunion. Es spricht einiges dafür, dass Sylvia
Duran erpresst wird, um ein Visum für "Oswald" auszustellen,
mit dem sie an einer Party erscheint und offenbar eine sexuelle Beziehung hat.
Laut Hemming arbeitet Duran für die CIA und kennt ihn, Castro und Guevara
persönlich. "Oswald" steht über Duran und Teresa Proenza
in Kontakt zum Castro-freundlichen Revolutionary Bloc an der Autonomen Universität
in Mexico City. Die von der CIA überwachte Organisation von Oscar Contreras
hat Kontakte zum kubanischen Geheimdienst CIS.
Möglich ist auch, dass "Oswald" den Russen Informationen über
eine Anti-Castro-Aktion von Guy Banister in New Orleans anbietet, um ein Visum
zu bekommen. Von 8 Telefongesprächen, die die CIA abhört, werden
Abschriften gemacht und sieben Wochen vor dem Kennedymord an das Hauptquartier
und Kopien an das FBI geschickt, das sie jedoch der Warren-Kommission offiziell
nicht übergibt. Die Originale werden vermutlich nach dem Attentat vernichtet.
Hoover teilt Johnson am 23.11.63 mit, es handle sich bei den aufgenommenen Gesprächen
nicht um Oswalds Stimme. Einige der Mitglieder des Mordausschusses des Repräsentantenhauses
müssen die Abschriften gelesen haben, da sie daraus schliessen, dass es
sich nicht um Oswald gehandelt haben könne, weil dieser fliessend Russisch
sprach.
Für die Rückfahrt von Mexico reservieren "O.H.Lee" und Angel Perez Delgado Bussitze, die sie aber nicht benützen. Perez ist der ehemalige Koordinator der Bewegung des 26. Juli in Washington und verfügt über gute Kontakte zur kubanischen Botschaft in Washington, womit eine weitere Spur zu kubanischen und russischen Geheimdienstkreisen gelegt wird. Auch der am 9.11.63 "abgefangene" Brief an die Sowjetbotschaft enthüllt eine "kommunistische Intrige". Ein Monat zuvor ging ein Telegramm an John McCone, das die Präsenz Oswalds in der sowjetischen Botschaft beweisen soll. Gegenspionagedirektor James Angleton fliegt aufgrund des Telegramms nach Mexico City und übernimmt das am 12.9.60 eröffnete 300 Seiten starke Oswald-Dossier mit CIA-File-Nummer 201. 89% aller 201-Files betreffen Personen, die von der CIA angestellt sind und werden eröffnet, wenn eine Person als Quelle brauchbar ist. Fidel Castro hat ebenfalls ein 201-File, das aus einem Personalienabschnitt und einem sensitiven Teil mit verschlüsselten Informationen über Operationen besteht. Oswalds 201-File ist ein "restricted file", bei denen der Zugang zum sensitiven Teil erschwert ist, und militärischen Ursprungs, da es sich im Marine Corps Headquarters befindet.
Die CIA hätte unmittelbar auf die Nachricht von der Defektion Oswalds in die UdSSR ein Dossier anlegen sollen, vor allem weil Oswald mit der Preisgabe von militärischen Informationen über Radartechnik gedroht hatte. Oswalds Akte wurde nur angelegt, weil am 6.9.60 die beiden homosexuellen Mathematiker William Martin und Bernon Mitchell, die für die NSA gearbeitet hatten, nach Russland überliefen, was zur Entlassung des Personaldirektors und 26 weiterer Beamte der NSA führte. Das Weisse Haus wollte daraufhin über weitere Überläufer dokumentiert werden. In Oswalds CIA-File wurde der Mittelname zu Lee Henry Oswald geändert. Die Akte und sein Handling machen nur einen Sinn, wenn man davon ausgeht, dass Angleton für Oswalds Mission gar kein Papier hinterlassen wollte. Die CIA übergibt der Warren-Kommission zwar dieses generelle Informationen enthaltende 201-File, ohne allerdings anzudeuten, dass zusätzlich ein Operational File sowie zwei HT Lingual-Files existieren.
Frank Sturgis, Alex Rorke und Geoffrey Sullivan inszenieren eine Täuschungsaktion. Sie gehören zu den Exilkubanern, die trotz der Schliessung der paramilitärischen Trainingslager in Florida und Louisiana und dem zumindest teilweisen Rückzug der CIA die Kuba-Aktionen weiterziehen. Ein FBI-Spitzel verrät Orlando Bosch, der vom Ölmulti Hunt finanziert wird und mit Sturgis, Rorke sowie den Minutemen eigene Angriffe gegen Kuba plant. Sturgis, Rorke und Geoffrey Sullivan werden Anfang September ins Hauptquartier der Zollbehörde zitiert, wo man ihnen mit Konsequenzen droht, falls sie weiterhin Aktionen gegen Kuba fliegen.
Rorke und Sullivan kommen angeblich bei einem Flugzeugabsturz am 25.9.63 um.
Sturgis organisierte diesen Flug, der durch mehrere Starts und Flugplanänderungen
Aufsehen erregte. Da Sullivan kurze Zeit später in Belize wiedererkannt
wird und Rorke offenbar mit einem Mörderteam nach Dallas fährt, ist
der Flug, der in Fort Lauderdale um 8.00 Uhr startet und fünf Stunden später
30 Meilen entfernt bei Hollywood, Florida, ins Meer stürzt, ein Trick,
um Beteiligte am Kennedy-Attentat verschwinden zu lassen.
Interessanterweise spricht Lyndon Johnson, der in dieser Nacht nach Austin kommt,
dreimal an diesem Tag mit dem Verantwortlichen der betroffenen Fluggesellschaft
Beech Travelair, Darrell Schneider. Oswald ist am 25.9. ebenfalls in Austin,
und wird am nächsten Tag nach Houston geflogen, wo er sich mit Horace Twiford
treffen will, einem Mitglied der Socialist Labor Party.
