Mafia, Geheimdienste und Politik der USA

Teil 1 (bis 1938)


Dieser Teil der Chronik behandelt die Entstehung, Immigration und Konsolidierung der Mafia, die US-Politik in Lateinamerika und die Aktivitäten von J. Edgar Hoover, Prescott Bush, Joe Kennedy und Franklin D. Roosevelt.

Zentrale Themen und Personen:

Amerikanische Ideologie, Erste Expansionen, Entstehung der Mafia, Ermordung von Abraham Lincoln und Gründung des Secret Service, Immigration der Mafia, Hegemonialpolitik der USA, Federal Reserve System, Erster Weltkrieg: Prescott Bush, Averell Harriman und George Herbert Walker, Prohibition und Konsolidierung der Mafia, Joseph Kennedy und Frank Costello, J. Edgar Hoover beim FBI, Al Capone in Chicago, Börsenkrise 1929 , Die Mafia in New York: Lucky Luciano, Meyer Lansky, Benny Siegel, Joe Masseria, Castellammare-Krieg, Salvatore Maranzano, Amerikanisierung der Mafia, Albert Anastasia, Roosevelt und Kennedy, Kartell der Erdölgesellschaften: John D. Rockefeller und Aristoteles Onassis, Attentat auf Anton Cemak und Franklin D. Roosevelt, Aufhebung der Prohibition: Glücksspielgeschäft, Gewerkschaften, Heroinhandel, Upton Sinclair, New Deal, Carlos Marcello, Mafiaverfolgung, Hoover, die Nazis und die Mafia, Botschafter Kennedy in England.

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Amerikanische Ideologie

Die Gründerväter der USA sehen sich als Erben Moses und Amerika als ihr gelobtes Land. Sie postulieren mit der Verfassung eine Zivilreligion, die die christlichen Konfessionen übersteigt. Die jüdischen Archetypen des Alten Testaments (Exodus, auserwähltes Volk, gelobtes Land, Opfertod, Wiedergeburt, abstrakter Gottesbegriff, Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott, religiöse Freiheit) bleiben jedoch in den Menschenrechten festgehalten. Die Puritaner wollten in der Neuen Welt eine Kirche und Gesellschaft schaffen, die den Vorgaben der göttlichen Bestimmung entspricht und als Vorbild für die korrupte Alte Welt dazu beiträgt, diese vor dem Zerfall zu retten. Die Puritaner glaubten an die Prädestination und an die Gnadenerfahrung, aus der sie auf ihre Überlegenheit und heilsbringende Mission schlossen. Sie glaubten an einen Vertrag mit Gott (Federal Covenant) geschlossen zu haben, der ihnen als Gegenleistung für die Erfüllung der christlichen Tugenden die kollektive Erlösung bringt. Puritanerführer John Winthrop etwa beschreibt sein Programm "to advance the kingdom of our Lord Jesus Christ, and to enjoy the liberties oft he gospel in purity with peace" (in: Kendall Hosmer 1908, II: 100). Nach aussen ist der amerikanische Staat ein missionarisches Projekt, denn es repräsentiert nicht nur Gottes auserwähltes Land, sondern hat auch eine Wächter- und Richterfunktion für andere Nationen. Gleichzeitig stellt der Staat nach innen eine Bedrohung für die religiöse Autonomie dar, die es zu begrenzen gilt. Es waren weniger die Puritaner als vielmehr die Quäker, Baptisten, Täufer und Spiritualisten, die die Unantastbarkeit des inneren Lebens durch den Staat durchsetzten. Wärend die weissen Amerikaner stolz auf das amerikanische Staatsmodell sind und es aufgrund der angenommenen zivilisatorischen Überlegenheit ausbreiten (Eroberung des Westens bis 1848 mit der Ausrottung der Indianer) und exportieren (Imperialismus), sind sie gleichzeitig staatskritisch und befürchten, ihre Glaubens-, Rede- und Handlungsfreiheit könnte durch die Staatsmacht eingeschränkt werden (Individualismus). Im Staatsbegriff nimmt die Armee eine mythische Rolle ein, denn dem Krieg kommt eine zentrale Rolle bei der Expansion der amerikanischen Kultur zu. Die technische und logistische Überlegenheit der amerikanischen Armee wird dabei als moralisch-kulturelle Überlegenheit interpretiert. Das Verhältnis der Amerikaner zur Welt wird vom Kampf dominiert: gegen die Korruption, den Kommunismus, den Terrorismus, und durchwegs moralisch-dualistisch ausgedrückt: unschuldig und moralisch überlegen gegen böswillig und minderwertig.

Quellen: Madsen (1998).


Amerikanische Verfassung

In heutigen Geschichtsbüchern erscheint die Amerikanische Revolution als eine demokratische Umwälzung. Die Unabhängigkeitsbewegung der Siedlerkolonisten kann als demokratische Erhebung interpretiert werden, denn schon vor der Unabhängigkeitserklärung 1776 hatte eine mächtige Bauernbewegung in North Carolina den Aufstand gegen wohlhabende und korrupte britische Beamte geprobt. Von 1766 bis 1771 konnte die sogenannte Regulatorenbewegung nur durch einen massiven Einsatz des Militärs an einem demokratischen Umsturz gehindert werden. Allerdings wird die politische und soziale Gleichheit in der Verfassung nicht festgeschrieben. Auf dem Verfassungskonvent in Philadelphia 1787 verhindern die Wohlhabenden eine Teilhabe aller am Reichtum und den politischen Entscheidungen. Schon die Unabhängigkeit war ein Projekt der aufsteigenden Neureichen, denn 69% der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung waren englische Kolonialbeamte. Doch war es nach erfolgreichem Unabhängigkeitskampf schwer, den demokratischen Geist der bewaffneten Bevölkerung wieder in die Flasche zu bekommen. Da die Kriegskosten auf die arbeitende Bevölkerung abgeschoben wurden, kam es zu Revolten und zwei blutig niedergeschlagene Volkserhebungen in Massachusetts und Pennsylvania, die die Enteignung der Kriegsspekulanten verlangten. In den Articles of Confederation wird daher das Privateigentum besonders geschützt. Volksführer wie Samuel Adams und Patrick Henry hatten von vornherein auf die Teilnahme am Verfassungskonvent verzichtet. Geschaffen wurde dann Bundesbehörden ohne direkte Kontrolle des Volkes nach dem Vorbild Roms, wobei eine Balance zwischen Demokratie, Aristokratie und Monarchie erreicht werden soll: Ein Präsident mit monarchischen Kompetenzen, ein Senat als Interessevertretung der wohlhabenden Aristokratie und der Kongress als demokratisches Element. Während die demokratischen Vertreter die politischen Repräsentationsorgane vielen Delegierten besetzen wollen, um die Partikularinteressen einzudämmen, setzen die Federalists auf einen Staat mit genügend Repressionsmittel, um die wirtschaftlichen Interessen der besitzenden Klassen nach innen und außen zu schützen. Die Anti-Federalists können durchsetzen, dass die Verfassung durch die Bill of Rights ergänzt wird, was aber keinen Sozialstaat garantiert.


Erste Expansionen

Bereits am 2.12.1823 verkündete Präsident James Monroe die nach ihm benannte Doktrin, die den Europäern jeglichen Einfluss in den amerikanischen Kontinenten verbietet. Die Briten wollen das bröckelnde Kolonialreich der Spanier beerben, was die USA zu verhindern verstehen. 1824 erfolgt eine militärische Intervention der USA in Puerto Rico, 1831 in Argentinien, und 1845 und 1847 in Mexico, worauf die USA die Hälfte des Territoriums annektieren. Nach dem Ende des Bürgerkriegs proklamierte Präsident Ulysses Grant seinen Glauben an die "offenkundige Bestimmung" der USA, den gesamten Kontinent unter ihre Vorherrschaft zu bringen.Der Konflikt mit den Briten 1895 um die Grenze Venezuelas wird etwa mit der Doktrin der 'Manifest Destiny' gerechtfertigt. Zur "Verteidigung der Demokratie" werden laufend Unabhängigkeits-Bewegungen abgeklemmt.
Meist wird der amerikanische Imperialismus religiös legitimiert: Schon im Krieg gegen die Mexikaner in den 1840er Jahren wurde mit Rekurs auf die Prädestinationslehre behauptet, Gott selbst habe die Pferde und Kanonen der Vereinigten Staaten gesegnet. 1859 verteidigte Horace Greeley die Massaker an den Prärieindianern mit derselben Logik: "Diese Leute müssen aussterben - es kann ihnen niemand helfen. Gott hat die Erde denen gegeben, die sie sich untertan machen und sie zu kultivieren verstehen; es wäre vermessen, sich seinem gerechten Auftrag zu widersetzen." Die Politik der USA ist von Anfang auf die Elimination der Ureinwohner ausgerichtet, denn die Kolonisation war nicht auf Herrschaft, sondern auf privatrechtliche Ansiedlung angelegt. Deshalb gab es, im Unterschied zu den spanischen Kolonien, nie eine Mestizengesellschaft. Während Jahrhunderten grenzte man die Indianer ‚aus der Gesellschaft' aus und verdrängte sie. Um ihnen die Lebensgrundlage zu entziehen, wurden bis 1897 fast alle Bisons (30-40 Mio. Tiere) geschlachtet. Erst 1924 erhielten die Indianer auf dem Papier die volle Staatsbürgerschaft, was sich aber in der Praxis nicht durchsetzte.

1853 laufen im Hafen von Uraga (heute Yokohama) vier US-Kriegsschiffe unter dem Kommando von Admiral Matthew Calbraith Perry ein und belagern die Stadt. Ein Jahr später erhalten sie von der Tokuguwa-Regierung den ersten Handelsvertrag. Damit ist die zweihundert jährige Geschichte der Isolation Japans vorbei, und die Aufrüstung und Modernisierung wird zum zentralen Ziel der Meiji-Ära von 1868 bis 1912. Wie seine westlichen Vorbilder will Japan eine imperiale Grossmacht werden, wobei es sich in Bezug auf die Verwaltung und das Militär stark an Deutschland orientiert. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs beginnt Japans Expansionsstrategie.

Weder die Konflikte mit den Indianern noch der Krieg gegen Mexiko 1846 belasten die amerikanische Wirtschaft, denn die USA unterhalten eine reguläre Armee von lediglich 26'000 Soldaten. Daher kann das Kapital produktiv eingesetzt werden, und die USA entwickeln sich bis zum Beginn des Bürgerkriegs 1861 zu einer wirtschaftlichen Grossmacht. Nur Grossbritannien hat noch ein deutlich grösseres Produktionsvolumen als die USA. In den vier Jahren des blutigen Bürgerkriegs wird allerdings eine gewaltige Wehrpflichtarmee aufgebaut, sodass die USA die grösste Militärmacht der Welt darstellen: Der Union dienen etwa 2 Mio. Soldaten (auf dem Höhepunkt 186465 etwa 1 Mio. gleichzeitig) und bei den Konföderierten etwa 900'000 (maximal 465'000 gleichzeitig Ende 1863, am Ende bloss noch 155'000); die Union verliert 360'000 und die Konföderierten 258'000 Mann. Der Norden ist wirtschaftlich viel stärker (110'000 Produktionsbetriebe) als der Süden (18'000 Betriebe) und produziert 1,7 Mio. Gewehre und 671 teilweise gepanzerte Kriegsschiffe für die Seeblockade. Im ersten industriellen totalen Krieg kommen Telegraphen, drehbare Geschütztürme, Torpedos und Minen zum Einsatz.

Die Basis der amerikanischen Industrialisierung liegt im Walfang. Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden Hightech-Schiffe entwickelt, die alle Meere der Welt erobern und die Wale direkt zu Öl verarbeiten, das Schmiermittel, Material und Energie für Licht und Maschinen liefert. Auf dem Höhepunkte um 1850 segeln 750 amerikanische Schiffe (alle anderen Nationen verfügen über insgesamt 150 Walfangschiffe) auf allen Meeren und schlachten über 8000 Wale pro Jahr ab, was einen Gewinn von $11 Mio. bringt. Pottwale enthalten bis zu 3600 Liter hochwertiges Öl, und die Barten der Bartwale sind die Vorform des Kunststoffes. Das durch die Quäker betriebene Walfangzentrum Nantucked und später die Walfangstadt New Bedford werden zu den reichsten Orten. Aufgrund der Expansion werden die Wale soweit dezimiert, dass die Industrie währen dem Bürgerkrieg zusammenbricht. Rund 250'000 Pottwale waren erlegt worden. Auf den Walfang folgen der Goldrausch im Westen und der Petroleumboom in Pennsylvannia.
Nach dem Bürgerkrieg nutzen die USA ihre Vorteile (fruchtbare Böden, keine unmittelbare Feinde, gewaltige Ressourcen und moderne Technologie wie Eisenbahn, Dampfmaschinen, riesiger Binnenmarkt, Landwirtschaftsmaschinen, Produktions- und Bergbautechniken), sodass sie ihre Rohstoffe nicht mehr exportieren, sondern selbst zum grössten Hersteller von Agrar- und Industrieprodukten werden. Bis zum ersten Weltkrieg steigern sie die Exporte um das Siebenfache; die Aussenpolitik konzentriert sich schon früh auf die Schaffung und Erhaltung von Absatzmärkten. Noch stärker als die Güter prägten die Kapitalabflüsse und -investitionen aus dem Handelsüberschuss mit Europa die politischen Beziehungen.
Nicht nur in Europa sind die USA präsent. So nehmen US-Delegierte zum Erstaunen aller an der Kongo-Konferenz 1884-85 in Berlin teil und setzen sich für den Freihandel ein, ohne dass das resultierende Abkommen dann von den USA ratifiziert wird. Mit der Besetzung der Philippinen 1898 werden die USA zu einer asiatischen Kolonialmacht und verlangen 1899, als sie sich mit 2500 Soldaten an der internationalen Interventionstruppe in China beteiligen, auch ein Mitspracherecht in China. 1902 schreibt der britische Journalist W.T.Stead ein Buch über die ‚Amerikanisierung der Welt'.

Quellen: Kessler (2010), Kennedy (1987).


Die Entstehung der Mafia   top

Nach 1812 wurde der Feudalismus in Sizilien nach und nach gesetzlich abgeschafft. Da die Landadeligen und Feudalherren die Bauern nicht mehr zur Arbeit zwingen konnten, verpachteten sie ihre Latifundien an skrupellose Dorfhonoratioren, die die Bauern notfalls mit Schlägertruppen auf die Felder treiben. Gegen die Franzosen entstand eine Untergrundbewegung in Form einer Geheimgesellschaft, die mit dem Slogan "Morte Alla Francia Italia Anela!" Aufstände anzettelt. Mithilfe der Bauern können die Truppen Garibaldis 1860 die Bourbonen stürzen und Sizilien wird ein Teil des Königreiches Italien. Aber statt der ersehnten Freiheit von den parasitären Landbesitzern folgen nach der Proklamation des italienischen Nationalstaates die Truppen und Polizisten der Bourgoisie aus dem Norden und beuten den Süden wie eine Kolonie aus. Politisch bleibt jedoch ein Vakuum, in dem lokale Herrscher sich durchsetzen können. 1865 schliessen sich die sizilianischen Grossgrundbesitzer zu einer grossen Geheimgesellschaft, der "onorata società", zusammen. Mitglieder dieser "Ehrenwerten Gesellschaft" erobern die Kontrolle der Stadtregierungen und des Managements der Fabriken. Um 1900 gibt es im westlichen Drittel der Insel kaum eine Ecke, die sich dem Einfluss der Mafia entzieht. Der Begriff "Mafia" wird 1865 das erste Mal von einer Strafverfolgungsbehörde für Gruppen von kleinen Hehlern und Organisatoren von Verbrechen verwendet. Bald darauf wird er nur noch auf kriminelle Vereinigungen bezogen, die von einem Boss geleitet werden und über Klientel-Beziehungen ihre Umwelt beherrschen. Diese Mafiosi mit ihren Schlägertruppen hatten nie die Absicht, die Bauern und Kleingewerbler gegen Unterdrücker zu verteidigen, sondern sie wollten sie selbst ausbeuten. Das insulare Misstrauen gegen die italienische Staatsautorität hat allerdings zu einem gewissen Schutz mafioser Geschäfte durch manche Bevölkerungsgruppen geführt. Obwohl es einen capo di tutti capi gibt, um 1900 ist dies Don Vito Cascio Ferro, der bei Interessenkonflikten und Streitigkeiten oberste Autorität geniesst, bleiben die Mafiosi lokale Herrscher.

Während es in Sizilien nie eine einheitliche Organisation mit Zentralleitung gibt, hat sich in Neapel ein uniformes, straff hierarchisches Stadt-Gangstertum entwickelt. Im Unterschied zur Mafia besetzen Camorra-Bosse keine hohen politischen Positionen und können jederzeit ausgewechselt werden. Bei der Mafia steht die Familie im Vordergrund; dagegen rekrutiert die 'ndrangheta in Kalabrien ihre Mitglieder aus den untersten Schichten, die gegenüber sozialrevolutionären Ideen viel aufgeschlossener sind. Ihre kriminellen Tätigkeiten liegen im Agrarsektor (Schutzgelderpressung für Plantagen, Beherrschung der grünen Märkte) und im politischen Bereich (Wahlstimmenbeschaffung und Einschüchterung von Gegnern) und haben durchaus auch gewerkschaftliche Aspekte. Der Widerstand des von Fremdherrschaft gezeichneten Südens gegen die Zentralregierung und die damit verbundene Schwäche der staatlichen Institutionen eröffnen jenes Machtvakuum, in dem das Briganten-Gangstertum und die organisierte Kriminalität entstehen können.

Quellen: Raith: 48-82, Davis (1994): 20-22, Best: 2.