Eine Suchaktion von Ellis Rubin startet am 2.10., und eine weitere mit Gerry
Hemming, Roy Hargraves, C.F. Bush, Howard K. Davis, Ivan Kay, Steve Justin Wilson,
Ralph Hernandez Nordase, Charles Collier und Allan Kennedy am 2.11.63. Es gibt
auch die Theorie, dass die CIA Rorke verschwinden lässt, weil er dem Castro-Agenten
Enrique Molina Rivera vertraute, der mit der Ermordung von Hemming und Trafficante
drohte. Laut Hemming wollten Rorke und Sullivan mit Molina Rivera auf dem Absturzflug
nach St.Julien in Kuba fliegen, um einen Angriff auszuführen.
Im August stürzte Louis Berlanti mit seinem Flugzeug und angeblich über der Hälfte der $53 Mio. ab, die von den Erben des ermordeten dominikanischen Diktators Rafael Trujillo mithilfe von Anwalt Richard Nixon eingefordert werden. Berlanti finanzierte Mario Garcia Kohlys Pesosfälschungsaktion, und Nixon setzt sich für Kohly in dessen Prozess wegen Geldfälschung ein.
Quellen: Marrs: 189ff, 403ff, Davis (1988): 140-157, 404f, Weberman (3): 10-30, (11): 5f, (13): 1-42, (14): 1-48, (15): 1-15, (21): 3, 6, (27): 44, Summers (1993): 328f, (2000): 261f, Giancana: 333-341, Groden/ Livingstone: 180f, 312 ,351ff, Best: 55, Bartholomew: 47, 57, (2): 25, (4): 13, Griffith (1996a), (1998): 1-4, Oglesby: 66f, Scott (1993): 39-44, 256, Torbitt: 24ff, 29, 34, CNPC: 19, Russell: 4f, Callahan: 74-77, Video1.
September 1963 Mafiaenthüllungen top
Joseph Michael Valachi packt in den im Fernsehen übertragenen Hearings
aus, wobei unter anderem die Insularität der Mafia von Louisiana zum Ausdruck
kommt. 1960 wurde Valachi wegen Heroinhandels verurteilt. Sein ebenfalls inhaftierter
Boss Vito Genovese hörte Gerüchte, sein Leutnant kooperiere mit den
Behörden, worauf er ihm im Gefängnis den Todeskuss gab und $100'000
auf seinen Kopf aussetzte. 1962 erschlug Valachi einen anderen Gefängnisinsassen,
den er vermeintlich für seinen Killer hielt, mit einer Metallröhre.
Nach drei erfolglosen Mordversuchen beschloss Valachi tatsächlich auszupacken.
Obwohl ihn eigentlich das FBN geschnappt hatte, nahm ihn der Justizminister
in Beschlag und versprach ihm ohne Absprache mit dem FBN-Chef Anslinger Straffreiheit.
Valachi ist das erste Mafiamitglied, das sein Schweigen bricht und über
die Struktur des Organisierten Verbrechens berichtet. Valachi zeichnet ein verzerrtes
Bild der "Cosa Nostra", die er als eine auf Italiener beschränkte
Organisation beschreibt, die über die nationale Kommission eine Einheit
bildet und in der alles zentral gesteuert wird. Aufgrund dieses ethischen Vorurteils
können die Verbindungen von Oswald und Ruby von der Warren-Kommission nur
sehr oberflächlich untersucht werden.
Trotz der Sensation seiner Auftritte wird kein Mafiosi verurteilt, obwohl 289
Mitglieder der 5 Familien in New York unter die Lupe genommen werden und seine
Aussagen im Gegensatz zu Wanzen und Telefonabhörungen im Gericht eingesetzt
werden können. Trotzdem realisiert die breite Öffentlichkeit die Bedeutung
des Organisierten Verbrechens, auch wenn das Phänomen nicht als systemimmanente
Komponente der amerikanischen Gesellschaft erkannt wird.
In Sizilien bricht das erste Mal eine Frau das Gesetz des Schweigens: Serapina Battaglia, genannt die schwarze Witwe, die die Mörder ihres Mannes und ihres Sohnes anklagt.
Quellen: Meurice, Delorme: 35-41, Davis (1988): 138f, Best: 23, Pons, Anson: 305.
September 1963 Putschgeschichten top
Der im Februar gewählte Staatspräsident der Dominikanischen Republik
Juan Bosch wird am 25.9.63 durch einen von der CIA orchestrierten Militärputsch
abgesetzt. Er wollte die von der Allianz für den Fortschritt vorgeschlagenen
Sozialreformen umsetzen und erhielt dafür anfangs von den USA beträchtliche
Geldmittel. Bosch nahm das, was man die bürgerlichen Freiheiten nennt ernst:
Kommunisten durften nicht verfolgt werden, ausser wenn sie gegen das Gesetz
verstiessen. Deshalb wurde er der Kommunistensympathie verdächtigt. Nach
dem Putsch der Generäle bricht John Kennedy die diplomatischen Beziehungen
ab, stellt die Wirtschafts- und Militärhilfe ein und beordert US-Bürger
nach Hause.
Neunzehn Monate später bricht ein Aufstand aus, als dissidente Offiziere
in der dominikanischen Armee mit der Unterstützung bewaffneter Volksmassen
den abgesetzten Bosch wieder an die Macht bringen wollen. Lyndon Johnson entscheidet
sich für eine vorbehaltlose Unterstützung des neuen Regimes und schickt
im April 1965 23'000 Marineinfanteristen, um die Revolution zu verhindern.
Botschafter Syedou Diallo von Guinea wendet sich am 17.9.63 an den Botschafter
William Attwood und übermittelt ihm Fidel Castros Wunsch nach normalen
Beziehungen zu den USA, um nicht so stark auf die UdSSR angewiesen zu sein.
John Kennedy autorisiert Attwood zu Gesprächen mit dem kubanischen UN-Botschafter
Carlos Lechuga, wobei er eine Öffnung gegenüber Kuba und eine Normalisierung
der Beziehung in Aussicht stellt. Diese führen zu Plänen, dass Attwood
nach Havanna reist, um mit Castro direkte Verhandlungen aufzunehmen, was aber
Johnson nach dem Kennedy-Mord fallenlässt.
Zudem setzt Kennedy den französischen Journalisten Jean Daniel von L'Express
als inoffiziellen Kontakt mit Castro ein. Am 24.10. trifft sich JFK mit Daniel
und bittet ihn, Castro seine guten Intentionen mitzuteilen, was Castro ernst
nimmt. Die Geheimdienstkreise erfahren, vermutlich über Walt Withman Rostow,
von den Aktivitäten zur Entspannung der Beziehung zwischen den USA und
Kuba und geben diese Infos weiter, die für die Exilkubaner und die Hardliner
der CIA, der Militärs und der Politik Verrat bedeutet. Daniel befindet
sich am 22.11.63 bei Castro, als die Nachricht des Attentats durchkommt. Castro
befürchtet zu Recht, dass ihm die Ermordung in die Schuhe geschoben werden
soll.
Innerhalb der letzten 4 Monate wurden 13 Sabotageakte gegen Kuba durch autonome
Exilkubanergruppen ausgeführt. Castros Soldaten verhaften am 29.10. vier
CIA-Agenten, die mit einem 30-Meter Schiff namens Rex unter nicaraguanischer
Flagge nach Kuba kamen. Einer der Agenten, Montero Carranzana, hatte schon einmal
12 Saboteure an der Nordküste Kubas abgesetzt, und das Schiff diente schon
öfters als CIA-Cover. Die Rex wird von J. A. Belcher, Ölhändler
aus Miami, an die Collins Radio Company in Dallas vermietet. Arthur Andrew Collins
ist befreundet mit David Harold Byrd, dem Hausbesitzer des TSBD, und mit ONI-Admiral
Henry C. Bruton, der DeMohrenschildt und Oswald kennt. John Rockefeller Jr.
hilft Byrd, Anlagen von Collins für die "Admiral Byrd's Polar Expeditions"
zu kaufen. Im März 1963 erhielt die Collins Radio einen $2 Mio.-Vertrag
von der USIA, um neun Kurzwellentransmitter zu bauen, die die CIA in Südostasien
einsetzen will. Da JFK zwei Wochen später das Budget der USIA kürzt,
entwickelt sich dieses Geschäft zu einem Skandal, da der stellvertretende
Sekretär der Navy, Ken BeLieu, mit falschen Zahlen operiert hat und der
Deal mit Collins und der CIA nicht sauber ist. Die USIA verbreitet offizielle
Propaganda mithilfe von 140 Zeitschriften mit einer Auflage von 30 Mio. Exemplaren.
1978 entsteht daraus die International Communication Agency, die in 111 Ländern
vertreten ist, 12'000 Personen beschäftigt und über einen Etat von
$413 Mio. verfügt.
Der CIA gelingt die einzige Anheuerung von einem Mann innerhalb der Castro-Vertrauten:
Rolando Cubela Secades. Cubela tötete 1956 den Chef von Batistas Militärgeheimdienst
Blanco Rico, kämpfte mit Castro in den Escambray-Bergen und besetzte den
Präsidentenpalast 1959, bevor Castro in Havanna eintraf. Der Minister ohne
Portfolio wandte sich gegen die Präsenz der Russen und kontaktierte 1961
die CIA und wollte überlaufen. Die CIA konnte ihn überzeugen, als
Informationsquelle mit dem Codenamen AM/LASH im Amt zu bleiben.
Cubela offeriert seinem Kontaktagenten anlässlich eines Treffens in Sao
Paulo am 7.9.63, Castro umzubringen, wenn ihn die US-Regierung unterstütze.
Am gleichen Tag warnt Castro die USA davor, ihn ermorden zu wollen. Trotz der
Möglichkeit, dass es sich bei diesem Angebot um eine Falle handelt, trifft
sich Desmond FitzGerald am 29.10. mit Cubela in Paris. Dieser fordert ein persönliches
Treffen mit Robert Kennedy, ein Gewehr mit Tele sowie Gift. FitzGerald sichert
ihm die Unterstützung der Kennedys für die Castro-Eliminierung und
einer neuen Regierung zu. In die Rede Kennedys vom 18.11. baut die CIA eine
harsche Kritik gegen Castro ein, um diese Unterstützung zu belegen. Am
22.11. erhält Cubela in Paris einen Kugelschreiber mit einer hypodermischen
Nadel von einem Undercoveragenten der CIA, aber die Aktion wird wegen dem JFK-Attentat
abgeblasen.
Im September 1965 wird ein weiterer Versuch unternommen, Cubela gegen Castro
anzusetzen. Er wird jedoch von der kubanischen Gegenspionage 1966 entlarvt und
sitzt dann 13 Jahre im Gefängnis.
Colonel Oswaldo Lopez Arellano putscht am 2.10.63 gegen Präsident Ramon
Villeda Morales in Honduras, dem zu grosse Duldsamkeit gegenüber den Kommunisten
vorgeworfen wird. Villeda hatte im Geist der Allianz für den Fortschritt
moderate soziale Reformen anvisiert, wobei die Agrarreform auf Druck der United
Fruit bereits abgeschwächt werden musste.
Anastasio Somoza, United Fruit, Standard Fruit & Steamship, die William
B. Reilly Company, die CIA und Ed Butlers Information Council of the Americas
unterstützen und finanzieren den Staatsstreich, der mit einem Angriff auf
den Präsidentenpalast durch US-trainierte Luftwaffenpiloten beginnt. John
Kennedy hatte Villedas Bitte um Entsendung von Truppen zur Abwendung eines Putsches
kurzerhand abgeschlagen, den anzuerkennen sich er dann aber weigert. Erst Johnsons
Unterstaatssekretär Thomas Mann, der an der Planung des Coups mitarbeitete,
anerkennt im Dezember 1963 den neuen Präsidenten, der sofort alle Reformen
aussetzt.