April 1865: Die Ermordung von Abraham Lincoln und die Gründung des Secret Service   top

Präsident Abraham Lincoln wird vom 21jährigen Schauspieler John Wilkes Booth, einem angeblich verrückten Rassisten, am 14.4.1865 ermordet. Gleichzeitig mit Lincoln werden zwei seiner Kabinettsmitglieder an verschiedenen Orten in Washington angegriffen. Die Motive des Täters und der Tathergang bleiben im Dunkeln, wichtige Beweismaterialien verschwinden, und Booth wird später im Gefängnis umgebracht. Offiziell wollen Booth und seine Komplizen die Abschaffung der Sklaverei verhindern. Vor dem Bürgerkrieg gab es in den USA als letztem modernen Staat der Welt 4 Mio. Sklaven, deren Arbeit die Grundlage des Reichtums und der Macht der USA und der Handelsmächte bildet. Etwa eine halbe Million Afrikaner wurden im 17. und 18. Jahrhundert nach Nordamerika verschleppt. 1808 verboten die USA die Einfuhr von Sklaven, doch insgeheim wurde sie fortgesetzt. 1861 waren von den etwa 9,5 Mio. Einwohnern der abtrünnigen Südstaaten 3,5 Mio. Sklaven. Bei seinem Amtsantritt am 4.3.61 verspricht Lincoln, sich nicht in die Sklavenfrage der Südstaaten einzumischen. Diese nehmen am 12.4.61 das Fort Sumter in South Carolina unter Beschluss, das die Dominanz des Nordens symbolisiert. Die Union erlebt in der ersten Phase des Bürgerkriegs überwiegend Niederlagen, weshalb Lincoln der Union mit dem Emanzipationsedikt eine moralische Überlegenheit verschafft. Indem er die Abschaffung der Sklaverei zum Kriegsziel erklärt, lenkt er vom Machterhalt des industrialisierten Nordostens ab. Die britische Oberschicht und die Textilindustrie können sich nun nicht mehr auf die Seite der Südstaaten schlagen, weil sie sonst als Verteidiger der Sklaverei gelten würden. Zudem flüchten in der Folge Hunderttausende Sklaven zu den Unionstruppen, was die Wirtschaft des Südens empfindlich schädigt, denn in den Armeen der Union kämpfen 200'000 bewaffnete Afroamerikaner in gesonderten Regimentern, und weitere 250'000 sind als Hilfskräfte in den rückwärtigen Diensten tätig. "Wenn ich die Union retten könnte, ohne einen einzigen Sklaven zu befreien, würde ich es tun", schreibt Lincoln 1862. Die befreiten Sklaven möchte er jedoch "im Ausland" ansiedeln. Erst kurz vor dem Ende des Kriegs, den der Norden aufgrund der technischen Überlegenheit gewinnt, will er den "sehr intelligenten Negern" das Wahlrecht zugestehen. 620'000 Soldaten und 50'000 Zivilisten kommen im sinnlosen Bürgerkrieg ums Leben.
Nach der Niederlage des Südens sind die Sklaven zwar frei, doch zu der von ihnen erhofften Bodenreform und Aufteilung der grossen Plantagen kommt es nicht. Die meisten Südstaaten verabschieden sofort Gesetze, die die Unterdrückung der ehemaligen Sklaven erlauben. Zudem werden sie durch Pogrome des Ku-Klux-Klan eingeschüchtert. Die Terrororganisation wird 1869 verboten, besteht aber aber im Untergrund weiter. 1877 zieht der Norden seine Truppen aus den Südstaaten zurück, worauf ein System der Rassentrennung installiert wird, das bis in die 1960er Jahre existiert.
Booth ist Mitglied der katholischen Knights of the Golden Circle. Dieser katholische Laienorden ist "committed to the preservation of slavery in the lands bordering the Caribbean Sea--the so-called 'Golden Circle'." Im März 1865 wird Booth, der sich in Washington öfters mit Jesuiten trifft, vom Erzbischof Spaulding von Baltimore zum römisch-katholischen Christen geweiht. Der Südstaatenführer Jefferson Davis wurde vom Papst Pius IX als neuer Präsident anerkannt, was erst den Bürgerkrieg möglich machte. Aufgrund ihrer aggressiven politischen Interventionen werden die Jesuiten in vielen Ländern verboten: 1757 und 1834 in Portugal, 1747 in Österreich, 1786 in Russland, 1820, 1835 und 1868 in Spanien, 1848 in der Schweiz, 1872 in Deutschland und Guatamala, 1873 in Mexico, 1874 in Brazil, 1875 in Equador und Kolumbien, 1880 und 1901 in Frankreich und 1884 in Costa Rica. Die Päpste Clemens XIII und Clemens XIV, die versuchten, den Jesuitenorden aufzulösen, wurden 1769 bzw. 1774 ermordet. Aufgrund der Kontakte Booths mit katholischen Priestern wird vermutet, dass die Jesuiten unter Kardinal Giacomo Antonelli hinter dem Attentat stecken. Weitere Argumente: Lincoln soll die Einführung einer massiven Alkoholsteuer zur Kriegsfinanzierung geplant haben. 25% des Alkohols wird von den katholischen Klöstern hergestellt.
Die Sklavenfrage und die Alkoholsteuer sind jedoch false flags: Lincoln stellt sich gegen die von Rothschild beherrschte Finanzaristokratie, indem er sich weigert, Wucherzinsen von bis zu 30% zur Finanzierung des Bürgerkriegs zu bezahlen. Stattdessen lanciert er 1862 mit dem Greenback den staatlichen Dollar, für den keine Zinsen an die Privatbanken bezahlt werden müssen. Diese überlegene Form der Kriegsfinanzierung ist entscheidend für den Sieg über die Südstaaten. Zudem verfolgt er eine protektionistische Politik, die den Einfluss Englands zu untergraben droht. Obwohl keine Beweise für eine Verbindung der Bankkreise zu Booth vorgelegt werden können, gelten die Banker als Auftraggeber des Präsidentenmords..
Booth rekrutiert Samuel Arnold, George Atzerodt, David Herold, Michael O'Laughlen, Lewis Powell und John Surratt für die Durchführung des Attentats. Der Polizist John Frederick Parker, der den Präsidenten bewachen soll, befindet sich während der Aufführung des Theaterstücks im Wirtshaus. Während Booth den Präsidenten im Theater erschiesst, kann Powell den Aussenminister William H. Seward nur verwunden. Atzerodt, der den Vizepräsidenten Andrew Johnson ermorden soll, bekommt Angst und flieht. Michael O'Laughlin kann General Grant ebenfalls nicht ermorden, weil dieser seine Pläne geändert hat. Lincolns Ermordung wird oft als Vorlage für das Kennedy-Attentat verstanden. Trotz grosser Differenzen werden viele fragwürdige Parallelen zwischen den beiden Attentaten gezogen.

Im gleichen Jahr wird der Secret Service zur Verfolgung von Falschgeldherstellern gegründet, weshalb er dem Finanzministerium untersteht. Obwohl schon am 10.1.1835 ein bewaffneter Angriff auf Präsident Andrew Jackson missglückte, wird erst 1881, nach dem Anschlag auf Präsident James A. Garfield, eine Polizeibewachung des Weissen Hauses organisiert. Secret Service-Agenten übernehmen Begleitschutzaufgaben, als Präsident Grover Cleveland 1884 Morddrohungen erhält. Und erst nach der Ermordung von Präsident William McKinley am 6.9.1901 verfügt der Kongress einen Vollzeitschutz durch den Secret Service. Nach einem Mordversuch an Harry S. Truman 1951 wird der Begleitschutz auch auf Familienangehörige und den Vizepräsidenten ausgedehnt.

Quellen: Scott (1993): 295, Marrs: 240f.


Immigration in die USA   top

Während dem 19. und 20. Jahrhundert emigrieren über eine Million Sizilianer in die USA. Die italienischen und sizilianischen Einwanderer haben das organisierte Verbrechen nicht als erste in die USA gebracht. Es gibt bereits irische und jüdische Gangster, die sich organisieren. Die Iren haben kein Sprachproblem und alliieren sich mit den Politikern, für die sie Wähler einschüchtern oder gegnerische Wahlveranstaltungen stören.

Die Sizilianer spezialisieren sich zuerst auf die Erpressung ihrer Landsleute und auf Falschgeldherstellung. In Louisiana formieren sich 1869 vier von der italienischen Polizei aus Palermo ausgewiesene Banditen zu einem Bund, den sie "Stoppagherra Society" nennen und der eine Art Kolonie der sizilianischen Mafia darstellt. Kurz nach dem Bürgerkrieg organisiert der Sohn eines sizilianischen Einwanderers, Joseph Macheca, die erste Familie in New Orleans, die mehrheitlich im Hafen aktiv ist. Der sizilianische Mafioso Giuseppe Esposito flüchtet nach der Ermordung seines Bosses De Leoni nach New Orleans und versucht als "Radzo" den Lokalboss Tony Labruzzo zu entmachten. Dieser schaltet die Polizisten Mike und David Hennessy ein, worauf Esposito verhaftet und nach Italien abgeschoben wird. Labruzzo wird daraufhin von Giuliano Ardotta umgebracht, und auch Mike Hennessy wird erschossen. Ende der 80er Jahre entwickelt sich die Organisation zur ersten voll organisierten Verbrecherfamilie in den USA. An ihrer Spitze stehen als Nachfolger Machecas die Brüder Charles und Tony Matranza, die mit etwa 300 Mitgliedern den French Market für die Standard Fruit Company kontrollieren und die Werften und Kais der gegnerischen Provenzanos ebenfalls unterjochen wollen. David Hennessy, alliiert mit den neapolitanischen Provenzanos, schaltet sich in den entstehenden Krieg ein und wird am 15.10.1890 umgebracht. 19 Mitglieder der Matranza-Bande werden angeklagt, aber dank Todesdrohungen und Bestechungen freigesprochen. Die erzürnte Bevölkerung stürmt unter der Führung von William S. Parkinson das Gefängnis und lyncht 11 der Mobster. Nachfolger der Matranzas wird Sam "Silver Dollar" Carolla, der die Kontrolle der Territorien der Provenzanos sichert.

Zwischen 1890 und 1920 kommen insgesamt mehr als 18 Millionen neue Bürger in die Vereinigten Staaten, darunter sehr viele Kinder, die durch öffentliche Bildung integriert werden müssen. Als das Stück des jüdischen Autors Israel Zangwill 'The Melting Pot' 1908 in Washington Premiere hat, befinden sich die Vereinigten Staaten mitten in der grössten Einwanderungswelle, die das Land je erlebt hat. Die Metapher des "Schmelztiegels" verweist auf eine Ideologie, weil die Schranken zwischen den verschiedenen Ethnien trotz den Anstrengungen des Schulwesens bestehen bleiben. Alle Einwanderergruppen bringen kriminelle Organisationen hervor. Beispielsweise sind die Banden von Jesse Woodson James in den Südstaaten Anglo-Saxen.

In Pennsylvania formen Stefano LaTorre und Santo Volpe "The Men of Montedoro", da um die hundert Familien aus diesem sizilianischen Ort stammen. Ihr Einfluss auf die Kohleminenarbeiter führt zur ersten Kontrolle einer Gewerkschaft, der United Mine Workers.
In Chicago werden nach sozialistischen Agitationen auf dem Haymarket und einer Verschwörung des Managements vier Gewerkschaftsführer zum Tod verurteilt und am 1.5.86 gehängt. Dieser Tag wird seither jedes Jahr als Gewerkschaftstag begangen. Ende des Jahrhunderts entstehen die irische Organisation unter Charles Dion O'Bannion und sizilianische und italienische Gangs wie die "Camoras", die "Secret Hands" oder die "Mysterious Hands", die ihre Landsleute terrorisieren und erpressen. Die bekannteste Gang wird die sizilianische "Black Hands". Deren Chef ist ab 1905 Diamond Joe Esposito, der dank seiner Korruptionstaktik und seinen Beziehungen zur Politik zum Boss aufsteigt. Der zweite wichtige Mann ist Big Jim Colosimo, der seine Karriere bei einer Puffmutter begann und nun die Prostitution kontrolliert. Die zunehmende Konkurrenz der Gangs führt zu Kämpfen und erfordert immer wieder Verstärkung: Esposito lässt die Genna-Brüder aus Sizilien kommen, Colosimo wird Johnny Torrio aus New York holen, und die lokalen Gangs von jungen Kriminellen werden rekrutiert.
Die sizilianischen Immigranten in New York lassen sich mehrheitlich in Harlem, die neapolitanischen vor allem auf der Lower East Side nieder. Die Sizilianer Ignazio Lupo Saietta und Giuseppe Morello rekrutieren aus diesen Quartieren die Mitglieder ihrer Gang, die um die Jahrhundertwende die grösste der Stadt sein wird. Der einfingrige Morello aus Corleone kämpft sich zum ersten grossen Boss in der neuen Welt durch. Auch in New York gibt es eine "Black Hand", in die sich der Polizeileutnant Joseph Petrosino infiltrieren kann. Als er die Polizeiarbeit gegen die Mafia mit italienischen Fahndern koordinieren will, wird er in Sizilien angeblich von Don Vito Cascio Ferro persönlich ermordet. Bekannt sind auch die "Five Points" und die "James Street Gang" von Johnny Torrio, dem Neffen von Colosimo. Die Politik von New York City wird durch die Tammany Hall, ein ämterverteilender Wahlapparat der Demokratischen Partei, beherrscht. Irische und dann auch jüdische Gangster schmieren die Politiker der Tammany Hall, stellen ihnen die Wahlhelfer und Schläger zur Verfügung, damit sie von Polizei und Justiz in Ruhe gelassen werden. Nach bewaffneten Strassenschlachten im August 1903 zwischen der 1200 Mann starken jüdischen Gang von Monk Eastman mit rivalisierenden Gangs greifen die Behörden ein, allerdings nicht, um die Gangs zu eliminieren, sondern nur, um einen Waffenstillstand zu vermitteln.

Quellen: Davis (1988): 20-28, Delorme: 17-33, Giancana: 28ff, Marrs: 157, Best, Dash.


Hegemonialpolitik der USA   top

Ab Ende der 1880er Jahre bauen die USA die Marine massiv und kontinuierlich aus und legen Stützpunkte in Hawai, Samoa, auf den Philippinen und in der Karibik an. Die Ausgaben für die Schlachtflotte steigen von 6.9% des Staatshaushalts 1890 ($22Mio.) auf 19% 1914 ($139 Mio.), womit sie bereits die drittgrösste der Welt ist. Um 1890 steigen die USA zur weltweit stärksten Nation auf. Der einzige Konkurrent der aufstrebenden USA auf dem amerikanischen Kontinent ist die Kolonialmacht Spanien, das seit dem 16. Jahrhundert Zentral- und Südamerika und die Philippinen beherrschte. Allerdings sind schon viele der Kolonien wie Venezuela, Mexiko und Argentinien unabhängig geworden, und nur Puerto Rico, Kuba, Guam und die Philippinen sind noch in spanischem Besitz. Die Interventionisten setzen sich gegen die Isolationisten durch und planen, die Karibik und den Pazifik dem amerikanischen Imperium einzuverleiben.

1893 beschliesst die Königin von Hawaii, den Einfluss der aus den USA seit 1820 eingewanderten Pflanzer und Missionare einzuschränken. Mit 250 Marinesoldaten organisieren die USA daraufhin einen Putsch, der die Monarchie abschafft und unter dem Deckmantel einer Republik eine amerikafreundliche Regierung einsetzt. Unter US-Präsident Ulysses S. Grant war 1875 bereits mit dem König von Hawaii ein "Vertrag auf Gegenseitigkeit" unterzeichnet worden, der das Königreich faktisch zu einem Protektorat der USA machte. Am 7.7.1898 beschliesst der USA-Kongress die Annexion des Inselstaats, den sie 1842 noch als unabhängigen Staat anerkannt hatten. Seit 1959 ist Hawaii offiziell der 50. US-Bundesstaat.

Die Depression im Winter 1893/94 brachte grosse Arbeitslosigkeit, gewalttätige Streiks in den Stahlwerken von Pennsylvania und den Kohlebergwerken von West Virginia. Der Aufruhr zwang die Oligarchen an der Ostküste, etwas zu finden, um den "Eiter aus dem anarchistischen, sozialistischen und populistischen Furunkel zu ziehen", wie ein Banker aus Philadelphia sich ausdrückt. Eine dritte Partei, die People's Party, hat sich im Mittelwesten gebildet und könnte die nächsten Wahlen gewinnen. Das Volk muss abgelenkt werden von der riesigen Kluft der angehäuften Vermögen der Eliten und der Verelendung der Bauern und des Mittelstandes.
Präsident William McKinley setzt auf einen aggressiven Patriotismus und die Idee eines amerikanischen Empire. Um einen Kriegsgrund zu haben, sprengen die USA am 15.2.98 ihren eigenen Panzerkreuzer USS Maine im Hafen von Havanna in die Luft, wobei 274 Menschen umkommen. Die Pressezaren Joseph Pulitzer von World und William Randolph Hearst vom New York Journal behaupten mehrere Wochen lang, die Spanier hätten eine Mine gelegt. McKinley untergräbt alle Versuche der Spanier zu verhandeln, sondern schickt die Marine. Innerhalb weniger Wochen kontrollieren die USA Kuba und Puerto Rico, das bis zur formalen Annexion von 1952 einem US-Gouverneur unterstellt wird. Am 1.5.1898 zerstört das US-Pazifikgeschwader unter dem Befehl von Kommandant George Dewey die spanische Flotte in der Bucht von Manila innerhalb von wenigen Stunden. Und am 21.6.1898 besetzen US-Truppen Guam, das bis heute zum ‚nichtinkorporierten Territorium' der USA gehört, wo die Andersen Air Force Base und der Marinestützpunkt für Atom-U-Boote im Hafen Apra ein Drittel der Fläche einnehmen.
Am 10.12.1898 muss Spanien Kuba, Puerto Rico und die Philippinen den USA abtreten, und die Identität der Amerikaner wird neu definiert. Der Journalist Marse Henry Waterson schreibt daraufhin: "Wir sind eine grosse, imperiale Republik, dazu bestimmt, einen kontrollierenden Einfluss auf die Handlungen der Menschheit auszuüben und die Zukunft der Welt zu formen, wie die Welt niemals geformt ward, nicht einmal durch das Römische Reich." Albert Beveridge, republikanischer Senator aus Indiana, rechtfertigt den US-Imperialismus in Asien in seiner Kongressrede 1900: "Geradewegs hinter den Philippinen liegen Chinas schier unermessliche Märkte. Wir werden unseren Teil in der Mission unserer von Gott geschützten Rasse bei der Zivilisierung der Erde beitragen. Wo werden wir die Abnehmer unserer Produkte finden? Die Philippinen geben uns einen Stützpunkt am Tor zum Osten." Und 1901: "Wir werden nicht klein beigeben im Auftrag, unserer Rasse, unter Gottes Wille weltweit als Treuhänderin der Zivilisation zu wirken, und wir werden mit unserem Werk weitermachen, ohne wie Sklaven, die zu ihrer Arbeit gepeitscht werden, unseren Schmerz herauszuschreien, sondern mit Dankbarkeit für ein Unternehmen, das unserer Kraft würdig ist, mit Dankbarkeit gegenüber dem allmächtigen Gott, dass er uns als sein auserwähltes Volk bezeichnet hat, das fortan seine Heilung der Welt anführen darf."

Die Unabhängigkeitsbewegungen unter José Marti auf Kuba und Emilio Aguinaldo auf den Philippinen, die gehofft hatten, dass die mächtigen USA sie in ihrem Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit unterstützen, sind bald enttäuscht. Kuba muss 1901 eine Verfassung übernehmen, die den USA das Recht auf Intervention und Landpacht für ökonomische und militärische Zwecke wie den Stützpunkt Guantanamo gestattet. Die USA dirigieren die Innenpolitik und intervenieren bei Widerstand militärisch: 1906, 1912 und 1917, wonach bis 1934 eine US-Militärverwaltung besteht.
Im dreijährigen Krieg gegen die philippinischen Rebellen sterben 4324 amerikanische Soldaten und etwa 20'000 philippinische Aufständische. Da 26 der 30 amerikanischen Generäle Veteranen der Indianerkriege sind, gibt es zahlreiche Massaker gegenüber Zivilisten, von den zwischen 250'000 und 1.Mio. umkommen (bei einer Bevölkerung von gut 6 Mio.). Die neue Kolonialmacht erprobt eine Reihe von Methoden der ‚Aufstandsbekämpfung', die später in Korea und Vietnam ausgebaut werden: von Nahrungsmittelblockaden bis hin zur Errichtung ‚strategischer Weiler'. Aufgrund dieser Kriegsführung bildet sich in den USA die Antiimperialistische Liga, deren Vizepräsident von 1901 bis zu seinem Tode 1910 der Schriftsteller Samuel Langhorne Clemens alias Mark Twain ist. 1902 werden die Philippinen eine von einem Generalgouverneur verwaltete US-Kolonie mit Englisch als Amtssprache, weshalb viele Englischlehrer ins Land gebracht werden. Allerdings dauert der Krieg im vorwiegend muslimisch geprägten und von ‚Moros' besiedelten Süden bis 1916 an, unter dem Kommando des als ‚Schlächter der Moros' bekannt gewordenen US-General John J. Pershing.
Auf Hawaii wird mit Pearl Harbor einer der grössten Stützpunkte eingerichtet, und auf einer der schönsten Inseln der Karibik, Vieques, testet das US-Militär an 200 Tagen im Jahr scharfe Bomben.

Das Muster für die Interventionen ist immer dasselbe. Die USA provozieren oder organisieren einen Überraschungsangriff, worauf eine inszenierte Empörung in der Presse folgt, bei der einzelne Figuren barbarische Züge bekommen, was dann zur Legitimation dient, die lang zuvor ausgearbeitete Angriffspläne umzusetzen. So läuft es beispielsweise bei der Belagerung der US-Gesandtschaft in Peking (1899) oder beim angeblichen Verrat von Emilio Aguinaldo in Manila 1899. Beim Feldzug auf den Philippinen massakrieren die Marines 200'000 Einwohner. Ähnlich auch der Überfall von Pancho Villa in New Mexiko 1916 (18 Tote), die japanischen Bomben auf das US-Kriegsschiff Panay 1938, der Einmarsch der chinesischen Armee in Nordkorea 1950, der Zwischenfall im Golf von Tonkin 1964, der Angriff der Kambodschaner auf die Mayaguez 1975, die Geiselnahme in Teheran 1979, die gefährdeten amerikanischen US-Soldaten auf Grenada oder bedrängten US-Soldaten in Panama 1989.

Wegen der Kontrolle der Häfen und der Hafengewerkschaften arbeiten die Import- und Exportfirmen, vor allem wenn sie mit schnellverderblichen Gütern handeln, mit der Mafia zusammen. In der Revolution von 1911 in Honduras spielt die Mafia von New Orleans eine führende Rolle. Dabei werden die europäischen Banken und Investoren zurückgedrängt und die US-Bananenfirmen bekommen freie Hand. Samuel Zemurray von der Cuyamel Banana Company, die später zur United Fruit gehört, finanziert den in einem Bordell von New Orleans geplanten Coup. Bereits 1903 und 1905 haben die USA die "Ordnung wiederhergestellt" und 1919 und 1924 erfolgen erneute militärische Interventionen.

Die Kooperation von US-Firmen, dem Militär, der Mafia und lokalen Herrschern bewährt sich in ganz Lateinamerika: Nach einer ersten Intervention 1853 machte sich der Amerikaner William Walker 1855 dank seiner Söldnerarmee zum Präsidenten von Nicaragua. 1857 und 1860 intervenieren die US-Marines erneut in Nicaragua. 1909 stürzten die Marines Präsident Zelaya und die USA besetzten das Land, wobei die Mafia ihre Zusammenarbeit mit den US-Firmen institutionalisiert. Nach der Intervention von 1912 wurde Adolfo Diaz an die Macht gesetzt, der den Amerikanern die Kontrolle des Finanzsystems Nicaraguas und den Bau einer Militärgarnison bei Managua erlaubte, wo die Marines bis 1925 blieben. 1914 erfolgte der Bryan-Chamorro-Vertrag, der den USA das exklusive Recht auf den Bau eines geplanten Kanals sicherte. Nachdem der US-Schützling Emiliano Chamorro sich an die Macht geputscht hat, greifen die Marines gegen die Unabhängigkeitsarmee von Augusto Cesar Sandino 1927 erneut ein und bauen die berüchtigte Nationalgarde auf, an deren Spitze Anastasia Somozo 1932 die Macht übernimmt.

1903 erweiterte Theodore Roosevelt die Monroe-Doktrin, indem die USA die Funktion der "Weltpolizei" übernehmen müsse bei einem "Fehlverhalten" eines Staates: "Ständiges Fehlverhalten oder die Unfähigkeit, die auf eine allgemeine Lockerung der Bande der zivilisierten Gesellschaft hinausläuft, können in Amerika, wie auch anderswo, am Ende das Eingreifen irgendeiner zivilisierten Nation erforderlich werden lassen." Da der kolumbianische Senat sich weigerte, die Nutzungsrechte des geplanten Kanals in der Provinz Panama den Amerikanern für hundert Jahre zu überlassen, organisierte Roosevelt die Revolution vom 3.11.1903 in der Provinz Panama: er schickte das Kriegsschiff Nashville mit Soldaten, die die Gebietsabtrennung erzwangen und eine Marionettenregierung einsetzen. Eine Invasion in der kolumbianischen Provinz war bereits 1860 erfolgt. Aufgrund der offensichtlichen Manipulation zahlt der US-Kongress 1921 den Kolumbianern eine Entschädigung von $25 Mio. Trotzdem erhält Panama 1926 faktisch den Status eines der von oligarchischen Diktatoren regiert und US-Firmen wie Standard Oil und United Fruit ausgebeutet wird. Präsident William Taft prophezeit 1912: "Die gesamte Hemisphäre wird uns gehören, da sie uns kraft der Überlegenheit unserer Rasse moralisch eigentlich schon jetzt gehört". In den nächsten 25 Jahren folgen 12 weitere Interventionen und 8 Invasionen. 1915 wird die Republik Haiti erstickt: Unter William B. Caperton landet ein Korps in Port-au-Prince und zwingt das Land, wie schon im Falle der Dominikanischen Republik 1907, die Militär-, Zivil- und Finanzverwaltung sowie das Zoll- und Steuersystem in die Hände der Amerikaner zu übergeben. Die Amerikaner befürchteten, das hoch verschuldete Land könnte seine Schuldenzahlungen einstellen. Bis 1934 halten die USA das Militärprotektorat aufrecht.

1921 wird mit einer US-Intervention Präsident Herrera in Guatemala gestürzt, der sich gegen die Expansionspläne der United Fruit stellt. 1923 werden Pläne für eine Föderalistische Republik von Guatemala, Honduras und El Salvador vereitelt. General Smedley D. Butler schreibt am 21.8.31 in der New York Times: "Ich half 1903, Honduras für die amerikanischen Fruchtfirmen zu öffnen. Ich half 1914 Mexico, und speziell Tampico, die Ölinteressen zu sichern. Ich half, aus Haiti und Kuba einen netten Platz zu machen, wo die Jungs von der National City Bank Geld verdienen können. Ich half ein halbes Dutzend zentralamerikanischen Republiken für die Wall Street weichzuklopfen. Ich half 1909-1912, Nicaragua für die internationale Bank Brown Brothers zu säubern. Ich öffnete die Dominikanische Republik 1916 für die amerikanischen Zuckerfirmen. In China beschützte ich Standard Oil. Rückblickend denke ich, dass ich Al Capone einige Tipps hätte geben können. Er betrieb seine Erpressungsgeschäfte in 3 Distrikten, ich arbeitete in drei Kontinenten." 1927 behauptet der amerikanische Botschafter in Paris, Myron Herrick: "Die Vereinigten Staaten gieren nicht nach Land. [...] Wer uns imperialistische Absichten unterstellt, kennt die Fakten nicht oder ist unaufrichtig." Nachdem die USA in ganz Lateinamerika totalitäre Militärregimes installiert haben, verkündet Präsident Franklin Roosevelt 1934 die "Politik der gutnachbarschaftlichen Beziehungen".

Quellen: Delorme: 17-33, CIA-Info: 15f, Davis (1988): 20-28, Best, Lemoine (2003), Ramonet (2003b), Lapham, Kinzer.


1913 Gründung des Federal Reserve Systems   top

1907 legt der Kongress die Rahmenbedingungen für ein neues Notenbanksystem auf privater Grundlage. Bereits 1791 war die erste private Nationalbank (First Bank oft he United States) nach dem Vorbild der Bank of England gegründet worden, um die Verschuldung aus dem Unabhängigkeitskrieg von 1775 bis 1783 abzubauen. Thomas Jefferson spricht sich schon damals dagegen aus: "Eine private Zentralbank, die Zahlungsmittel ausgibt, ist für die Freiheit der Menschen eine grössere Gefahr als eine stehende Armee." Trotzdem wird mit dem Coinage Act von 1792 ein privates Geldsystem eingeführt.
Ein privates Geldsystem gibt es in England seit 1666, als der Geldadel den free coinage act durchetzen konnte, der der Krone das alleinige Privileg der Münzprägung entzog. Als Gegengeschäft zu einem nicht zurückzahlbaren Darlehen über £1,2 Mio. erteilte Wilhelm 1694 das Recht zur Gründung einer Privatbank mit dem Namen Bank of England, die Banknoten als nationale Währung ausgeben darf. Das Recht zur Geldschöpfung aus dem Nichts und der Einforderung von Zinsen für dieses Geld machte nicht nur die Protagonisten, zu denen Charles Montague gehörte, unermesslich reich, sondern förderte auch die Expansion Englands zum weltumspannenden Empire, da die Profite neue Investitieitonsmöglichkeiten suchen. Ab 1751 verwaltete die Bank of England, der Eigentümer immer geheim sind, die Staatskassen, womit sich der Geldadel uneingeschränkt bedienen konnte. Mit dem Bankencrash von 1825/26 gelingt es Nathan Mayer Rothschild, die Bank of England unter seine Kontrolle zu bringen. Er gilt bei seinem Tod 1836 als erster Milliardär (in Pfund). Die 1844 eingeführte Golddeckung der Währung stärkte die Position der Rothschilds, weil sie den internationalen Goldmarkt beherrschen. Während die Ausgabe der Banknoten nun geregelt ist, gibt es keine staatliche Beschränkung der Bankabteilung der Bank of England. Schon früh bauen die Rothschilds Verbindungen in die USA aufgebaut, etwa zu Alexander Brown, der 1801 die Bank Brown Brothers in New York gründet.

Nachdem die US-Regierung ihren 20%-Anteil der First Bank oft the United States an die Londoner Bankiers abtreten musste, um die Schulden zu bezahlen, verweigert der Kongress deren Lizenz als Notenbank. Wie von Rothschild angedroht überfallen englische Truppen 1812 aus Kanada die ehemaligen Kolonien, wobei der Krieg 1814 ohne Sieger endet. Um den Krieg zu finanzieren, erhalten die Banken erneut das Geldschöpfungsprivileg, und die Second Bank of the United States erhält 1816 eine 20jährige Lizenz als private Notenbank. Der 1832 gewählte Demokrat Andrew Jackson versucht die Erneuerung der Lizenz zu verhindern und entgeht am 30.1.35 knapp einem Mordanschlag. Bei der Liquidierung der Bank 1836 stellt sich heraus, dass Baron James de Rothschild aus Paris der Hauptaktionär ist. 1837 stösst die Bank von England an einem einzigen Tag alle ihre US-Wertpapiere ab, worauf es zur Panik an den Börsen kommt. Trotz weiterer von Rothschild inszenierten Krisen bleiben Demokraten und Republikaner standhaft. Präsident Abraham Lincoln ist nicht bereit, die Wucherzinsen von bis zu 30% zur Finanzierung des Bürgerkriegs zu bezahlen und lässt einen auf der Rückseite grün bedruckten staatlichen Dollar drucken. Unmittelbar nach dem Sieg über die Südstaaten wird Lincoln am 15.4.65 ermordet, und die National-Banken emittieren wieder Dollars, die von den anderen Banken akzeptiert werden müssen. Präsident James A. Garfield will 1881 wieder den staatlichen Dollar einführen, wird aber nach nur 100 Tagen im Amt ermordet. Präsident Roosevelt setzt 1901 die Auflösung der Monopole und Regulierungen für die Eisenbahnen durch. Im Folgejahr übersiedelt Paul Warburg nach New York, um zusammen mit John Pierpont Morgan, Jacob Schiff und den Rockefellers an der Einführung einer neuen Zentralbank zu arbeiten.J.P. Morgan baute sich durch Übernahmen ein Holdingsystem auf, in dessen Zentrum seine Privatbank steht. Neben seinen Regionalbanken kontrolliert er zusammen mit George F. Baker die National City Bank, die damals grösste Bank. Zudem expandiert er in den Branchen Eisenbahnen, Schifffahrt, Telekommunikation und Elektroindustrie. 1901 kontrolliert er die Hälfte des Eisenbahnnetzes und zwei Drittel der Stahlproduktion, nachdem er Andrew Carnegies Stahlunternehmen für $480 Mio. aufkaufte. Sein Einfluss zeigt daran, dass 1929 die Manager seiner 6 Banken und anderen Firmen in 104 anderen Banken 208 Aufsichtsrats- und Direktorenposten, in 569 Holdings 618, in 360 Industrieunternehmen 423, 142 Versicherungsgesellschaften 178, in 234 Transportunternehmen 283 und in 266 öffentlichen Körperschaften 315 Spitzenposten innehaben.
1907 inszenieren die Banken eine Geldverknappung, die zu einer Baisse und am 22.10.07 zu einem Börsencrash führt. Die Kongresskommission unter Nelson W. Aldrich, Geschäftspartner von Morgan und Schwiegervater von John D. Rockefeller jr., schlägt danach die Errichtung einer Zentralbank vor. Damit legt der Kongress die Rahmenbedingungen für ein neues Notenbanksystem auf privater Grundlage fest.

1911 kauft John D. Rockefeller die Equitable Trust Company, die in den 20er Jahren andere Banken übernimmt. 1930 wird Winthrop Aldrich, ebenfalls ein Schwager von John D. Rockefeller jr., Präsident und kauft die Chase National Bank, der Namen die neue Bank behält, die dann von David Rockefeller geleitet und zur Hoding Chase Manhattan Corp. ausgebaut wird. 1913 gründet John D. Rockefeller auch seine Stiftung, nachdem er durchsetzen konnte, dass Schenkungen an wohltätige Stiftungen von der Einkommensteuer abgezogen werden können. Heute genügt die Spende von 5% des Einkommens, um sich die Einkommenssteuer zu sparen und als Philanthropen zu profilieren.