Lopez beherrscht Honduras während elf Jahren, in denen die brüchige
Wirtschaft weiter geschwächt wird. 1974 deckt man die Zahlung von Bestechungsgeldern
in Höhe von $1,25 Mio. an Lopez durch United Brands, der Nachfolgegesellschaft
von United Fruit, auf. Nach dieser ersten Tranche senkte Honduras, das 25% der
Chiquita-Bananen liefert, die Exportsteuer um die Hälfte. Zur zweiten Tranche
dieses Deals, für den Wirtschaftsminister Abraham Bennanton ursprünglich
$5 Mio. für Lopez verlangt hatte, findet daraufhin nicht mehr statt, weil
die Streitkräfte 1975 Colonel Juan Alberto Melgar Castro zur Machtübernahme
verhelfen.
Quellen: Horowitz: 219-223, CIA-Info: 14, Ostrowsky: 8f, Scott (1993): 91ff, 196, 221ff, Marrs: 143f, Russell: 4, Hamelin/ Van Geirt, Vogeler: 22, Anson: 235f, Powers: 245, Hersh: 440, 447-449, Best: 38f, CNPC: 5f, Ranelagh/ Treharne: 2, Bartholomew: 54, (3): 7, Schulz: 318, Tarpley/ Chaitkin: 117-129.
Oktober 1963 Ruby und Oswald top
Lee Harvey Oswald trifft Jack Ruby am 4.10.63 in seinem Club, worüber Anwalt Carroll Jarnagin die Behörden informiert. Das FBI-Interview über das Oswald-Ruby-Meeting nach dem Kennedy-Attentat, das auf seine Initiative hin zustande kommt, wird im Warren-Report nicht erwähnt. Der Bericht negiert, dass sich die beiden gekannt haben, obwohl mehrere Treffen bekannt sind. Oswald übernachtet mehrmals im YMCA in Dallas, dessen Einrichtungen auch von Ruby, Hall, Seymour und Howard benutzt werden.
Oswald mietet ab dem 7.10. als O. H. Lee ein kleines Zimmer bei Earlene Roberts,
worauf das FBI und der militärische Geheimdienst ihre Dossiers nach Dallas
weiterleiten. Roberts ist die Schwester von Rubys Bekannter Bertha Cheek. Marina
Oswald zog am 23.9.63 mit ihrem Baby wieder zu Ruth und Michael Paine nach Irving.
Ruth Paine unternahm bereits 1957 Nachforschungen über Oswald, sechs Jahre
bevor sie sich laut Warren-Bericht überhaupt getroffen haben. Offiziell
bekommt Oswald seinen Job im Texas School Book Depository ab dem 16.10. dank
Ruth Paines Nachbarin Linnie Mae Randle, deren Bruder Wesley Frazier dort arbeitet.
Im TSBD steht der Finanzmanager Joe R. Molina unter Verdacht, Kommunist zu sein,
weil er dem "subversiven" American G. I. Forum angehört. Aufgrund
der Aufträge und Jobwechsel ist es naheliegend, dass Oswald Industriesicherheitsarbeit
leistet, was die Überprüfung der Angestellten auf mögliche Kommunistensympathie
beinhaltet.
Oswald meldet sich beim stellvertretenden Bezirksanwalt Edward Gillen und fragt
ihn, was er über die Legalität des Imports und Verkaufs der neuen
Wunderdrogen Mescalin und LSD wisse. Er habe Aldous Huxley's Buch The Doors
of Perception studiert und glaube, dass die neuen Drogen eine soziale Revolution
auslösen könnten. Auch dies scheint ein Check zu sein, da 1963 erst
wenige Personen ausserhalb der CIA etwas über LSD wissen. Offenbar beauftragt
Oswald seine Frau, in der Apotheke, in der sie arbeitet, Drogen zu entwenden.
Die CIA testete LSD und andere psychoaktive Drogen auch in der Station Atsugi,
wo Oswald stationiert war. Versuchskaninchen waren Marines, die keinen Dienst
hatten, und denen die CIA die präparierten Drinks und die Prostituierten
bezahlten. Auch das ONI holt verurteilte Mörder aus den Gefängnissen
und konditioniert sie im eigenen Neuropsychiatrischen Zentrum in San Diego als
politische Mörder, die laut dem Psychologen und ONI-Offizier Thomas Narut
in verdeckten Positionen in die US-Botschaften geschickt werden. Gillen weist
Oswald, der im Besitz einer nicht im Handel erhältlichen Minox-Kamera ist,
als harmlosen Spinner weg.
John Roselli und Jack Ruby treffen sich zwei Mal in Miami, und Ruby konsultiert
viele hochgestellte Persönlichkeiten der Mafia: Russell D. Matthews, Frank
Caracci, Peter Marcello, Michael Shore (ein Freund von Mickey Cohen), Irwin
S. Weiner (ein Mitarbeiter Giancanas, den die Washington Postals eine der wichtigsten
Personen der Mafia im mittleren Westen bezeichnet), Lenny Patrick, Nofio Pecora,
Barney Baker, Murrey W. "Dusty" Miller (der für Hoffa arbeitet
und 1970 der Organisator von George Bushs erfolgloser Senatskampagne ist), Alexander
Gruber (der für Cohen und Hoffa arbeitet), Joe Campisi, Paul Roland Jones
und Oscar Mauzy (Führer der liberalen Demokraten in Dallas und Partner
von Nat Wells, der die Teamsters im Gericht vertritt).
Der mutmassliche britische Agent "John" Wilson, der sich 1959 mit
Trafficante in derselben Zelle befindet, einen Ausweis der chilenischen Geheimpolizei
und einen UNO-Presseausweis besitzt, trifft sich am 29.10.63 mit Ruby wegen
einer Anleihe.
In den 6 Monaten vor dem Kennedy-Attentat werden 400 Todesdrohungen registriert, wovon drei so gravierend sind, dass das Sicherheitskonzept verstärkt werden müsste. Beispielsweise hört das FBI in Buffalo am 31.10. eindeutige Morddrohungen von Mafialeuten gegen den Präsidenten ab, die Hoover weder an das Justizministerium noch an den Secret Service weiterleitet. Am 4.11. schreibt Byron Selton, Mitglied des Democratic National Committee von Texas, an Bobby Kennedy und empfiehlt aufgrund der Attentatsgefahr, die Reise nach Texas oder wenigstens den Dallas-Besuch abzusagen.