1910 treffen sich die Chefs der grössten Banken auf der Jekyll Island auf dem Gut von J.P. Morgan und schreiben den Gesetzesentwurf: Nelson Aldrich, Henry P. Davison (Grossaktonär der J.P. Morgan), Charles D. Norton (Präsident der First National Bank of New York) und Benjamin Strong (Vorstand von Morgan's Bankers Trust), Frank A. Vanderlip (Präsident der National City Bank of New York), Paul Warburg als Vertreter von Rothschilds Kuhn, Loeb and Co. und Abram Piatt Andrew (Ministerialdirektor des Finanzministeriums und Direktor der nationalen Währungskommission). Im ersten Anlauf 1912 scheitert das von Aldrich im Kongress lobbyierte Gesetz. Daher nutzen die Banker die anstehenden Wahlen: Präsidentschaftskandidat Woodrow Wilson unterschreibt das Gesetz bereits vor seiner Wahl, für die er dann von den Grossbanken finanziell massiv unterstützt wird, obwohl er sich im Wahlkampf als Gegner von Wall Street ausgibt. Zwei Tage vor Weihnachten 1913, als die meisten Abgeordneten bereits nach Hause gefahren sind, wird das Gesetz durchgedrückt. Im Federal Reserve Board, in dem der Staat keine Aktien halten darf, sitzen die Bosse von Rockefeller und Rothschild, J.P. Morgan, Lazard Freres, Schoellkopf, Kuhn-Loeb, die Warburgs, Lehman Brothers und Goldman Sachs. Kein Senator oder Abgeordneter darf Mitglied des Federal Reserve-Gremiums oder ein Offizier oder Direktor der Federal Reserve Bank sein. Die Banker schlagen jeweils eine Liste von Kandidaten für das Direktorium vor, aus denen der Präsident auswählen darf. Da das Federal Reserve Board den amerikanischen Grossbanken gehört, können diese sich über ihre eigene ‚Bank' nicht nur neues Geld zuschreiben lassen, sondern die USA müssen für die Verwendung des Geldes sogar Zinsen bezahlen. Zudem bekommen die Federal Reserve Banken für ihre Beteiligung eine fixe Dividende von 6%. Im Übrigen hat der Kongress keine Kontrolle über die Goldbestände, mit denen das FED die Währung absichert. Die Kreditschöpfung wird den Geschäftsbanken zugeschrieben: Wenn die Bank einen Kredit vergibt, wird das Geld auf dem Kontokorrentkonto des Kreditnehmers als Einlage gutgeschrieben, was Betrug ist. Der gleiche Betrag wird auf dem Darlehenskonto des Kunden als Schuld vermerkt. Da das FED ebenfalls aus Privatbanken besteht, können diese unbeschränkt Geld produzieren und den Leitzins festlegen. Damit lassen sich auch problemlos die kommenden Krieg der USA finanzieren.
Wilson schreibt später voller Bedauern: ""[Unsere] grossartige Industrienation wird jetzt von ihrem Kreditsystem kontrolliert. Unser Kreditsystem ist privat konzentriert. Deshalb liegen das Wachstum der Nation und all unsere Aktivitäten in den Händen weniger Männer […], die zwangsläufig durch ihre eigenen Beschränkungen wahre ökonomische Freiheit einschränken, kontrollieren und zerstören. Wir wurden so eines der am schlechtesten regierten, meist kontrollierten und beherrschten Länder der zivilisierten Welt - wir haben keine Regierung der freien Meinung mehr, keine Regierung der Überzeugungen und der mehrheitsentscheide mehr, sondern vielmehr eine Regierung der Ansichten und Nötigungen einer kleinen Gruppe dominanter Männer." Der Abgeordnete Louis McFadden analysiert: "Hier wurde ein Weltbankensystem erschaffen, ein durch internationale Bankiers kontrollierter Superstaat. Sie arbeiten zusammen, um die Welt nach ihrem Belieben zu versklaven, die FED hat sich widerrechtlich der Regierung bemächtigt."

Im Juni 1963 versucht Kennedy, die Macht des Federal Reserve Boards zu brechen, indem er eigene US States-Banknoten drucken lässt. Nach seiner Ermordung wird dieses Geld jedoch sofort wieder aus dem Verkehr gezogen.
Richter Martin Vincent Mahoney entscheidet am 9.12.68, dass Rechtsanwalt Jerome Daly die Hypothekraten seines Hauses nicht mehr bedienen müsse, weil die Hypothk als Luftgeld bestehe. Vier Tage später stirbt der Richter unter nicht geklärten Umständen, und das Urteil wird aufgehoben, weil der Richter für einen solchen Fall nicht zuständig sei.


1917: Erster Weltkrieg: Bush, Harriman und Walker   top

Der Untergang des britischen Ozeanriesen Lusitania vor der Südküste Englands im Mai 1915 liefert Woodrow Wilson den Vorwand, Frankreich und England gegen Deutschland zu unterstützen. Torpedos eines deutschen U-Bootes versenkten das Schiff, wobei 1198 Menschen umkamen (davon 128 Amerikaner). Deutschland behauptet, die Lusitania sei kein ziviles Handelsschiff, sondern ein Kriegsschiff gewesen und habe Geschütze und Munition aus den USA nach England transportiert. Ein Geheimpapier belegt, dass 1248 Kästen mit 7,5-Zentimeter-Granaten, 4927 Kisten mit Gewehrpatronen und 2000 Kisten mit weiterer Munition für Handfeuerwaffen an Bord waren. Die amerikanische Presse heizt die Stimmung an, indem behauptet wird, belgische Nonnen würden von den Deutschen über glühenden Kohlen geröstet. Frankreich kann den Krieg gegen Deutschland nur führen, weil Grossbritannien und die USA permanent Kohle, Eisen, Stahl, Werkzeumaschinen, Waffen, Munition und Lebensmittel liefern. Nicht nur Frankreich, sondern auch Grossbritannien wird zunehmend von den Lieferungen und vor allem auch den Krediten der USA abhängig.
Die Enthüllung des geheimen deutschen Allianzangebots an Mexico (Zimmermann-Depesche) erlaubt Wilson, im April 1917 die Kriegserklärung im Kongress durchzubringen. Allerdings bleibt die Kriegserklärung für ein Jahr, während dess aufgerüstet wird, militärisch praktisch folgenlos. Erst als die europäischen Staaten ausgeblutet sind, intervenieren die USA.
Der Krieg erlaubt den USA, die Weltmachtstellung der Engländer zu übernehmen, was Wilson etwas anders begründet: "Amerika hat das unendliche Privileg, seine Bestimmung zu erfüllen und die Welt zu retten."

Der erste Weltkrieg eröffnet ungeahnte Verdienstmöglichkeiten für Börsenspekulanten wie J. P. Morgan oder Edward H. Harriman, der 1898 mit Krediten von William Rockefeller, Otto Kahn, Jacob Schiff und Felix Warburg die Kontrolle der Union Pacific Railroad übernommen hatte. Der Bruder von John D. Rockefeller besitzt die National City Bank (später City Bank), die die Waffenindustrie für den Krieg reorganisierte. Percy A. Rockefeller übernahm die Kontrolle der Remington Arms Company, die die USA, England und Russland mit Maschinengewehren, automatischen Pistolen und Munition beliefert. Die Gesamtkosten des Weltkriegs belaufen sich auf $260 Mia. und fordern (inklusive der Spanischen Grippe) etwa 60 Mio. Menschenleben. 1918 sind die Vereinigten Staaten die stärkste Macht der Welt), während das Wachstum der europäischen Wirtschaften um etwa acht Jahre zurückgeworfen wurde. Aufgrund der massiven Verschuldung gegenüber den USA gelingt es den Briten nicht, London als Handels- und Finanzzentrum zu erhalten, und Wallstreet übernimmt die Führungsrolle. Einer der 14 Punkte Wilsons sieht sieht die Schaffung des Völkerbundes vor, dessen Satzung am 28.4.19 von der Vollversammlung der Friedenskonferenz von Versailles (inklusive der Monroe-Doktrin) angenommen wird. Der US-Senat will sich allerdings nicht durch eine übergeordnete Instanz einschränken lassen und ratifiziert den Vertrag nie, und die Sowjetunion wird draussen gehalten.

Prescotts Vater Samuel P. Bush, Präsident der Buckeye Steel Castings, wird 1918 dank Harriman direkt dem Direktor der staatlichen Waffenbeschaffung unterstellt und nützt diese Position für die Rüstungsfirma Remington. 1934 beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss des Senats mit den Machenschaften des als ‚Merchant of Death' bezeichneten Waffendealers im 1. Weltkrieg. Zudem ist Samuel Bush Präsident der Federal Reserve Bank von Cleveland und Berater des Präsidenten Herbert Hoover.
Zusammen mit seinem Freund E. Roland Harriman wurde Prescott Bush 1916 in die rassistische Yale-Geheimgesellschaft Skull & Bones aufgenommen. Der exklusivste von rund einem Dutzend Geheimbünden der Ivy-League nimmt jedes Jahr nur 15 Mitglieder auf. Zur Ivy-League gehören acht Eliteuniversitäten im Nordosten der USA: Brown University, Columbia University, Cornell University, Darmouth College, Harvard, Princeton, University of Pennsylvania und Yale (Ivy Plus unfasst noch das Massachusetts Institut of Technology und die Stanford University). Der Zugang zu diesen Universitäten gelingt fast nur nach dem Besuch teurer Privatschulen wie der Phillips Academy (die die Bushs besuchten), der ‚legacy' (der Vater und der Grossvater haben bereits an dieser Uni studiert) und der Spendenzahlung. Harvard ist mit einem Fond von $22 Mia. die reichste Universität, gefolgt von Princeton und Yale mit je etwa der Hälfte. Die S&B wurde 1832 gegründet und umfasst heute 800 Mitglieder. In Harvard ist es der Porcellian Club und in Princeton der Ivy-Club, die das Old-Boy-Network und damit das rigide Klassensystem der USA reproduzieren. Die Mitglieder dieser Aristokratie schanzen sich die obersten Stellen im Staat (in den Gerichten, im Kongress, der CIA und der Regierung) und in der Wirtschaft (in den Anwaltskanzleien und den Konzernen) zu.

George Herbert Walker baut 1919 die Privatbank W.A. Harriman & Co mit auf, an der unter anderem Percy Rockefeller als Direktor mitbeteiligt ist. Averell Harriman bekommt nach monatelangem Taktieren unter nie veröffentlichten Konditionen die von den USA am Ende des ersten Weltkriegs konfiszierten Dampfschiffe der Hamburg-Amerika-Linie, was ihm das Monopol für die nächsten 20 Jahre sichert. Die W.A. Harriman fusioniert mit der Privatbank Morton & Co. und verschafft sich 1922 über die Warburg-Bank den Zugang zur deutschen Schwerindustrie und zu russischen Ölkonzessionen. Für Fritz Thyssen gründet Harriman 1924 die Union Banking Corporation (UBC), die eine Tarnfirma für die Bank voor Handel en Scheepvaart in Rotterdam ist, die zu 100% von Thyssen kontrolliert wird. Thyssen wird zu einem der wichtigsten Geldgeber Hitlers bis 1938, als er sich nach dem Novemberprogrom mit Hitler überwirft und aus Deutschland flieht. 1921 heiratet Prescott Bush Walkers Tochter Dorothy und wird 1926 Vizepräsident der W.A. Harriman Bank. Als Geschäftsführer der Union Banking Corp. und der Hamburg-Amerika-Linie wird Bonesman Bush einer der wichtigsten Unterstützer der Nazis.
Nach der Fusion mit dem Bankhaus Brown Brothers 1931 wird die Brown Brothers Harriman zur grössten und politisch einflussreichsten Privatbank Amerikas, und Averell Harriman berät in Sachen Finanzen insgesamt 6 US-Präsidenten. Er finanziert als Partner von Prescott Bush über die Union Banking nicht nur die Nazis, sondern mit seiner Garanty Trust Company auch die Aufrüstung der Sowjetunion.Die UBC ist sehr erfolgreich und erwirbt laut Schätzung amerikanischer Ermittler zwischen 1931 und 1933 Gold über $8 Mio., von dem über die Hälfte nach Deutschland exportiert wird, weshalb es zu Beschlagnahmungen durch die US Alien Property Custodian kommt.

Quellen: Tarpley/ Chaitkin: 13-20, Bröckers, Birnbaum, Lapham (2004), Fantasia (2004), Laurent: 18, Kennedy (1987), LeBor: 180f, Freisleben 2017.


Die Prohibition und die Konsolidierung der Mafia   top

Während der Prohibition (16.1.20-5.12.33) entwickeln sich die Gangs zu eigentlichen Industrieimperien-Besitzer. Bereits vor dem ersten Weltkrieg führten einige Staaten wie Kansas aufgrund religiöser und feministischer Lobbygruppen das Alkoholverbot ein. Der Krieg verstärkte den Alkoholismus, was die Einführung des nationalen Verbots von Herstellung, Vertrieb und Verkauf alkoholischer Getränke erleichterte. Die jüdischen Mobster (Dutch Schultz mit der Firma Seagrams und Jack "Legs" Diamond) sind die ersten im Alkoholschwarzbrennen und -schmuggeln. Jüdischen Ursprungs sind auch die Bronfman-Brothers in Kanada sowie Arnold Rothstein und Mannie Kessler in New York. Die Iren steigen ebenfalls von Anfang an ins Bootlegging ein: Big Bill Dwyer in New York, Steve Wallace, Dan Carroll und Joe Kennedy in Boston, Tommy McGinley in Cleveland, Tommy Banks in Minneapolis und Charles O'Bannion in Chicago.

Nach den Juden und Iren entdecken die italienischen Gangs, die viel gewalttätiger sind und sich oft gegenseitig bekämpfen (z.B. Sizilianer gegen Neapolitaner), den Markt. Allerdings arbeiten Juden und Italiener auch manchmal zusammen. Die italienische Mafia, die bisher vor allem die Prostitution und die Geldspiele beherrschte, wird erst durch den Alkoholschmuggel eine bedeutende Macht.
Um Diamond Joe Esposito nicht in die Quere zu kommen, bleibt Big Jim Colosimo in Chicago beim Prostitutionsgeschäft. Sein Neffe Johnny Torrio holt 1919 Al Capone aus New York, und sie versuchen zu zweit, Colosimo von den Vorteilen des Alkoholschmuggels zu überzeugen. Da er nicht einschwenkt, wird er am 11. Mai 1920 von Frankie Yale umgebracht. Danach baut John Torrio ein weiteres Alkoholkartell in Chicago auf. Während drei Jahren kann Torrio den Frieden aufrechterhalten, indem er die anderen Gangführer überzeugt, dass ohne Bandenkriege mehr Geld zu verdienen ist. 1923 wollen verschiedene Gangs ihre Territorien erweitern, und neue sizilianische Immigranten kommen in Chicago an, die die Unione Siciliana unterwandern, um am Alkoholgeschäft mitzuverdienen. In den 20er Jahren ereignen sich 500 Mafiamorde in Chicago, fast alle ohne eine Verurteilungen der Täter.
Die Machtstellung von Diamond Joe Esposito ist gesichert, weil er den für die Alkoholproduktion notwendigen Zuckerimport kontrolliert, angeblich eine von Präsident John Calvin Coolidge persönlich ausgestellte Lizenz. Esposito erzählt von mehreren Treffen mit Coolidge, für den er im Gegenzug bei den Wahlen Stimmen organisiert. Der Boss demonstriert seine Macht, indem er von den Italienern verlangt, mit den hübschesten Bräuten vor der Hochzeitsnacht zu schlafen. Trotz dieser Entwürdigung wird ihm während den 20 Jahren seiner Herrschaft keine Jungfrau verweigert. Johnny Torrio, Al Capone, Jake Guzik, Paul Ricca, Murray Humphreys, Frank Nitti, Jack McGurn und Tony Accardo kamen alle aufgrund von Espositos politischen Beziehungen von New York nach Chicago und arbeiten für ihn. Die sechs Genna-Brüder leiten die illegalen Destillerien im Patch und schmieren über 400 Polizisten. Aufkommende Konkurrenten im Alkoholgeschäft werden mit Bomben bekämpft, wofür Gangs wie die "42" angestellt werden. Allein 1925 werden über 100 Bombenattentate verübt. Der wildeste der Aufsteiger ist Al Capone, der 1928 im Alter von 29 Jahren das höchste Privateinkommen in den USA erzielt: $105 Mio.

In New York City wird die Korruption durch die Vormachtstellung der Tammany Hall besonders gefördert. Es gibt zwei dominierende kriminelle Organisation: Die jüdische um Arthur Rothstein mit Arnold "Dutch Schultz" Flegelheimer und James J. Hines. Und die italienische Organisation um Albert C. Marinelli mit Joe Masseria, der Mitte der 20er Jahre zum dominanten Alkoholdealer in New York aufsteigt und ein riesiges Vermögen anhäuft. Carlo Gambino, Joe Adonis und Albert Anastasia arbeiten für "the Chinese", wie der vulgäre Masseria wegen seinen dicken Backen und schmalen Augen von seinen Feinden genannt wird. Bereits ein Jahr nach Einführung des Alkoholverbots bestehen in New York 5000 Spekeasies, deren Zahl bis 1927 auf 40'000 ansteigt. Der 1920 zum Präsidenten gewählte Warren Harding, selbst ein Alkoholiker, wird wegen seiner sexuellen Beziehungen erpresst, die grossen Schmuggler zu schützen.

Die unpopuläre Prohibition macht die Gangster zu Helden und salonfähigen Geschäftsherren und festigt die Beziehungen zwischen Gangstern mit der amerikanischen Politik, da Polizisten, Richter und Staatsbeamte durch die enormen Profite grosszügig bestochen werden können. Laut dem Chicagoer Polizeichef Charles Fitzmorris sind 60% der Polizisten im Alkoholgeschäft tätig. Von den jährlich bis zu 4000 wegen illegaler Glückspiele Angeklagten werden durchschnittlich lediglich 175 vor Gericht gestellt.
Aufgrund der Bandenkriege und des wachsenden Drucks der Behörden verlegen die Gangs ihre Hauptsitze in die umliegenden Vororte. Eine Bewegung weg von den traditionellen Zentren zu besser kontrollierbaren Gemeinden entsteht. Aber die Gangster versuchen in allen Städten, die Ämterverteilung zu beeinflussen. Politiker, die oft nur mit entsprechenden Stimmenkäufen gewählt werden, bleiben anfällig für Skandale und lassen deshalb den Mobster den benötigten Freiraum. Journalisten, Richter, Justizbeamte, Polizisten und FBI-Beamte haben nichts zu fürchten, da sie in den Augen der Mafia nur ihren Job tun. Wenn sie sich schmieren lassen, wird allerdings Loyalität erwartet. Auch normale Bürger haben nichts zu befürchten, es sei denn, sie haben Spielkredite von Loan Sharks aufgenommen, die sie nicht zurückzahlen können. Gefährlich leben hingegen Informanten und Zeugen, die bei Prozessen aussagen.

Dutch Schultz baut sein Number Racket-Imperium auf und verdient vorwiegend an den armen Schwarzen. Das einfache Spiel besteht darin, dass der Spieler eine Zahl zwischen 0 und 999 wählt, bei der richtigen Zahl aber höchstens 600 Mal den Einsatz ausbezahlt bekommt. Da viele spielen, setzt Dutch Schultz $80'000 pro Tag um. Dazu kommen die Pferderennwetten, wofür Dutch Schultz das Mathematikgenie Otto Berman als Spielbankexperte anstellt. Mit der Zeit beginnt jedoch die italienische Mafia, Geldspiele und Wetten zu kontrollieren, wobei die Juden die "Banken" und "Buchhaltungen" weiter betreiben und die Runners meist Schwarze sind. Die Kontrolleure kassieren 35% der Einnahmen, wenn sie die Polizei schmieren, sonst 30% und die "Bank" übernimmt die Schmiergelder. Der Kontrolleur bezahlt seinerseits 20 bis 25% seiner Einnahmen an die Runners. Diese ziehen bei einem Gewinner aber auch einen Teil für sich ab. In New York werden die Profite aus dem illegalen Spielgeschäft auf $500 Mio. geschätzt. Die Mobster, die die Number-Rackets kontrollieren, sind zudem die grössten "Loan sharks": für 20% Zins pro Woche leihen sie denen Geld, die sonst keines mehr bekommen, und ihre Methoden der Wiedereintreibung sind effizient.

Quellen: Giancana: 30ff, 178, Lacey: 59, Best: 9, Davis(1993): 30-36, Delorme: 39, 77-83, Geffen, Behr (2002).


Joseph Kennedy und Frank Costello   top

Joseph Patrick Kennedy steigt in den Alkoholschmuggel ein und verdient damit das Kapital, um an der Börse im grossen Massstab zu investieren. Sein Vater, Patrick Joseph Kennedy, der Sohn des 1848 aus Dunganastown in Irland eingewanderten Patrick Kennedy, wurde 1885 nur 27jährig Abgeordneter von East Boston im Repräsentantenhaus. Er begann seinen sozialen Aufstieg dank seinem blühenden Alkoholgeschäft. Da er im "Hinterhof von Boston" äusserst populär war, wurde er dreimal zum Senator gewählt, Mitglied des Zentralkomitees und später Vorsitzender des Strategieausschusses der Demokratischen Partei. Trotz dieses Aufstiegs blieb Patrick Joseph Kennedy letztlich nur ein Lokalpolitiker, weshalb er seinen 1888 geborenen Sohn Joseph Patrick an die aristokratische Harvard Universität schickte.
Obwohl Joe ein Star im Baseball war, blieb er aufgrund seiner irisch-katholischen Herkunft von vielen Aktivitäten des Campus ausgeschlossen. Er setzte sich zum Ziel, mit 30 Millionär zu sein, damit er "auf diese protestantischen Bastarde pissen" könne. Nach dem Harvardabschluss bekam Joe Kennedy dank dem politischen Einfluss seines Vaters einen Posten als staatlicher Bankrevisor mit einem Jahresgehalt von $1500. Da es Joe gelang, die kleine Columbia Trust Company, an der sein Vater wesentlich mitbeteiligt war, vor einer Übernahme zu retten, wofür er sich mit $45'000 persönlich verschuldete, wurde er vom Aufsichtsrat mit nur 26 zum jüngsten Bankpräsidenten der USA befördert.

1914 heiratete er Rose Fitzgerald, die Tochter des eben rausgeworfenen Bürgermeisters von Boston. Mit vielen gewagten Einsätzen in legalen und anderen Geschäften entstand der Grundstock von Kennedys Vermögen. Um den Aktivdienst zu vermeiden, stieg Kennedy 1917 als stellvertretender Manager der Bethlehem Steel in der riesigen Fore River Werft, wo Zerstörer gebaut werden, ein. Daneben kaufte er sich eine Vertriebskonzession der Universal Pictures.
John F. Fitzgerald gewinnt am 5.11.1918 die Wahl zum Repräsentanten von Boston gegen den ebenfalls demokratischen Konkurrenten Peter F. Tague. "Honey Fitz" Fitzgerald forderte Tague heraus, da dieser sich nicht an einem einträglichen Grundstückhandel mit dem Fore River Shipyard, wo sein Schwiegersohn Joe Kennedy im Management tätig ist, beteiligen wollte. Seine Wahlkampforganisatoren, zu denen Joe Kennedy gehört, rekrutieren italienische Immigranten und Profiboxer, die Tague-Wähler mittels Drohungen und Schlägen umstimmen. Ein Drittel der ungültigen Stimmen kommen von Personen, die nicht im Bezirk leben, andere Stimmen lauten auf Namen von Kriegsgefallenen oder noch in Europa stationierten Soldaten. Am meisten falsche Stimmen kommen aus dem Prostituiertenmilieu. Am 24.10.19 wird Fitzgerald nach achtmonatiger Untersuchung wegen Wahlbetrugs aus dem Repräsentantenhaus ausgeschlossen. 1942 schickt Joe Kennedy den dann 79-jährigen nochmals ins Rennen, um den populären New Deal Demokraten Joseph E. Casey, einer von Roosevelts Favoriten und daher möglichen Konkurrenten seines Sohnes Joe Jr. zu schwächen. Der Republikaner Henry Cabot Lodge Jr. gewinnt dann zwar, aber die Kennedys haben gelernt, wie man mit viel Geld und geschickter Propaganda auch einen sehr guten Kandidaten ausschalten kann. 1920 steigt Kennedy bei der Massachusetts Electric ein und zieht nach New York an die Wall Street.

Nach dem Krieg arbeitet Joe Kennedy als Leiter der Aktienabteilung des Maklerhauses Hayden, Stone and Company und macht dank Insiderinformationen mit Börsenspekulationen so viel Geld, dass er sich für seine sechsköpfige Familie ein neues Zwölfzimmerhaus in Brookline und einen neuen Rolls-Royce kaufen kann. Wieviel und wie Kennedy Geld verdient, bleibt sein Geheimnis, auch seiner Familie gegenüber, die gelernt hat, niemals Fragen darüber zu stellen.
Joe Kennedy, dessen Vater schon Alkohol importierte, benutzt medizinische Erlaubnispapiere für den Import von kanadischem Whiskey, wovon er 200'000 Kisten ins Land geschmuggelt haben soll. Damit wird er zu einem Konkurrenten der Mafiosi, zu denen er zwangsläufig auch partnerschaftliche Kontakte unterhält. Anfangs schifft Kennedy englischen Scotch und Gin an die 12-Meilen Grenze, wo Frank Costellos Leute den Alkohol übernehmen, weshalb Costello später behauptet, er habe Kennedy reich gemacht. Kennedy arbeitet während Jahren auch mit Owny Madden zusammen und mietet Leute von Murder, Inc, um mit den Gewerkschaften fertig zu werden. Weil Kennedy auf dem Gebiet der jüdischen Purple Gang in Detroit ohne Erlaubnis geschmuggelten Rum verkauft, will diese seinen Kopf. Kennedy geht nach Chicago und bittet Diamond Joe Esposito um Unterstützung. Da ihm dieser das Leben rettet, bleibt er in der Schuld der Mafia von Chicago. Die Gewinne aus dem Alkoholschmuggel investiert Kennedy meist an der Börse und beteiligt sich an einer Kinokette. Er gibt seine Stelle bei Hayden, Stone and Company 1923 auf und eröffnet sein eigenes Büro in Boston: "Joseph P. Kennedy, Bankier". Für seine bisher sieben Kinder und seine Frau Rose gründet Kennedy Treuhandfonds, womit er ihnen eine wirtschaftliche Unabhängigkeit für politische Karrieren ermöglicht. Sie sollten schliesslich über je $10 Mio. verfügen können.

Nachdem er, offenbar auch mit Geldern der Mafia Chicagos, die Kontrolle der "Film Booking Office of America" erringt, zieht Kennedy 1925 nach Hollywood. Hollywood ist seit 1912 von jüdischen Flüchtlingen aus Osteuropa (Samuel Goldman, Louis B. Mayer, Karl Lemmle, William Fox, Adolph Zukor, Harry Cohn und die Brüder Jack und Harry Warner) aufgebaut worden, die wie niemand sonst den American Way of Life definieren. Im Bedürfnis nach Assimilation schufen die Aussenseiter eine idealisierte Welt, bei der das Böse immer vom guten Helden besiegt wird. Mayer verschob seinen Geburtstag auf den 4. Juli und feierte ihn jeweils mit grossem Pomp und hunderten von illustren Gästen. Auch die meisten berühmten SchauspielerInnen wie Kirk Douglas, Paul Newman, Lili Palmer, Clark Gable, Tony Curtis oder Judy Holliday sind jüdischer Herkunft und werden zum Inbegriff der amerikanischen Kultur. Trotzdem werden Juden bis in die 30er Jahre nicht in die Klubs der Reichen aufgenommen, und die gesellschaftliche Anerkennung bleibt den ‚Superamerikanern' versagt.

Während die Familie in New York wohnt, vergnügt sich Joe Kennedy mit Jean Harlow, Anita Page und Greta Garbo und versucht sich als Filmproduzent von Lowbudgetfilmen. Seine wichtigste Geschäftspartnerin und Liebhaberin ist Gloria Swanson, die ihm einen Sohn (Joseph) zur Welt bringt. Kennedy übernimmt faktisch die Kontrolle über ihr Leben, startet die Gloria Productions und versucht vergeblich, von der Katholischen Kirche einen Dispens zu erhalten, der das Zusammenleben erlaubt hätte. Rose setzt sich häufig nach Europa ab und kompensiert ihre Frustration mit Einkäufen. Besonders der junge Jack leidet unter den dauernden Absenzen seiner Eltern. Mit Käufen und Verkäufen von Filmgesellschaften bereichert sich Kennedy um geschätzte $5 Mio. in Hollywood.

Quellen: Hersh: 35-43, Best: 16ff, Kessler (1997), Collier/ Horowitz: 7-54, Giancana: 73, 214, Wolfe: 125ff, Jacobovici, Russel (2000), Geffen, Amara, Gabler.


1924: J. Edgar Hoover und das Bureau of Investigation   top

John Edgar Hoover wird im Mai 1924 vorläufiger Chef des Bureau of Investigation, ernannt vom Generalstaatsanwalt Harlan Fiske Stone.
Hoover übernahm 1918 24jährig die General Intelligence Division, mit dem Auftrag, die subversiven Umtriebe zu studieren. Das Bureau of Investigation wurde 1909 vom rassistischen und schwachsinnigen Präsidenten Theodore Roosevelt gegründet, der seine Karriere als Polizeikommissär in New York begann. Der Chef des Bureau of Investigation, Charles Bonaparte, der Grossneffe Napoleons, ging mit seinen neun Agenten gegen die Arbeiter-Bewegung vor. Die Syndikalismus-Bewegung mobilisierte 4 Mio. Streikende in 2665 Streiks in einem Jahr. Zur Bekämpfung der Gewerkschaften wurden Bürgervereine und Freiwilligenverbände wie die American Protective League gegründet und von der Industrie finanziert. Innenminister A. Mitchell Palmer liess am 2.1.19 ganze Stadtviertel abriegeln und durchsuchen, um Linke zu finden. Hoover beurteilte die vorgenommenen Razzien, Verhaftungen, Verurteilungen und Ausweisungen als "zu lasch". In seinem Eifer umging er die Grundrechte im Kampf gegen die Anarchisten und Kommunisten, indem er diese ohne Gerichtsurteile ausschaffen liess (am 21.12.19 249 Personen und am 2.1.20 556). Das Vorgehen Hoovers kostete Palmer seine Karriere, im Gegensatz zu Hoover, der zu seiner Verteidigung begann, nicht nur Informationen über Radikale und Schwarze zu sammeln, sondern auch über gewählte Politiker, Richter und Wissenschaftler. Im Jahre 1920 verhaftete die Polizei 4000 "subversive Elemente" in 33 Städten. Bekannt wurden die beiden Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti, die dem Rachewillen der Politiker und der Polizei zum Opfer fielen. Die Mafiosi Joe und Butsey Morelli aus Providence, Rhode Island, waren für die den Anarchisten zugeschobenen Überfälle und Morde verantwortlich.
Am 22.8.21 wurde Hoover von Justizminister Harry Daugherty zum Vizedirektor des Bureau of Investigation, das bereits Dossiers über 500'000 Personen besitzt, ernannt.
Stone verbietet dem neuen Bundespolizeichef Untersuchungen in politischen Prozessen und ordnet eine Reform der Abteilung an. Deshalb säubert Hoover das korrupte Netz seiner 657 Agenten, baut eine Elitetruppe auf und führt eine autoritäre Hierarchie ein. Die Agenten des streng presbyterianisch erzogenen Juristen dürfen nicht trinken, keine Schnurrbärte tragen, werden bei Ehebruch sofort gefeuert, permanent kontrolliert und in Akten erfasst. Die Repression der linken Arbeitervertretungen, die Verurteilungen und Rückschaffungen von Kommunisten und Anarchisten und das neue Einwanderungsgesetz lassen die Zahl der Einwanderer ab 1924 stark zurückgehen. Der Johnson-Reed Immigration Act kommt aufgrund der ‚Beweise' der Intelligenzforscher zustande, wonach Schwarze, arme Weisse und Süd- und Osteuropäer, wobei vor allem die jüdischen Einwanderer gemeint sind, geistig minderwertig und potentiell kriminell seien. Die massive Beschränkung der Einwanderung wird unterstützt durch den Ku-Klux-Klan, der Mitte der 20er Jahre 5 Mio. Mitglieder zählt. Der Ku-Klux-Klan war 1915 wiedergegründet worden, um die ethnische, religiöse und moralische ‚Einheit' des ‚Weissen Amerika' zu schützen. Nach einigen Skandalen bricht die Bewegung 1925 aber zusammen.

Hoover und seine Agenten legen trotz des Verbots nicht nur über Linke, Bürgerrechtler und Kriminelle, sondern auch über Politiker Dossiers an. Am 25.3.25 eröffnet Hoover sein "Obscene File". Seine Macht beruht auf diesen - zum Teil intimen - privaten Daten, mit denen er die Politiker erpressen kann. Kein Präsident wagt es, Hoover zu entlassen. Sein Stellvertreter William Sullivan bezeichnet Hoover als den grössten Erpresser aller Zeiten. Dank diesen Unterlagen bleibt Hoover bis zu seinem Tod 1972 Direktor des FBI und überlebt acht Präsidenten und 16 Justizminister. Er ist den Präsidenten allerdings auch gefällig: Auf Wunsch von Roosevelt, Truman, Johnson und Nixon lässt er deren Gegner überwachen.
1925 wird zur Stärkung des umstrittenen FBI die private National Crime Commission geschaffen, allerdings nicht um den Alkoholschmuggel und das Gangstertum zu bekämpfen, sondern um die Macht der Polizei im Kampf gegen die Gewerkschaften zu stärken. Die Gründungsversammlung findet bezeichnenderweise in den Räumen der United States Steel Corporation statt.
1928 erklärt der Oberste Gerichtshof das Abhören von Telefongesprächen für verfassungsmässig. Am 2.4.28 stellt Hoover seinen Lebenspartner Clyde Tolson ein, der Guy Hottel mitbringt. Die beiden werden seine Vertrauensmänner an der Spitze des Federal Bureau of Investigation. Nebenbei ist Hoover zugleich Direktor einer Versicherungsgesellschaft.

Quellen: Davis (1984), Fox: 65, Theoharis/ Cox: 21-88, 159, Schulz: 41, Todd, Summers (1993), Tarpley/ Chaitkin: 536f,


Al Capone in Chicago   top

Benito Mussolini besuchte 1924 das erste Mal Sizilien, und schickt kurz darauf mehrere Infanterieregimente nach Sizilien. Der Präfekt Cesare Mori baute ein System von Spitzeln auf und konnte 1926 die Macht der Mafia brechen, indem er mit Folter und Erpressung die 11'000 Verhafteten zum Reden brachte. Selbst die beiden mächtigsten Bosse Don Calo Vizzini und Genco Russo kamen ins Gefängnis. Mussolini löste damit eine Mafiosi-Fluchtwelle, wozu Stefano und Antonio Magaddino, Salvatore Maranzano, Joe Bonanno, Mike Coppola, Joe Profaci und Joe Magliocco gehörten, ins Paradies der Prohibition aus. Bis Mitte des Jahrhunderts emigrieren insgesamt über 5 Mio. Italiener in die USA, die die lokale Struktur der bisherigen Mafia in den USA verändern.

In Chicago unterwanderten die Neuankömmlinge aus Sizilien die Unione Siciliana, eine 1895 gegründete Genossenschaft für gegenseitige Hilfe, und benutzten sie als Front für kriminelle Aktivitäten. Michele Merlo, einer der Bosse Chicagos, starb am 8.11.24 an Krebs. Die Mafia hatte im folgenden Mühe, sich zu behaupten. In internen Kämpfen werden sechs führende Mafiosi umgebracht: Angelo Genna und Sam Samoots Amatuna (1925), Antonio Lombardo (1928), Pasquale Lolordo (1929), Giuseppe Aiello (1930) und Agostine Loverdo (1931).

Neben den verschiedenen Mafia-Familien und dem Syndikat von Torrio mit Alfonso Capone gibt es die irische North Side Gang, die ebenfalls im Alkoholgeschäft tätig ist. Ihr Chef, Charles Dion O'Bannion, wurde am 10.11.24 in seinem Blumenladen, in dem Al Capone für $10'000 rote Rosen und Johnny Torrio für $10'000 Chrysanthemen für das Begräbnis von Merlo bestellt hatten, ermordet. O'Bannion soll selbst für den Mord von 24 Personen verantwortlich gewesen sein. Zum Konflikt kam es, weil seine Männer mehrere Lastwagen mit Alkohol der Genna-Brüder entführten. Nachfolger O'Bannions wurden Frank Gusenberg und George "Bugs" Moran. Sowohl die Gennas wie auch die Aiellos gehören im Gegensatz zu Torrio der Unione Siciliana an.