Quellen: Marrs: 409, Scott (1993): 246, 291, Callahan: 99f, 110f, Weberman (11): 3, Weber: 57-60, Bollinger, Davis (1988): 166ff, 207, Best: 42, Oglesby: 5, 9, Griffith (1996): 3.
Oktober 1963 Jackie Kennedy und Aristoteles Onassis top
Jackie Kennedy ist auf Kreuzfahrt mit Aristoteles Onassis auf der Jacht Christina.
Nach dem Tod ihres neugeborenen Sohns Patrick am 7.8.63 ist sie zu Ari geflüchtet.
Schon ein Jahr zuvor stellte sie die Männlichkeit des Präsidenten
in der Öffentlichkeit in Frage, als sie sich mit Gianni Agnelli auf dessen
Jacht vergnügte. Aufgrund der Pressemitteilungen schickte JFK ihr verärgert
ein Telegramm: "Etwas mehr Caroline und weniger Agnelli."
Bereits Jackies Schwester Lee Radziwell hatte ein Verhältnis mit Onassis, das Bobby Kennedy zu verhindern versuchte. Um einen Skandal zu vermeiden, zahlte man dem Vatikan $50'000 für die Scheidung Lees. Diesmal telefoniert der Präsident seiner Frau, damit sie zurückkommt, da die Zeitungsberichte seiner Popularität schaden. Wegen ihrer Schuldgefühle kann JFK sie dazu bringen, ihn auf den Wahlkampftourneen, die sie hasst, zu begleiten. Der Tod des Neugeborenen lässt die gegenseitigen Sticheleien etwas in den Hintergrund treten. Jack besteht wegen der negativen Publizität darauf, dass Onassis erst nach den Wahlen zu einem Gegenbesuch eingeladen werden dürfe. Nach dem Kennedy-Attentat befindet sich Onassis bis zum Begräbnis des ermordeten Präsidenten im Weissen Haus.
Quellen: Posener: 7f, 117, 129ff, 154f, Morgenthaler, Best: 20.
Oktober 1963 Bobby-Baker-Skandal top
Bobby Baker geriet seit September in die Schlagzeilen wegen Vermittlungen von
Staatsaufträgen gegen Schmiergeldzahlungen mit Clint Murchison, Isaac Irving
Davidson, den Teamsters und dem Las Vegas-Milieu. In einem Fall verschaffte
er bereits Aufträge an eine Verkaufsmaschinenfirma, die noch gar nicht
existierte, weshalb Baker am 7.10.63 von seinem Amt als Sekretär der Demokraten
im Senat zurücktreten muss.
Baker kam 1943 als Vierzehnjähriger nach Washington, begann als Kongresshilfe und machte im Fahrwasser seines Mentors Lyndon Johnson Karriere, für den er sich vor allem bei Kampagnenfinanzierungen profilierte. Wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung wird Baker vom Justizministerium und vom Senate Rules Committee untersucht, und die republikanische Minderheit im Senat versucht, den Fall zu einem Thema für die Präsidentenwahl von 1964 zu machen. Da auch Johnson und andere Senatoren der Korruption verdächtigt werden, eröffnet das Rules Committee eine umfassende Untersuchung. Robert Kennedy spannt heimlich mit Anwalt Burkett Van Kirk und den Republikanern gegen Johnson zusammen, damit er ihm als Präsidentschaftskandidat 1968 nicht im Weg stehen wird. Johnson vermutet zu Recht, dass die Kennedys den Skandal ins Rollen gebracht haben, um ihn zu stürzen. JFK will Johnson nun ersetzen durch Gouverneur Terry Sanford von North Carolina, obwohl Ethel Kennedy will, dass ihr Mann Vizepräsident wird.
Über "Whispering Willie", Senator John Williams, gibt Bobby Informationen über Baker und Johnson an das Rules Committee weiter, wonach Korruptionsvorwürfe gegen Johnson laut werden. Johnson befürchtet, dass von den vielen Geschäften seines ehemaligen Sekretärs mit der Mafia von Louisiana, Chicago, Las Vegas und in der Karibik, oder von den Schmiergeldzahlungen über Jack Halfen, der ein Prozent von Carlos Marcellos Umsatz an Johnson abliefert, etwas aufgedeckt werden könnte. Johnson setzt sich als Gegenleistung während seiner ganzen Karriere gegen Gesetze zur Verfolgung der Mafia ein. J. Edgar Hoover übt auf das Justizministerium Druck aus, um die Prozesse gegen seine Freunde Bobby Baker und Clifford Jones zu verzögern und zu erschweren. Jones wird erst fünf Jahre nach der Anklage vor Gericht gestellt. Schliesslich sitzt Baker, in 9 Punkten schuldig gesprochen, 18 Monate in einem Gefängnis.
Da auch Bakers Privatleben in die Schlagzeilen geriet, stösst das Senate Rules Committee schnell auf den Fall Ellen Rometsch. Vom Republikaner John Williams gelangen Informationen zu Clark Mollenhoff, der diese am 26.10. im "Des Moines Register" in Iowa veröffentlicht. Ohne JFK beim Namen zu nennen beschreibt Mollenhoff die Ereignisse und die Beziehungen von Rometsch und zieht eine Parallele zum Profumo-Skandal. Zwei Tage später trifft sich Bobby Kennedy mit Courtney Evans und Hoover und erreicht, dass sich Hoover mit den beiden Fraktionsführern im Senat, Mike Mansfield und Everett Dirksen, trifft und diese mit Dreckmaterial aus seinem Geheimarchiv unter Druck setzt, womit er eine Senatsuntersuchung und die Rückkehr von Rometsch für ein Hearing verhindern kann. Dafür erhält Hoover vom Justizminister die Erlaubnis, Martin Luther Kings Telefon abhören zu lassen. Aber nicht nur das Telefon, sondern die Hotelzimmer und selbst die Altäre werden verwanzt, und King wird auf Schritt und Tritt beschattet. Hoover beginnt, King als Lügner, Sexpathologen, Trinker und Kommunisten öffentlich zu diffamieren. Nach Kennedys Ermordung treffen sich Beamte der Bundespolizei und diskutierten darüber, wie man "King als Schwarzenführer neutralisieren könne".