Im Januar 1925 wollen der 17jährige Sam Giancana und Leonard Gianola Johnny Torrio im Auftrag Al Capones umbringen, verletzen ihn aber nur. Capone erträgt es nicht, dass Torrio sich weigert, den Kuchen zu teilen. Torrio verlässt daraufhin die Stadt mit seinen angehäuften $40 Mio. und überlässt Capone seinen Platz. Dieser schaltet nun systematisch alle Konkurrenten aus: Giancana wird im Mai 1925 erneut engagiert, um die Gennas auszuschalten: Nachdem Angelo, Mike und Tony Genna umgekommen sind, flüchten die restlichen drei Brüder. Giancana bringt am 3.10.28 auch seinen Mentor und Beschützer Diamond Joe Esposito um. Am 8.1.29 wird Pasqualino Lolordo von Joe Aiello und den Brüdern Frank und Pete Gusenberg ermordet. Al Capone, der im Laufe seiner Karriere 215 Morde angeordnet haben soll, organisiert das Management des Verbrecherkartells, das mithilfe der geschmierten Kooperation von Politikern, Polizei und Justizbeamten $60-250 Mio. Umsatz erwirtschaftet. Der populäre Capone gibt der Bevölkerung, was sie will: Alkohol, Sex und Spiele, und zusammen mit Paul Ricca führt er die politischen Beziehungen Espositos weiter. Das Syndikat Al Capones ist mit der Lolordo-Familie verbündet, die mit der Aiello-Familie in Konflikt steht.

Am 14.2.29 wird die irische North Side Gang mit einem siebenfachen Mord ausgeschaltet. Die Mörder fahren am Valentinstag in einem Polizeiauto und in Uniform beim Treffpunkt vor und erschiessen die nichts ahnenden Anwesenden. Capone steht hinter der Ermordung von Frank und Pete Gusenberg, Jack May, Al Weinshank und Adam Heyer. Bugs Moran, eigentliches Ziel des Anschlags, und seine Leibwächter Willie Marks und Ted Newsberry überleben, weil sie verspätet zum Treffpunkt erscheinen. Moran zweigte Capones Alkohol ab und verkaufte ihn an eigene Kunden. Moran verliert trotz dem fehlgeschlagenen Attentat seine Machtbasis und zieht sich aus dem Alkoholgeschäft zurück.
Damit besitzen Al Capone und und Don Giuseppe Aiello, der am 23.10.30 im Auftrag von Pasquale Prestigiocomi ermordet wird, das Alkoholmonopol in Chicago.

Aber Al Capones Berühmtheit als ‚scarface' ist den anderen Mafiosi ein Dorn im Auge, weil es das Geschäft gefährdet. Mafia-Bosse von verschiedenen Familien und Städten treffen sich im Mai 1929 in Atlanta City und teilen die Territorien den einzelnen Familien zu. Aufgrund der Prohibition systematisierte sich die Kooperation zwischen den Schmugglern der einzelnen Staaten, wobei die grossen Bosse des Nordwestens den Ton angeben. Dazu gehören Al Capone, Joe Adonis, Lepke Buchalter, Moe Dalitz, Johnny Torrio, Lucky Luciano, Frank Costello, Charlie Solomon, Waxey Gordon, Longy Zwillman, das Reinfeld Syndikat, Meyer Lansky und Bugsy Siegel. In Nebengesprächen wird beschlossen, dass der publizitätssüchtige Al Capone, der die Plätze von Torrio und Esposito und damit die Macht in Chicago übernommen hatte, gehen muss. Auf dem Nachhauseweg von Atlanta wird Capone wegen unerlaubtem Waffenbesitz verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Kaum entlassen, kommt Al Capone wegen Steuerhinterziehung erneut für 11 Jahre ins Gefängnis.

Paul Ricca übernimmt den Vorsitz in Chicago. Ricca hiess Paul DeLucia, bis er 1920 in die USA flüchtete. Er wurde 17jährig wegen Mordes verurteilt und brachte unmittelbar nach seiner Entlassung den Zeugen, der ihn ins Gefängnis gebracht hatte, um. In den USA arbeitete er dann in der Zentrale von Esposito, dem Café Bella Napoli, woher er seinen Übernamen "the Waiter" hat. Die Medien sind überzeugt, dass Frank "the Enforcer" Nitti der Nachfolger von "Scarface" sei, was Ricca, Humphreys und Jake Guzik, der für die Finanzen zuständig ist, ziemlich freie Hand lässt. Tatsächlich plante Nitti zusammen mit Capones Cousin Rocco Fischetti die Kontrolle der Organisation zu übernehmen, aber Ricca hat die Rückendeckung des Syndikats. 1939 wird Capone entlassen, stirbt aber kurz darauf an Syphilis, die er sich bei einer seiner minderjährigen Prostituierten zugezogen hatte.

Quellen: Bradley, Raith: 72f, Delorme: 87ff, 133-145, Giancana: 30-34, 67, Best: 4, 10, Behr (2002), Olgiatti, Russel (2000).


Oktober 1929: Börsenkrise   top

Drei Monate vor dem Börsen-Crash 1929 stösst Joe Kennedy alle Aktien ab, wie Michel C. Bouvier auch. Er gehört damit zusammen mit Industriellen wie William Crapo Durant von der General Motors und John Davison Rockefeller zu den Auslösern des "Schwarzen Freitags". Hintergrund der Krise bildet die Geldverknappung, die von den Montagu Norman (Bank of England), Benjamin Stron (Federal Reserve VBank of New York) und Hjalmar Schacht (Deutsche Reichsbank) koordiniert vorangetrieben wird, was zu Zinserhöhungen führt. Die Blase wird wesentlich ausgelöst wegen Anlagefonds, bei denen verschiedene Anlagen gebündelt werden, sodass der Wert der einzelnen Papiere nicht mehr ersichtlich ist. Das erlaubt endlose Anlage-Pyramiden und Spekulationsspiele. Die 1869 von den deutschen Immigranten Marcus Goldman und dessen Schwiegersohn Samuel Sachs gegründete Goldman Sachs steigt spät ins Spekulationsgeschäft ein, dafür aber mit verheerender Wirkung. Die Bank gründet die Goldman Sachs Trading Corporation, für die eine Mio. Aktien à $100 ausgegeben werden, die die Bank selbst aufkauft, um den Preis in die Höhe zu treiben. Mit dem Erlös wird die Blue Ridge Corporation gegründet, deren Aktien von Shenandoah gekauft werden, die auch der Goldman Sachs Trading gehört. Dieses System erlaubt, dass mit einem Dollar neun weitere geliehen werden können, mit diesen 10 weitere 90, mit diesen 100 können weitere 900 bezogen werden, etc.. Beim Crash fällt das Schneeballsystem zusammen und Goldman Sachs fährt einen Verlust ein, der umgerechnet auf die heutige Kaufkraft $475 Mia. entspricht.
Kennedy wird wie Bernard Baruch oder Jean Paul Getty dank dem Börsencrash zum Multimillionär, weil er sichere Aktien wie beispielsweise von General Electric kauft, die von $391 auf $10 gefallen sind.
In den USA verringert sich die Produktion um 90%. Die Entlassungswelle führt zu einer Arbeitslosigkeit von 25% und dazu, dass die Bauern ihre Ernten vernichten, obwohl die Bevölkerung hungert, dass viele Wohnungen leer stehen, während die Menschen campen müssen und dass sie sich keine Kleider mehr kaufen können und frieren, obwohl die Lagerhäuser zum Bersten voll sind. Die Kommunistische Partei und andere Arbeiterorganisationen haben regen Zulauf und organisieren Streiks und Fabrikbesetzungen, die mit Truppen niedergeknüppelt werden. Douglas MacArthur und Dwight D. Eisenhower spielen eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der unbewaffneten Versammlungen. Selbst gegen die 12'000 Veteranen des Ersten Weltkriegs, die in Washington die Zahlung ihrer Entschädigungen einforderten, schiessen die mobilisierten Truppen. Hoovers Ansehen bricht daraufhin zusammen, und der Gouverneur von New York, Franklin D. Roosevelt, gewinnt die Wahlen 1932 mit einem Erdrutschsieg, allerdings weniger aufgrund seines Konzepts des New Deal, sondern weil er die Prohibition abschaffen will.
Aufgrund der internationalen Kreditsysteme ist die ganze Welt vom Zusammenbruch betroffen. Allein in den Industrieländern sind 1930 bereits 35 Mio. Menschen ohne Arbeit. Vor allem in Deutschland bewirkt die politische Radikalisierung aufgrund der Arbeitslosigkeit von 40% den Nährboden für den Erfolg des Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg.

Um weitere Finanzkrisen zu verhindern, wird 1933 der Glass-Steagall-Act zur Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken eingeführt, womit keine Spargelder mehr in die Spekulation fliessen. Gleichzeitig wird jedoch eine alte, aber nicht eingehaltene Bestimmung, wonach die FED ihre Gewinne an die Regierung abführen muss, aufgehoben. Zudem dürfen die Zentralbanken auch Kredite an die Industrie vergeben, und heute finanzieren die FED auch Staaten und Banken. Also 1947 Forderung nach Gewinnbeteiligung aufkommen, kündigt das FED-Board an, die Hälfte des Gewinns freiwillig an das Finanzministerium zu überweisen, womit ein Gesetz verhindert werden kann.

Quellen: Martin: 81f, Best: 16ff, Kessler (1997), Collier/ Horowitz: 35-54, Hillesheim, Taibbi 2009, Freisleben 2017.


Die Mafia in New York   top

Charlie Luciano, Benjamin Siegel und Meyer Lansky hatten sich schon vor der Prohibition kennengelernt und schlossen ihre italienische und jüdische Bande zum Kampf gegen die irischen Gruppen zusammen. Charlie Luciano, als Neunjähriger 1906 von Sizilien eingewandert, machte seine ersten Erfahrungen mit sogenannten Schutz-Rackets. Er nutzte als 18jähriger die grosse Zahl der Rauschgiftsüchtigen in der Gegend um die East Tenth Street, indem er sich eine halbe Flasche Opium kaufte und deren Inhalt in kleinen Mengen weiterverkaufte. Beim Verkauf seiner dritten Flasche wurde er erwischt und zu 8 Monaten Erziehungsanstalt verurteilt. Als er 5 Jahre später wegen Heroinhandels verhaftet wird, entgeht er dem Gefängnis, weil er die Beamten zu einem Drogenlager an der Mulberry Street führt, worauf mehrere seiner Konkurrenten von der Bildfläche verschwinden.

Meyer Lansky wurde 1902 in Grodno (Polen) als Meyer Suchowljansky geboren und kam 1912 in die USA. Seine ersten Erfahrungen machte Meyer mit Craps-Spielen an Strassenecken an der Lower East Side in Manhattan. Er verdingte sich als Wachtposten, Einbrecher und Schläger für Gewerkschaften, die Streikbrecher verprügeln und Maschinen und Waren sabotieren liessen. Bereits im Alter von 16 Jahren versuchte er vergeblich, Zuhälter zweier Prostituierten zu werden. Angezogen durch die neue phantastische Einkommensquelle mit Alkoholschwarzhandel gab Lansky seinen Job als Automechaniker für immer auf. Seine bürgerliche Fassade bleibt jedoch ein Auto- und Lastwagenverleih. Lansky organisierte mit Benny Siegel, Sohn von eingewanderten russischen Juden, den Alkoholtransport und stellte Freunde wie Moe Sedway oder Red Levine als Überwacher und Fahrer ein. Siegel ist ein geschickter Autodieb und wird wegen seiner Furchtlosigkeit Bugsy genannt.
Lansky wurde Geschäftspartner des unverfrorenen Fat Al Levy und Schützling des Archetypen für das organisierte Verbrechen in Amerika, Arnold Rothstein. Der weltmännische und charmante Rothstein traf nur separate Absprachen, so dass niemand, der auffliegt, sein Imperium durch Geschwätzigkeit in Gefahr bringen kann. Als erster Jude erlangte er bedeutenden Einfluss in den rauchgeschwängerten Hinterzimmern der Tammany Hall und wurde zum ‚König' der Alkoholschmuggler. Arnold Rothstein erhielt am 4.11.28 beim Park Central Hotel Kugeln in den Bauch, nachdem in Cleveland das erste bekannte Mafia-Meeting im Hotel Statler stattfand, an dem 27 Mafiosi aus dem Osten, dem Süden und dem Mittleren Westen der USA teilnahmen. "The Brain" starb zwei Tage später im Krankenhaus, nachdem er sich bis zuletzt geweigert hatte, der Polizei auch nur den kleinsten Hinweis auf Täter oder Motiv zu geben.

Luciano versuchte, Meyer zu erpressen und lernte ihn so kennen. Nun koordinierten Luciano, Lansky und Siegel den Alkoholschmuggel und verkauften in ihren Speakeasies denselben Alkohol. Später kamen die Neapolitaner Frank Costello (Francesco Castiglia) und Vito Genovese zum Team dazu. Luciano beanspruchte schon früh die Führung der Gang und plante mit Siegel die Diebstähle, Entführungen, den Transport und Verkauf von Alkohol. Der diplomatische Costello spezialisierte sich auf das Schmieren von Polizisten, und Lansky kümmerte sich um die Finanzen. Der brutale Genovese, der oft eigene Wege geht, galt als der Schläger der Gang. Bis Mitte der 20er Jahre kontrollierte Lucianos Gang mehrere Destillerien, eine Lastwagenflotte, um Alkohol von Kanada nach New York zu bringen, Lagerhäuser, ein Entführer-Team für die Alkohollieferungen der konkurrierenden Schmuggler sowie Dutzende von Speakeasies. Insgesamt beschäftigte die Gang etwa 100 Personen und soll $4 Mio. pro Jahr verdient haben, was sich Luciano, Lansky, Siegel und Costello untereinander aufteilten. Joe Masseria bemerkte den erstaunlichen Aufstieg von Lucianos Gang und begann, Luciano zu umwerben, damit dieser sich seiner Organisation anschliesst.

In New York tobte Ende der 20er Jahre der "Castellammare-Krieg": In Brooklyn leben Hunderte von Sizilianern aus Castellammare, westlich von Palermo, die durch ihre Herkunft eine Art Clan bilden. Salvatore Maranzano wurde vom sizilianischen Capo di tutti capi Don Vito Cascio Ferro in die USA gesandt, mit dem Auftrag, die amerikanische Mafia unter sizilianische Kontrolle zu bringen. Maranzano wurde zum Führer des Castellammare-Clans und begann, Joe Masserias Macht zu untergraben, indem er dessen Alkohollieferungen entführen liess und die Speakeasies zwang, seinen Alkohol zu verkaufen. 1928 verlangte Masseria Tribut und liess prompt einen Mann von Maranzanos Clan umbringen, als dieser sich weigerte zu zahlen. Es folgten Morde an weiteren Castellammarese in anderen Städten, worauf Maranzano seine Angriffe auf Masserias Alkoholgeschäfte intensivierte. Masseria war der Situation je länger je weniger gewachsen, bis er schliesslich die Ermordung aller Castellammerese anordnete, worauf ein eigentlicher Krieg ausbrach, da Maranzano durch seine 400 Männer zurückschlagen liess. Nach einem Jahr hat Masseria bereits 50 seiner Männer verloren. Zu dieser Zeit beginnt die Gang von Luciano als Teil von Masserias Organisation mit Anastasia und Gambino zusammenzuarbeiten. Diese Allianzen sind allerdings nicht stabil: Masserias Schützling Carlo Gambino wechselt zu Maranzanos Organisation, zu der aufsteigende Kräfte wie Joe Profaci, Joe Bonanno und die Magaddinos gehören, als er das Gefühl hat, Masseria werde unterliegen.
Luciano weigerte sich, die Seite zu wechseln, und wurde deshalb am 16.10.29 von Maranzanos Männern in eine Falle gelockt und so geschlagen, dass sein Gesicht für immer entstellt bleibt. Sie hängten ihn an den Daumen an einen Baum und bearbeiteten ihn mit Rasierklingen und brennenden Zigaretten bis zur Bewusstlosigkeit, schlitzten ihm die Kehle auf und warfen ihn in ein Lagerhaus. Nur durch Zufall wurde er gefunden und überlebte, ‚lucky', wenn auch mit bleibenden Schäden. Zu diesem Zeitpunkt hatte er 17 Haftstrafen hinter sich.
1931 wechselten Luciano und Genovese aber ebenfalls die Seite. Luciano trifft Masseria am 15.4.31 im Restaurant Nuova Villa Tammarano auf Coney Island zum Lunch. Als Luciano auf die Toilette geht, stürzen Genovese, Anastasia, Siegel und Adonis herein und erschiessen Masseria.

Salvatore Maranzano ist nun der mächtigste Boss im Land und beruft im Mai ein Meeting aller Familien des Landes in einer grossen Banketthalle in der Bronx ein, zu dem 400 Männer erscheinen. Er erklärt sich zum Boss der Bosse und verkündet eine neue Organisationsstruktur, wobei er den Begriff "Cosa Nostra" braucht. Maranzano ist der gebildetste aller Bosse: er spricht sechs Sprachen, ist ein guter Rhetoriker und ein grosser Verehrer Cäsars, den er auf Lateinisch liest, und lebt nach den Maximen von Macchiavelli. Maranzano führt die militärische Organisation der Mafia ein: La Cosa Nostra wird in 24 Familien eingeteilt und von je einem "Capo" regiert. Dem Boss steht ein "Sotocapo" (Stellvertreter) zur Seite. Sie befehlen mehrere "Caporegime" (Leutnants), die für die "button men" (Soldaten) verantwortlich sind. Eine strenge Befehls- und Kommunikationshierarchie soll die Disziplin und Effizienz der Organisation garantieren. Gleichzeitig verstärkt Maranzano mit dem Obligatorium von Katholizismus und italienischer Nationalität die traditionellen Werte und verlangt unbedingte Einhaltung der Omertà.

New York wird in 5 Familien aufteilt: Die Maranzano-Familie in Brooklyn mit Joe Bonanno als Stellvertreter. Eine zweite in Brooklyn mit Maranzanos gutem Freund Joe Profaci als Boss und mit Joe Colombo als Sotocapo. Eine dritte in Brooklyn mit Vincent Mangano, dem Herrscher über die Werft, mit Anastasia als Unterboss und Adonis, Gambino und Scalise als Leutnants. Der extrovertierte Adonis heisst eigentlich Doto, hat aber seinen Namen in Hommage an seine Schönheit gewechselt. Im Gegensatz zum ruhigen und eleganten Gambino, der vorwiegend für das Alkoholgeschäft zuständig ist, gilt sein Vorgesetzter Anastasia als blutdürstig und jähzornig. Manganos Bruder Philip steigt in der International Longshoremen's Association auf, und Anastasia macht für Mangano viel Geld, indem er die Schiffsgesellschaften und -besitzer, Hafenarbeiter und Kapitäne erpresst. Mit der Kontrolle des Hafens lassen sich auch grosse Gewinne mit Schmuggel von Alkohol und Drogen machen. Anstelle von Masseria steht jetzt Lucky Luciano, zu dem Costello und Genovese gehören, an der Spitze der vierten Organisation. Luciano übernimmt Masserias Lotterie-Rackets und ist Maranzanos Kronprinz. Anstelle der bisherigen Reina-Gang wird eine fünfte Familie geschaffen, die von Tommy Lucchese geführt wird und zu der Frank Scalise gehört. Im ganzen Land zählt die Cosa Nostra 4000-5000 Mitglieder und hat 30-40'000 Verbündete.

Maranzano weiss, dass er seine eroberte Macht gegen die ambitionierten Jungen verteidigen muss und plant, Al Capone, Frank Costello, Joe Adonis, Vito Genovese und Lucky Luciano umbringen zu lassen. Luciano hält nichts von den traditionellen Werten eines Maranzano, ihm geht es ums Geldmachen, weshalb er Lansky und Siegel mit der Cosa Nostra assoziiert haben will. Maranzano setzt den jungen irischen Killer Vincent "Mad Dog" Coll auf Luciano und Genovese an und teilt seine Pläne unvorsichtigerweise seinen Verbündeten mit, von denen einer Luciano warnt. Luciano kommt ihm zuvor, indem er ihm am 10.9.31 vier Killer der Siegel-Lansky-Gang in Uniformen von Steuerbeamten in sein Büro schickt. Danach sichert sich Luciano die Macht, indem er die Säuberung der alten Garde anordnet: 60 Maranzano-Loyalisten werden umgebracht. Damit ist der Versuch fehlgeschlagen, die US-Mafia von Sizilien aus zu kontrollieren.

Unter dem Pseudonym Charles Ross organisiert Luciano eine ‚Friedenskonferenz' im Waldorf-Astoria, in dem er residiert. Dabei vollzieht sich die endgültige Amerikanisierung der Mafia: Eine Kommission von zwölf Bossen unter Leitung von Vincent Mangano (Präsident), mit Lucky Luciano, Joe Profaci, Joseph Colombo, Frank Milano und anderen, soll demokratisch Aktionen und Streitigkeiten regeln. Allerdings hat diese Kommission keine zentralistische Struktur, sondern dient der Abgrenzung von Territorien, und die 24 Familien bleiben autonom. Miami bleibt eine offene Stadt, wo alle Geschäfte betreiben können. Die Einteilung Maranzanos lässt Luciano bestehen, aber er fügt jedem Boss einen "Consigliere" (Berater) bei. Auch in der Unterwelt herrscht nun das marktwirtschaftliche Prinzip des Laissez faire, wobei Geschäftsinteressen im Vordergrund stehen und nicht mehr formale soziale Strukturen wie Familien- und Nationalzugehörigkeit. Allerdings stabilisiert das ethnische Bewusstsein die Unterwelt dahingehend, dass Aufgabenteilung und Kompetenzverteilung sich entsprechend der Herkunft durchsetzt: Die Iren sind für Politikerbestechung zuständig und stark in den Gewerkschaftserpressungen vertreten. Nach eigenen Angaben haben Luciano und Costello 1932 die Tammany Hall, die politische Schaltzentrale New Yorks, in der Hand. Die Juden, die nie zum innersten Kreis gehören, sind in Spielgeschäften und Finanzangelegenheiten favorisiert, und die Italiener übernehmen Gewaltakte und beanspruchen die Führung. Luciano ist damit der erste moderne Mafiaboss, beraten von Meyer Lansky.

Nach dem Modell der Gang von Siegel und Lansky (The Bug and Meyer Mob) stellt Luciano die später so benannte Murder, Incorporated auf die Beine, die in den 30er und 40er Jahren in New York und New Jersey Mord auf Bestellung ausführt. Hauptziel ist, dass keine Verbindung zwischen Auftraggeber und Opfer hergestellt werden kann, da die Auftraggeber die Täter nicht kennen. Deshalb werden oft professionelle Killer aus anderen Staaten angeheuert, um einen Auftrag zu erledigen. Albert Anastasia kontrolliert die von Louis "Lepke" Buchalter und Jacob "Gurrah" Shapiro geführte, eigenständige Organisation. Beide hatten mit Erpressungen bei den Hafenarbeitern und in der Bekleidungsindustrie begonnen. Die jüdischen und italienischen Mörder verdienen $200 in der Woche, müssen aber immer verfügbar sein. Das Hauptquartier ist ein immer geöffneter Süssigkeitsladen in Brooklyn, das "Midnight Rose's". Anastasia hat durch die Kontrolle der Murder Inc. und des Hafens eine unglaublich starke Machtposition innerhalb der Mafia und wird Ende der 30er "Mad Hatter", "Earthquake" und "Lord High Executioner" genannt. Man schätzt die Zahl der ausgeführten Ermordungen der Murder Inc. auf mindestens 400-500, vielleicht aber auch viel mehr. Mithilfe seines Bruders Anthony "Tough Tony" Anastasio, der Vizepräsident der International Longshoremen, aber nie offizielles Mitglied der Cosa Nostra wird, kontrolliert Anastasia effizient den Hafen von Brooklyn.

Quellen: Delorme: 12-15, 57-68, Davis (1994): 34-58, Russel (2000), Best: 4f, Behr: 111-119, Amendt: 28, Lacey: 55-64, Anson: 306f.


1932: Roosevelt und Kennedy   top

Franklin Delano Roosevelt wird mit der Unterstützung der Mafia, die über Joe Schenk Millionen in die Wahlkampagne fliessen liess, zum Präsidenten gewählt. 1937 soll Ricca, unterdessen offizieller Boss von Chicago, sogar im Weissen Haus empfangen worden sein. Joe Kennedy arbeitete im Wahlkampfausschuss, spannte den Herausgeber William Randolph Hearst für die Nomination ein und zahlte beinahe $100'000 an Roosevelts Wahl, ohne dann aber einen Job in der Regierung zu bekommen. Dafür wird Kennedy von Roosevelt als Vorsitzender der "Securities and Exchange Commission", der staatlichen Kommission zur Börsenüberwachung, eingesetzt. Kennedy gehört nicht nur zu den Profiteuren, sondern zu den Auslösern der Wirtschaftskrise. Dem erstaunten Publikum erklärt Roosevelt: "Diebe fangen Diebe am besten." Kennedy führt tatsächlich harte Bestimmungen ein und erzwingt die Offenlegung der Handelsgeschäfte der Makler. Dank der Erfolge dieser Stabilisierungspolitik wird Kennedy zum Vertrauten Roosevelts.

Zudem kann er sich bei einer Reise mit Roosevelts Sohn nach England die Konzessionen von Gordon's Gin und Dewars- und Haig-Whiskeys sichern und gründet "Somerset Importers". Ihm gehört ein Teil einer Pferderennbahn Hialeah, was neben seiner Spielleidenschaft die Kontakte zu Mobstern aufrechterhält. Die Aufhebung der Prohibition führt zu einem vehementen Kampf mit der Mafia, die sich ebenfalls Konzessionen sichern will. Eine besondere Feindschaft verbindet Kennedy mit Meyer Lansky und Joseph "Doc" Stacher, nachdem diese 1927 eine ganze Ladung irischen Whiskey entführten, wobei elf Männer getötet wurden. Kennedy glaubte zuerst, Zwillman hätte ihn bestohlen. Da er nicht nur den Alkohol verlor, sondern die Witwen und Angehörigen entschädigen musste, kostete ihn dies ein Vermögen. Kennedys Firma und Costellos Firma "Alliance Distributors" sind Mitte der 30er Jahre erbitterte Konkurrenten, nachdem es einen Streit zwischen ihnen gegeben hat.

Quellen: Davis (1988): 39, Kessler (1997), Best: 18, Collier/ Horowitz: 73-85.


Das Kartell der Erdölgesellschaften   top

Die sieben bedeutendsten Ölgesellschaften Exxon, Mobil Oil, Texaco, Gulf Oil, Standard Oil of California, Anglo-Persian Oil Company und Royal Dutch-Shell unterzeichnen ein kartellähnliches Abkommen zur Ausbeutung der arabischen Ölfelder.
Bisher wurde das meiste Öl in den USA gefördert und von John D. Rockefellers Standard Oil Company raffiniert. Gegen dieses faktische Monopol wurde 1911 das Antitrustgesetz erlassen. Rockefeller musste seine Firma in Standard Oil of New Jersey (=Exxon), Standard Oil of New York (=Mobil Oil), Standard Oil of California, Standard Oil of Ohio, Standard Oil of Indiana und Marathon Oil aufteilen, an deren Spitzen er Strohmänner einsetzte. Zudem expandierte Rockefeller nach Mexiko und Venezuela, wo er mit aggressiven Methoden die Konzessionen erwarb, was der Beginn des internationalen Wettlaufs im Ölgeschäft darstellte. Im Ersten Weltkrieg lieferte Rockefeller Öl an beide Seiten. Er nutzte die Abhängigkeit der US-Armee von seinem Öl und erreichte, dass die USA das Kartellgesetz aushebelte. Trotzdem lieferte Rockefeller weiterhin auch an die Deutschen.
Noch 1920 wurden zwei Drittel des Öls in den USA gefördert, aber die übrigen Weltmächte zogen Konsequenzen aus dem ersten Weltkrieg und versuchten, an die Ölvorräte im Nahen Osten heranzukommen. Vor allem die Engländer hatten sich mit einer 60jährigen Konzession im Iran den zweiten Platz im Ölgeschäft gesichert. Zudem standen den Europäern die politisch unsicheren russischen Ölfelder von Baku, die mit dem Kapital der Nobels und Rothschilds erschlossen wurden, und die Einrichtungen der Royal Dutch Company in Niederländisch-Ostindien zur Verfügung. Rockefeller nutzt die Abhängigkeit der US-Armee von seinem Öl, um das Kartellgesetz 1916 wieder auszuhebeln.
Im Juli 1928 wurde die vor dem Krieg gegründete Turkish Petroleum Company unter den Amerikanern (Exxon, Gulf und Mobil bekamen 23.75%), den Briten (Anglo-Persian und Royal Dutch-Shell 47,5%) und Franzosen (Compagnie Française des Pétroles 23,75%) aufgeteilt. Der Besitzer Calouste Sarkis Gulbenkian behielt 5% der Aktien, womit die weitere Konkurrenz ausgeschlossen werden konnte. Im September 1928 wurden von Henri Deterding (Royal Dutch-Shell), Walter Teagle (Standard Oil of New Jersey) und John Cadman (Anglo-Persian) mit dem As-is-Abkommen auch die Aufteilung der internationalen Märkte festgelegt, was bis Mitte der 60er Jahren funktioniert.
1933 wurde auch Gulf Oil ins das Kartell miteinbezogen und Kuwait aufgeteilt. Allerdings hatte sich die Standard Oil of California bereits Saudi-Arabien unter den Nagel gerissen, indem Harry St. John Philby mit König Ibn Saud eine Konzession aushandelte. Aber die Standard Oil of California kann sich auf den abgesprochenen Märkten nicht durchsetzen, weshalb 1933 Aramco (Arabian-American Oil Company) gegründet wird, die sich zum grössten Erdölproduzenten entwickeln wird. Während der Depression sinkt der Ölpreis auf 10 Cents pro Barrel, und die Aramco muss versuchen, da die Bohrtürme in Texas und Mexico förmlich aus dem Boden schiessen, die Förderung anderswo radikal zu unterbinden. 1935 wird über Harry St. John Philby ein neues Abkommen zwischen König Ibn Saud und der Aramco geschlossen, das ihr die Produktions- und Transportrechte bis ins Jahr 2000 garantiert.

Rockefeller lässt das saudische Öl von Aristoteles Sokrates Onassis transportieren, der 1930 die ersten sechs Tanker kaufte und den ersten Grosstanker Ariston bauen lässt. Onassis wurde 1906 in Smyrna (Türkei) geboren. Sein Vater war ein wohlhabender Tabakhändler und Leiter der Börse bis zum 1. Weltkrieg, der das Vermögen seiner Familie vernichtete. Onassis floh 1922 vor den grauenhaften ethnischen Säuberungen der Türken, die Karatass besetzten, nach Griechenland und kaufte mit dem geretteten Geld seinen inhaftierten Vater frei. 1923 wanderte er mit $250 nach Argentinien aus. In Buenos Aires arbeitete er in einer Telefongesellschaft, handelte mit türkischem Tabak, kreierte er eine eigene Zigarettenmarke für Frauen und schmuggelte Alkohol in die USA.
Nachdem die griechische Regierung die Anhebung der Zollsteuer um 1000% beschlossen hat, reiste Onassis 1928 nach Griechenland, wo er seinen Kontakt zu Minister Michalakopoulas aufbaute, um eine Ausnahmeregelung für ihn zu erwirken. Onassis wurde kurz darauf griechischer Vizekonsul, erhielt die griechisch-argentinische Doppelnationalität, arbeitete im Devisenschwarzmarkt und hatte mit Spionage zu tun. 1932 wurde ein Versicherungsbetrug für eine angeblich gesunkene Fracht, an dem Onassis beteiligt war, unterdrückt, indem die Dossiers verschwinden.

Quellen: Marrs: 276, Epstein: 6-14, Best: 53, Evans, Morgenthaler.


Februar 1933: Das Attentat auf Cermak und Roosevelt   top

Der Bürgermeister von Chicago, Anton Cermak, ist mit Roosevelt an einer Veranstaltung in Miami. Cermak wurde dank seinem Versprechen, mit Al Capones Organisation in Chicago aufzuräumen, zum Bürgermeister gewählt. Der Krieg Cermaks gegen die Capone-Organisation nützt vor allem dem Konkurrenten Teddy Newberry. Nach einem Mordversuch an Frank Nitti liess Ricca Newberry umbringen, und Cermak, der um sein Leben fürchtete, flüchtete nach Florida.
Ricca engagierte Joe Zangara, den Esposito fünf Jahre früher aus Sizilien holen liess und nach Florida setzte, um den Zuckerimport aus Kuba zu überwachen. Zangara war Eliteschütze der italienischen Armee und ist aufgrund seiner Spielleidenschaft stark verschuldet. Giuseppe Zangara feuert am 15.2.33 angeblich fünf Schüsse auf den Präsidenten, ohne ihn allerdings zu treffen. Sechs Leute werden in der Schiesserei getroffen, darunter Cermak. Zangara hat eine .32 Pistole, Cermak wird mit einer .45 getroffen und stirbt drei Wochen später. In der Nähe von Zangara steht ein zweiter unbemerkter Killer. Die Untersuchung ergibt, dass Zangara ein Einzeltäter mit psychotischen Problemen sei, der unter chronischen Magenbeschwerden leidet, für die er die herrschende Klasse verantwortlich mache. Zangara wird verurteilt und auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.
Roosevelt erhöht die Zahl seiner Leibwächter danach um das 20fache und fährt nachher fast nur noch im geschlossenen Wagen.

Quellen: Callahan: 146, Giancana: 63f, Karel 2009.


Dezember 1933: Die Aufhebung der Prohibition   top

Mit der Aufhebung der Prohibition muss sich die Mafia neue Geldquellen erschliessen. Meyer Lansky, Moe Dalitz, Sam Tucker und andere gründen die Molaska Corporation, die illegale Schnapshersteller mit Rohstoffen beliefern. Weil mit der Legalisierung eine hohe Alkoholsteuer eingeführt wird, geht der illegale Schmuggel weiter, wobei die Gewinnmargen massiv zurückgehen. Auch andere Schmuggler wie Sam Bronfman (Seagram), Lewis S. Rosenstiel (Schenley Distillers), Joe Reinfeld, Longy Zwillman und Doc Stacher (Browne Vintners), Joe Linsey (Whitehall Distributers) oder Joe Fusco der Capone-Gang (Gold Seal Liquors) legalisieren ihre Geschäfte, zumindest zum Teil. Praktisch alle Alkoholfirmen sind ehemalige Schmuggler. Die meisten suchen sich erträglichere Einnahmequellen und nehmen ihre kriminellen Aktivitäten vor der Prohibition wieder auf.

In den Aussenbezirken der Städte blühen die "Carpet Joints", eine Kombination von Flüsterkneipe und Spielkasino, die ebenfalls Schmiergeldzahlungen an die lokalen Polizeibeamten und Politiker erfordern. Die "Ricks", die von 1933 an diese Teppichschuppen betreiben, sind die ehemaligen Flüsterkneipenbesitzer. Meyer Lansky konzentriert sich auf das Glückspielgeschäft, hauptsächlich in Saratoga, wo er zusammen mit Frank Castello und Joe Adonis das Piping Rock Casino aufbaut. Auf dieser Basis etabliert er sich als Nachfolger von Arnold Rothstein und wird eine Art Bankier der Unterwelt, Experte in Geldwäscherei, Finanzmanipulationen und Buchmacherei.