Einige Tage später ist Hoover bei John Kennedy zum Lunch eingeladen. Hoovers Agenten haben erfahren, dass Rometsch in die USA zurückkehren wolle, um den Untersuchungsanwalt der Senatskommission, LaVern Duffy, zu heiraten. JFK versucht dies zu verhindern, indem er von Freunden wie Grant Stockdale Geld sammeln lässt, um Rometsch mehr Schweigegeld zu bezahlen. Stockdale, der JFK unterstützt und für George Smathers und Bobby Baker arbeitet, findet sich nach dem Attentat zwischen den Fronten und wird aus dem 14. Stockwerk eines Gebäudes in Miami gestossen.
Im Zusammenhang mit den Baker-Enthüllungen kommen auch Einzelheiten mit der TFX-Korruption wieder auf, und Fred Korth, der für Johnson gearbeitet hat, muss von seinem Job als Sekretär der Navy zurücktreten, da über seine Bank Schmiergelder der General Dynamics geflossen sind. John McClellan leitet eine parallele Senatsuntersuchung zur TFX-Bestechung, wobei RFK dafür sorgt, dass McClellan Informationen über die Schmiergelder und Erpressungsversuche der General Dynamics unterdrückt und sich auf die $100'000 Schmiergelder für Johnson über Bobby Baker beschränkt. Diese Untersuchung wird von Johnson nach der Ermordung Kennedys natürlich sofort abgeblockt, nachdem an der Sitzung vom 20.11. noch beschlossen wird, dass in der folgenden Woche Fred Korth befragt werden soll. Korth, der bei Bell mit Michael Paine und Walter Dornberger zusammenarbeitete und über den auch Zahlungen an die Spurenleger Oswalds in Dallas laufen, wird nie aussagen müssen.
Quellen: Summers (1993): 312f, Hersh: 388, 400-411, Davis (1988): 273, Scott (1993): 220, Torbitt: 11, 14, 28, 33, Obenhause.
November 1963 Putsch gegen Ngo Dinh Diem top
Der südvietnamesische Präsident Ngo Dinh Diem wird am 1.11. gestürzt. Diem floh 1950 in ein katholisches Seminar bei New York, nachdem er von Ho Chi Minh in Abwesenheit zum Tod verurteilt wurde. Dort lernte der überzeugte Katholik, dessen Bruder Ngo Dinh Thuc Bischof der Römischen Kirche ist, unter anderem auch Joseph Kennedy und seinen Sohn kennen. Kennedy unterstützte die American Friends of Vietnam, und der Senator war 1956 der Hauptsprecher dieser Lobbygruppe. Auch als Präsident unterstützte John Kennedy den Diktator, den Johnson trotz dessen Krieg gegen die eigene Bevölkerung als Winston Churchill von Südostasien bezeichnet.
Vietnam spaltete die Kennedy-Bürokratie wie kein anderes Thema. Auch Charles de Gaulle warnte JFK bereits 1961 vor der Aussichtslosigkeit eines Engagements in Vietnam. Nachdem JFK 1962 in Laos nach dem gescheiterten CIA-Putschversuch eine vernünftige Lösung akzeptierte, trieben ihn seine Gegner mit dem Vorwurf, das Land an die Kommunisten verloren zu haben, in die Enge. Deshalb reagierte JFK auf die Schwächung der Diem-Regierung mit einem erhöhten militärischen Engagement und muss Vietnam bis zur Wahl von 1964 halten, obwohl bis Ende 1961 bereits 76'000 Menschen durch Vergeltungsaktionen der südvietnamesischen Polizei- und Streitkräfte umkamen und über 550'000 deportiert, verhaftet oder in Konzentrationslagern interniert wurden.
Aufgrund der massiven Kritik des Diem-Regimes entschied sich JFK zum Einsatz
der Green Berets und zum Aufbau einer Geheimarmee, um den schmutzigen Krieg
unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen. Die Navy SEALs (Navy
Sea Air Land) sind hochausgerüstete und streng ausgebildete Einsatztruppen,
die überall in der Welt eingesetzt werden und vor allem auf Unterwassersabotage
und Blitzoperationen spezialisiert sind. Bereits 1962 flog die US-Luftwaffe
50'000 Einsätze, bei denen sie ganze Gebiete mit Bordwaffenfeuer und Napalmbomben
belegten.
Um der National Liberation Front die Basis zu entziehen, werden chemische Kampfstoffe
zur Vernichtung von Ernten und Vieh eingesetzt, so dass die bäuerliche
Bevölkerung vom Hungertod bedroht ist. Diems Bruder Ngo Dinh Nhu versuchte,
das von den Briten in Malaysia erfolgreich angewandte Programm der "strategischen
Dörfer" einzuführen, was aber misslang. 10 Mio. Bauern wurden
bis Ende 1962 in 6600 geschützte Dörfer umgesiedelt, ausserhalb derer
jedermann erschossen werden konnte. Die buddhistische Landbevölkerung weigerte
sich weitgehend, in die Minikonzentrationslager zu ziehen, weil es für
sie wichtig ist, bei den Gräbern ihrer Toten zu wohnen. Diem setzte deshalb
auf Verhaftung, Folter und Ermordung der Opposition, zu der abgesehen von den
10-15% Katholiken potentiell alle gehören.
Diems Regime, das auch wegen der grassierenden Korruption international geächtet wurde, geriet im Mai 1963 in die Schlagzeilen, als Soldaten in Hue 9 der buddhistischen Mönche, die für religiöse Freiheit demonstrierten, erschossen. Diems Weigerung, sich für dieses Massaker zu entschuldigen und auf die Forderungen der Mönche einzugehen, führte zu Aufständen und der Selbstverbrennung von Thich Quang Duc, einem alten buddhistischen Priester, was die amerikanische Bevölkerung aufrüttelte und das Image der USA untergrub. Auch die verachtenden Äusserungen von Madame Nhu, die von einem buddhistischen Barbecue spricht und für weitere Selbstverbrennungen gratis Streichhölzer und Benzin anbietet, schockieren die Weltöffentlichkeit.
Der neue US-Botschafter Henry Cabot Lodge forderte Diem öffentlich wiederholt auf, seinen Bruder und politischen Berater Nhu zu entlassen und den Polizeiapparat aufzulösen, was die beiden aber als Einmischung in ihre Souveränität kritisierten. Die Kennedy-Administration fixierte sich auf die Idee, Nhu sei allein für die Gräueltaten verantwortlich und könne die Situation mit seinem Rücktritt entschärfen. Da Nhu den ganzen Sommer immer wieder zu einer Limitierung der Rolle der Amerikaner in Südvietnam aufgerufen hatte, stempelten ihn die Amerikaner zum dunklen Drahtzieher hinter Diem und machten ihn zum Sündenbock. JFK hätte aus eigener Erfahrung wissen müssen, dass Diem seinen Bruder nicht entlässt. Harriman-Klon Lodge fordert deshalb die Elimination Diems.
Gleichzeitig zahlte die CIA $25'000 (nach anderen Angaben $250'000) pro Monat an Nhus Spezialsicherungstruppen, die am 21. August in Armeeuniformen Mönche und Nonnen aus den 2000 Tempeln schleiften, verprügelten, wobei 30 starben und 400 in Gefängnissen landeten. Darauf bewilligte JFK einen Militärputsch, der bis Ende Monat hätte stattfinden sollen.
In den Monaten vor seiner Ermordung hat Diem mit Nordvietnam Geheimgespräche
zur Beilegung des Konflikts aufgenommen. Nordvietnam war bereit zu einer Koalitionsregierung
mit Diem und zu einer langsamen wirtschaftlichen Annäherung mit einem neutralen
Süden. Deshalb suchte Diem nach einem Weg, wie er die Amerikaner zu einem
Abzug bringen könnte. 1963 befinden sich 16'500 "US-Berater"
im Land, wovon die meisten im Geheimdienst und in der Administration arbeiten,
und bereits sind 78 "Berater" im Kampf gefallen, weil sie Einsätze
in südvietnamesischen Flugzeugen und Helikoptern fliegen und Infanterieeinsätze
leiten.
Am 11.9. schickte die National Liberation Front, die Allianz von Kommunisten
und Nichtkommunisten, einen Friedensplan-Vorschlag an die UNO, was zu einer
Verurteilung des Diem-Regimes führte. Charles de Gaulles darauffolgende
Unterstützung für eine Neutralisation des Südens und eine mögliche
Wiedervereinigung Vietnams wurde in den USA mit Empörung aufgenommen. Über
den französischen Botschafter Roger Lalouette liefen auch bereits die Friedensgespräche
zwischen Süd- und Nordvietnam.
Obwohl dies die ideale Voraussetzung für den Rückzug aus der aussichtslosen
Lage in Vietnam wäre, ist die Idee eines neutralen Zusammenschlusses von
Nord- und Südvietnam für die Amerikaner gleichbedeutend mit einem
kommunistischen Vietnam, und JFK befürchtet, eine Einigung könnte
ihn die Wahlen von 1964 kosten. Ende September fragte JFK den ehemaligen CIA-Agenten
Edward G. Lansdale, ob er nach Saigon ginge, um zu versuchen, Diem von seinem
Bruder zu trennen, wozu Lansdale einwilligte. Da Lansdale aber nicht mitmachen
wollte, falls JFK entscheide, man solle seinen Freund Diem loswerden, wurde
der Staatsstreich ohne ihn und ohne Wissen des Vizepräsidenten organisiert.
Einen Monat später, nach der Ermordung Diems, verlässt Lansdale das
Pentagon.
Aufgrund der Lagebeurteilung von Robert McNamara und General Maxwell Taylor
vom 2.10.63 leitete JFK am 11.10. mit dem National Security Action Memorandum
263, wonach 1000 Soldaten bis Ende 1963 nach Hause gebracht werden, den Rückzug
der US-Truppen bis Ende 1965 aus Vietnam ein. Die paramilitärischen Aktivitäten
der CIA wurden dem Verteidigungsministerium überantwortet. JFK weiss, dass
er Vietnam auf lange Sicht nicht halten kann, aber bis nach den Wahlen halten
muss, weshalb dieser Beschluss, obschon militärisch unbedeutend, richtungsweisend
war.
Das Pentagon, das die CIA militärisch durch Spezialabteilungen unterstützt,
und die Rüstungsindustrie verstehen Kennedys Absichten. Die Armee startet
daraufhin eine breitangelegte Undercoveroperation namens Operation CAMELOT,
um Kennedys Rückzugsplänen zuvorzukommen. 1964 iniziiert das Special
Operation Research Office der Armee das bis anhin grösste sozialwissenschaftliche
Projekt CAMELOT, wonach während vier Jahren Daten, Modelle und Theorien
über soziale Veränderungen und interne Konflikte in den Entwicklungsländern
sowie Massnahmenpläne gegen Revolutionen und Bürgerkriege zusammengetragen
werden sollten. Aufgrund der Kritik der Latin American Faculty of Social Science
und der chilenischen Presse wegen des antidemokratischen Charakters des verdeckten
Spionageprojekts muss Johnson im August 1965, nach der Okkupation der Dominikanischen
Republik, das Projekt zurückziehen.
Einige hohe Offiziere versuchten, JFK mittels falscher Informationen zum verstärkten
Einsatz in Vietnam zu bewegen. Lansdale ist ein entschiedener Gegner des Rückzugs
aus Vietnam und wird einer der entscheidenden Plotter des Vietnam-Engagements.
Lansdale sagt seinem Untergebenen L. Fletcher Prouty, er werde am 22.11. in
Dallas sein, und schickt Prouty, der den Rückzug befürwortet, 11 Tage
vor dem Attentat für zwei Wochen auf eine sinnlose Mission an den Südpol.
Einzelne Figuren des militärischen Geheimdienstes sind an der Verschwörungskoalition,
die aus Kräften inner- und ausserhalb der Regierung besteht, wegen dem
sich abzeichnenden Rückzug aus Vietnam mitbeteiligt. Bezeichnenderweise
warnte Präsident Eisenhower, selbst General, JFK bei der Amtsübergabe
vor der Bedrohung durch den unkontrollierten militärisch-industriellen
Komplex.
Viele vietnamesische Militärs besuchten im Oktober die amerikanische Botschaft,
wo Lodge General Duong Van Minh und seinen Stab mit Waffen und Geld unterstützte.
JFK schickte als letzten Rettungsversuch seinen engen Freund Torbert Macdonald,
der an seinen Poolparties teilnimmt und in Geheimnisse eingeweiht ist, von denen
Bobby nichts weiss, zu Diem, um ihn zu warnen, er solle seinen Bruder fallenlassen
und in der US-Botschaft Zuflucht suchen, was Diem aber ignoriert.
Am 1.11. erfolgt der von der CIA mitorganisierte Putsch: Lucien Conein und Arthur
Herman Bremer unterstützen General Duong, der die treibende Kraft bei der
Vernichtung von Diems Opposition war. Als sich Diem und Nhu nach stundenlangen
Kämpfen ergeben, werden sie am 2.11. umgebracht. Am 7.11. erkennt JFK formell
die neue Zivilregierung von Nguyen Ngoc Tho, Vizepräsident unter Diem,
an, die sofort erklärt, dass eine Wiedervereinigung mit dem Norden nicht
in Frage kommt. Vizemarschall Nguyen Cao Ky, der 1961 und 1962 CIA-Kommandos
nach Nordvietnam und Opium von Laos nach Saigon geflogen hatte, wird zum Chef
der vietnamesischen Luftwaffe ernannt. Er gerät wegen seiner Bewunderung
für Adolf Hitler und seinem westlichen Lebensstil schnell in Verruf. Die
nächsten zwei Jahre erfolgen eine Kette von Staatsstreichen und Putschversuchen
und eine Verschärfung des Bürgerkriegs, so dass Johnson sagt, er wolle
"keine solche Scheiss-Coups mehr". Rebellionen der nach Autonomie
strebenden Bergvölker und der Buddhisten werden niedergeschlagen. Als die
Saigoner Armee die Herrschaft über das Land verliert, greifen die USA massiv
ein und beginnen am 7.2.65 mit der Bombardierung Nordvietnams.
Das Engagement der USA in Vietnam beruht wesentlich auf dem Eindämmungskonzept
gegenüber China, das den USA im Koreakrieg eine Niederlage bereitete. John
Kennedy beschäftigt sich seit einiger Zeit vermehrt mit China, weil er
Angst hat, die Chinesen könnten die Atombombe bauen. Seine Angst vor den
"Gelben" begründet er mit der angeblichen Bereitschaft der chinesischen
Führung, Hunderte von Millionen von Menschen zu opfern, um dem Kommunismus
zum internationalen Durchbruch zu verhelfen. JFK beruft ein Meeting mit Fernostexperten
ein und will den chinesischen Reaktor Lanchow in der Nähe des Testgeländes
Lop Nor bombardieren lassen, um eine chinesische Atombombe zu verhindern. William
Averell Harriman fasste bereits im Juli den Auftrag herauszufinden, wie die
Sowjets reagieren würden, wenn die USA chinesische Atommeiler bombardierten.
Chruschtschows ärgerliche Antwort soll gewesen sein, dass er keinen Postschalter
betreibe. Angleton ist überzeugt, der ehemalige US-Botschafter Harriman
in Moskau sei ein Sowjetspion, der JFK in der falschen Weise beeinflusse. Die
Frage, wie die Atomanlagen der Chinesen zerstört werden sollen, ist bei
der Ermordung Kennedys noch ungeklärt. Der erste chinesische Atombombentest
findet am 16.10.64 statt.
Am 8.11.63 erklärt Kennedy beim seinem Antrag zum Auslandhilfegesetz, dass damit 3,5 Mio. alliierte Soldaten in anderen Ländern zur Abschreckung der Kommunisten unterhalten werden. In den meisten Ländern wie in der Türkei ist es jedoch offensichtlich, dass die 400'000 türkischen NATO-Truppen den Zweck haben, eine innere Revolution zu verhindern. Die USA selbst haben 1 Mio. Soldaten auf über 200 Stützpunkten und auf etwa tausend weiteren Militäranlagen in anderen Kontinenten einsatzbereit stationiert. Zudem verkündet JFK, dass die Zahl der Kampftruppen zur Niederschlagung von Aufständen während den drei Jahren seiner Regierungszeit um 600% erhöht worden sei. Das Anti-Rebellen-Programm kostet $500 Mio. (plus $1 Mia. in Vietnam) pro Jahr und untersteht der Leitung der Special Group for Counterinsurgency. Die militärische Seite des Programms umfasst die Sonderausbildung von Soldaten zur Niederschlagung bewaffneter Aufstände, wobei die School of the Americas' auch paramilitärische Verbände in Folter, Entführungen und Spionage bei Gewerkschaften, Schulen und Universitäten trainiert. Die Terrorisierung der Bevölkerungen in Lateinamerika durch die Paramilitärs wird in den USA geplant. Die zivile Seite wird von der Agency for International Development geleitet und umfasst die Ausbildung von Polizisten und die Produktion von Propagandamaterial. Zudem gibt es verschiedene geheime Operationen und Kurse, die von der CIA, dem Pentagon oder dem State Departement organisiert werden.
Quellen: Prouty (1973): 33, 58-60,
138, 174f, Hersh: 3, 412-437, 440ff, Horowitz: 142-150, 406-409, Holtkamp: 12f,
Collier/ Horowitz: 386-390, Obenhause, Griffith (1996): 5, Gregory/ Speriglio:
227, CIA-Info: 14f, Best: 63-68, Groden/ Livingstone: 466-473, Dehnhardt, Spiegel
TV, Karel (1), Levin, Summers (2000): 516f, Amann: 27-32, Fuchs.