Paul Ricca versucht an einer Geheimkonferenz im Hotel Bismarck in Chicago, Lucky Luciano, Rocco Fischetti, Harry Ducket und Sylvester Agoglia zu überzeugen, die Gewerkschaften unter Kontrolle zu bringen. Murray Humphreys hatte die Idee, nicht nur politische Macht der Arbeitnehmer-Organisationen zu sichern, sondern sich an den vollen Gewerkschaftskassen zu bereichern. Die Kontrolle der Arbeiter und die Öffnung der Gewerkschaftskassen wird mit Intimidation erreicht, was Sam Giancana, Willie Bioff und Johnny Roselli übernehmen.
Die Mafia von Chicago nistet sich über Joe Kennedy in Hollywood ein. Roselli überwacht die Aktivitäten in Kalifornien, zusammen mit Bugsy Siegel, Mickey Cohen und Frank Costello. George Browne und Willie Bioff werden an die Spitze der Kinogewerkschaft International Alliance of Theatrical Stage Employees gesetzt. Die Gangster konzentrieren ihre Investitionen als gute Kapitalisten in Bereichen, in denen die Gewerkschaften eher schwach sind. Verhängnisvoll für die Arbeiter ist die Übernahme der Kontrolle der Hafenarbeiter (Longshoremen) unter Joseph Patrick Ryan (Präsident von 1927-53) und der Lastwagenfahrer (Brotherhood of Teamsters) unter Daniel Tobin (1907-52).
Im New Yorker Hafen koordinieren die verschiedenen Gangster die Kontrolle durch die Gründung der Varick Enterprises Inc, die den Umschlag des Hafens überprüft, Abgaben einzieht und verteilt. Der starke Mann hinter Ryan ist William J.McCormick. Neben den Hafen- und Transportgewerkschaften können sich die Mafiosi vor allem bei den Laborers (Baugewerbe) und im Gastgewerbe einnisten. Für ihre Schläger, die sie gegen Arbeiterforderungen und Streiks einsetzen, kassieren sie anfänglich von den Firmenbesitzern. Mit der Kontrolle der Gewerkschaftsspitzen kassieren sie auch einen Teil der Gewerkschaftsabgaben der Arbeiter. Manchmal übernehmen die Mobster die Firmen auch gleich selbst.
Besonders übel geht es in der Textilindustrie New Yorks zu, wo die Gewerkschaften Lepke Buchalter und Gurrah Shapiro anheuern, die die Streikbrecher erfolgreich bekämpfen und sich gewaltsam in den Besitz einiger Kleiderfirmen bringen. Nach der Depression und dem Verschwinden der Kommunisten in der McCarthy-Hysterie und der Arbeitskämpfe bleiben die Mobster als Parasiten trotzdem in ihren Machtpositionen.

Lucky Luciano konzentriert sich auf sogenannte Dienstleistungs-Rackets: Buchmacherei, Prostitution und Drogenhandel. Mit dem Ende der Prohibition gewinnt der Heroinhandel an Bedeutung und verspricht noch höhere Gewinne als der Alkoholschmuggel. Nach der Erfindung der Injektionsspritze 1864 wurde das 1803 entdeckte Morphin als Wundermittel für kranke und gesunde Soldaten verwendet. Die Firma Bayer brachte 1898 das Heroin als Hustenmittel auf den Markt und warb mit dessen "Fähigkeit, Morphinsüchtige schnellstens zu heilen". Dann löste der Erste Weltkrieg eine eigentliche Suchtepidemie aus, worauf die meisten Staaten versuchten, mit Vorschriften und Verboten dagegen anzukämpfen. In Deutschland wurde Heroin zwar 1921 verschreibungspflichtig, aber erst seit 1958 ist es nicht mehr als Medikament erhältlich und wird durch Valium und Librium ersetzt. In den USA wurde das Heroin 1924 verboten, worauf einige Paten ins Geschäft einstiegen. Die meisten Mafiosi waren jedoch gegen den unmoralischen Drogenhandel.
Lucianos geniale Idee ist die Verbindung von Heroin und Prostitution: süchtige Dirnen sind willige Arbeitskräfte und erlauben einen doppelten Gewinn. Wenn sie in den Bordellen Heroin an die Freier weiterverkaufen, sogar einen dreifachen. Vier Jahre später kontrolliert Lucky Luciano 200 Bordelle mit 1800 Prostituierten und macht damit $10 Mio. Gewinn jährlich.

Meyer Lansky reist 1935 ins britische Shanghai und organisiert den Heroinhandel mit "Pockennarbe" Huang, dem Chef der "Grünen", und Chang Hsiao-lin, dem Chef der "Roten". Die Gang der "Grünen" arbeitete mit den Franzosen zusammen und besorgte für sie Rauschgift- und Geheimdienstgeschäfte, die "Roten" kollaborierten mit dem britischen Geheimdienst. 1927 zerschlugen die Gangs zusammen mit Tschiang Kai-schek den Generalstreik der Arbeiterbewegung gegen die ausländischen Wirtschaftsmächte und gegen die Generalität. Das Massaker an den vormals verbündeten Kommunisten dauerte einige Monate. Tschiang Kai-schek verwandelte das Opiumverbot in ein Staatsmonopol, das allerdings Ende 1928 wieder aufgehoben wurde, da sich in der Illegalität grössere Geschäfte machen lassen. Die Huangs kontrollieren seither den Osten, die Changs den Westen Chinas. Für Meyer Lansky liefert Chang ab 1935 Heroin aus seinen Raffinerien, während Huang den Transport in die USA kontrolliert.
Um nicht von einer Lieferorganisation abhängig zu sein, baut Meyer Lansky eine zweite Heroinkette auf. Da die Mafia in Sizilien von Mussolini bekämpft und unterdrückt wird, kommt diese als Handelspartner nicht in Frage. Fündig wird Meyer Lansky in Istanbul: Die Brüder Eliopoulos kaufen türkisches Opium auf und transportieren es - teilweise schon zu Morphin verarbeitet - nach Marseille. Dort beherrschen die beiden Bosse Paul Bonnaventure Carbone und François Spirito die aus Korsen rekrutierte Unterwelt. Der Umsatz deren Heroinraffinerie vergrössert sich dank der Zusammenarbeit mit Meyer Lansky um das Dreissigfache. Ein wichtiger Mann wird zudem der Finanzmakler John Pullman, der dafür sorgt, dass die nötigen Bankgeschäfte von nun an mit Schweizer Diskretion erledigt werden. Meyer Lansky steigt 1936 in Hallandale ins Glückspielgeschäft ein, das Julian "Potatoes" Kaufman dort auf die Beine gestellt hat. Florida entwickelt sich zum Paradies für Glückspieler.
Meyer Lansky übersiedelt 1938 für drei Jahre nach Kuba. Fulgencio Batista, seit 1933 nach einem Putsch an der Macht, und Meyer Lansky schliessen einen Vertrag: Lansky zahlt Batista $3 Mio. pro Jahr und bekommt dafür nach die Rechte für das Glückspielgeschäft auf der Insel, womit der Einzug der Mafia und des Glückspiel- und Freiertourismus in der Karibik beginnt.
Der Waffenhändler Rolando "El Tigre" Masferrer überzeugte Batista, sich mit Meyer Lansky zu assoziieren, woraus eine Freundschaft entsteht. Der kubanische Senator schützt die Mobinteressen mit seiner Privatarmee und baut eine langjährige Freundschaft mit den Trafficantes auf, die auch nach Castros Machtübernahme anhält. Der seit 1933 die Politik dominierende Feldwebel Fulgencio Batista stellte die Glückspiele im Januar 1937 unter militärische Kontrolle und wollte die Einnahmen aus diesem Geschäft erhöhen. Dazu stellte er Lou Smith, ein erfolgreicher Betreiber von Rennanlagen aus New England, an, der Frank Erikson und Lansky nach Kuba holte. Meyer Lansky, der seit 5 Jahren Spielkonzessionen hat, baut sein Imperium auf der Insel aus: er kauft fünf Hotels, pachtet und kauft verschiedene Spielkasinos und pachtet im Namen von Rockefellers Chase Manhattan Bank die Rennbahn von Havanna. Nach der Wahl Batistas zum Präsidenten verlässt Meyer Lansky 1940 Kuba und setzt Santos Trafficante Sr. als seinen Stellvertreter ein, den die US-Drogenbehörde zukünftig für den Koordinator der Drogengeschäfte hält. Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage verliert Batista die auf Druck der Amerikaner durchgeführten Wahlen 1944 und geht für 8 Jahre ins Exil nach Florida.

Quellen: Geffen, Giancana: 69-72, Fox: 210, Olgiatti, Best: 6f, 32, Moldea: 4f, Behr: 160-170, 174f, Lacey, Russel (2000), Amendt: 28, Anson: 306f, Bartholomew (4): 18, Pfletschinger/ Weymar.


1934: Upton Sinclair   top

Der Journalist und Schriftsteller Upton Sinclair gewinnt die demokratischen Vorwahlen in Kalifornien haushoch, mit mehr Stimmen als alle anderen Kandidaten zusammen. Sinclair praktiziert einen investigativen Journalismus: Sein Roman Der Dschungel von 1906, in dem er die Ausbeutung der Arbeiter in Chicago schilderte, erreichte Millionenauflage. Er produzierte einen Film von Sergej Eisenstein, verteidigte Sacco und Vanzetti und war eine sozialistische Berühmtheit. Er versprach im Wahlkampf, die durch die Wirtschaftskrise grassierende Armut abzuschaffen, indem er die leerstehenden Fabriken von den Besitzern pachten und die Leitung den Arbeitern übergeben und eine neue Steuer für Filmstudios einführen würde. Alle 700 Zeitungen in den USA starten daraufhin eine Verleumdungskampagne, die von den Grossbrauereien, Southern Pacific, Standard Oil und der Elektrizitätsfirma PG&E finanziert wird, in der Sinclair als Antichrist und kommunistischer Agitator dargestellt wird. Die Kinos zeigen Kurzfilme der Firma Whitaker & Baxter, in denen seine Anhänger als zerlumpte Galgenvögel dargestellt werden, die von einer Revolution sowjetischer Art träumen. Sinclair verliert die Wahl knapp und verlässt 1966 Kalifornien, als Ronald Reagan Gouverneur wird. Immerhin führten Sinclairs Enthüllungen und Schriften dazu, dass der Konsumentenschutz verbessert wurde.

Quellen: Halimi/ Wacquant.


1935 New Deal

1935 führt Roosevelt die 'Social Security' ein, um der Radikalisierung entgegen zu treten und den Kapitalismus zu retten. Allerdings gilt die Arbeitslosenversicherung nicht für die Arbeiter im tiefsten Segment (Tellerwäscher, Dienstmädchen, Gepäckträger, Hausangestellte etc), also die Schwarzen. Dagegen profitieren die Weissen vom New Deal. Roosevelt räumt den Arbeitern die Vertretung durch Gewerkschaften ein und akzeptiert zunächst die eigentlich illegalen Streiks. Aber die Unternehmen setzen ihre Milizen gegen die Streikenden ein, was die Polizei unterstützt, und Roosevelt mobilisiert die Nationalgarde gegen die Streikenden. Der New Deal versagt bei der Landwirtschaft, weil Roosevelt die Drosselung der Produktion durchsetzt, obwohl es sich nicht um eine Überproduktionskrise handelt. Trotzdem erreicht das Bruttoinlandprodukt 1937 wieder den Stand von 1929. Roosevelt kürzt die staatlichen Subventionen, worauf die Krise sofort wieder einsetzt und die Verbesserungen der vergangenen Jahre wieder rückgängig gemacht wurden. Die Arbeitslosigkeit liegt 1939 bei 10 Mio. Erst die Aufrüstung für den Zweiten Weltkrieg beendet die Krise.

Quellen: Karel 2009, Kennedy 1987.


Carlos Marcello   top

Calogero Minacore wurde 1910 in Ravunsa Sizilien geboren. Der Vater musste, da er den gleichen Namen hatte wie einer der Aufseher auf der Zuckerpflanzung, auf der er arbeitete, für sich und seine Familie einen neuen Namen suchen. Seine Eltern liessen sich in den USA einbürgern, was für Sohn Carlos versäumt wurde. 1928 verübte Marcello sein erstes Verbrechen: ein $7000-Bankraub mit drei minderjährigen Komplizen. Er wurde von seinem Bruder verraten, aber eine Anklage gegen ihn und seine Komplizen wurde fallengelassen. Nach einem weiteren bewaffneten Raubüberfall wurde er erneut verhaftet und zu 9-12 Jahren Gefängnis verurteilt, die er am 28.5.30 antrat. Nach 4 Jahren Gefängnis wurde er vorzeitig entlassen, nachdem ihm Gouverneur O. K. Allen auf Druck korrupter Beamte, die von Marcellos Vater gratis mit Gemüse beliefert wurden, Straferlass gewährte. Marcello übernahm die Bar ‚Brauner Bomber' in Gretna, wo er Drogen an junge Schwarze verkaufte.
25jährig tritt er dank Frank Todaro der Mafia von Louisiana bei und heiratet 1936 dessen Tochter Jacqueline. Kurz darauf gründet er mit seinem Bruder Vincent die Spielautomatenfirma "Jefferson Music Company". Frank Costello kommt nach New Orleans, nachdem Bürgermeister Fiorello La Guardia in New York seine Spielkästen öffentlich mit einer Axt zertrümmerte. Bürgermeister und Senator Huey B. Long empfängt Costellos Spielmaschinen mit offenen Armen, weil er damit, so die Begründung, staatliche Wohltätigkeitsprogramme finanzieren möchte. Long wurde 1928 Gouverneur, machte sich mit publizitätswirksamen Massnahmen einen Namen und befreundete sich als Senator im New Yorker Jet-set mit Costello. Vom ersten Jahresgewinn der neugegründeten Pelican Novelty Company von $800'000 gehen monatlich $20'000 an Long und $600 werden an Witwen und Waisen ausbezahlt. Carlos Marcello wird Frank Costellos Partner: Marcello kann 250 der 1000 Spielautomaten Costellos verwalten und zwei Drittel der Einnahmen davon einstecken. Um das verbotene Spielgeschäft zu sichern, schmiert er den Polizeichef Beauregard Miller. Mit Waffengewalt werden überall seine Automaten installiert und Marcello erwirbt sich den Ruf eines unnachgiebigen Eintreibers.
Die Mafia von New Orleans unter Sam Carolla ist, da es keine rivalisierenden Banden gibt, die einzige nicht straff hierarchisch organisierte im ganzen Land. Die bis anhin isolierte Mafia von Louisiana wird nun Teil des nationalen Syndikats, und Costello, Carolla und Finanzfachmann Meyer Lansky beschliessen, in New Orleans ein Unterwelt-Kommunikationszentrum zu errichten, während Crescent City zum Finanzzentrum wird. Long setzt sich für die Interessen des Mob ein und wird dafür geschmiert. Meyer Lansky schreibt Finanzgeschichte, als er für Long ein Nummernkonto in der Schweiz eröffnet. Allerdings wird Long 1935 im Zusammenhang mit seinen Präsidentschaftsambitionen gierig; er verlangt über $3 Mio. Schmiergelder pro Jahr. Seymour Weiss, Verwaltungsrat der Standard Fruit, dealt mit Costello und Rosenstiel und ist der Schmiergeldzahler von Long. Roosevelt setzt das IRS auf Long und Weiss an, nachdem Long Präsidentschaftsabsichten äusserte, und Long wird daraufhin eliminiert. Offiziell wurde Long von einem verrückten Arzt erschossen, der dann selbst sofort umgebracht wird. Vermutlich ist Guy Molony, der in Zentralamerika mehrere Revolutionen für die Bananenfirmen mitorganisiert hat, der Mörder Longs. New Orleans Bürgermeister T. Semmes Walmsley hatte den früheren Polizeichef Molony kurz vorher zurückgebracht. Molony baute beim Zusammenbruch der Bananenwirtschaft in den 30er Jahren einen erfolgreichen Drogenhandel mit der honduranischen Staats-Airline TACA auf und wird später durch die CIA geschützt. Seine Konkurrenten im Heroinhandel, zu denen Marcellos Kollege Nofio Pecora gehören, fliegen auf.
Die Früchtefirmen sind schon seit langem mit der Mafia liiert. Weil ihre Produkte verderblich sind, können sie leicht mittels Streiks erpresst werden. Um die Gewerkschaften zu kontrollieren, engagierten die erfolgreichen Firmen Mobsters: in New Orleans arbeitete United Fruit bereits mit dem Boss Joe Machecha zusammen. Aus den sizilianischen Vaccaro Brothers entstand Standard Fruit & Shipment. Seymour Weiss von der Standard Fruit kooperiert mit Frank Costello, und der Enkel von Lucca Vaccaro, Blaise d'Antoni, geschäftet mit Paul Frankie Carbo von der Lucchese-Familie. Mit Longs Mord kann eine ganze Serie von Korruptionsaufdeckungen verhindert werden. 1940 wird allerdings fast der gesamte Hafen von New Orleans angeklagt wegen Erpressung und Betrug, inklusive Earl Long, Hueys Bruder und Nachfolger.
Carlos Marcello verkauft im März 1938 einem FBI-Agenten 23 Pfund Marihuana, wird verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis und $76'830 Busse verurteilt. Er wird jedoch mit einer Busse von nur $400 nach 9 Monaten, erneut dank O.K. Allen, freigelassen. Nach der Begnadigung 1935 gibt es gegen Marcello Anklagen wegen Überfällen und Raub, Steuerhinterziehung, Überfälle mit Tötungsabsicht eines Polizisten und eines Reporters und Drogenhandels, aber keine kommt je vor Gericht. Dazu kommen die meist sehr grausamen Morde, denen Marcello verdächtigt, aber niemals angeklagt wird.

Quellen: Giancana: 64f, Davis (1988): 29-41, Best: 7.


Mafiaverfolgung   top

Thomas E. Dewey wird von Bürgermeister Foriello La Guardia zum Sonderankläger von New York ernannt. La Guardia wurde 1932 gewählt, nachdem sein Vorgänger Jimmy Walker wegen Schmiergeldern zurücktreten musste, und versucht nun ernsthaft, das Glückspielgeschäft, die Korruption und die Macht der Tammany Hall zu brechen. Dewey fordert die Bevölkerung über das Radio zur Mithilfe auf, und im ersten Monat melden sich bei ihm 3000 Informanten. Seine Verfolgung der Mobster, die ihnen als "the Big Heat" in Erinnerung bleibt, startet mit Dutch Schultz und seinen Number-Rackets. Schultz, wegen Steuerhinterziehung angeklagt, bittet das Syndikat, Dewey umzubringen. Aber das Risiko wird als zu gross eingestuft. Am 23.10.35 wird Dutch Schultz zusammen mit seinem Bankier Otto Berman und seinen Leibwächtern Lulu Rosenkrantz und Abraham "Abe" Landau im Palace Chop House in Newark, New Jersey, von Charly "the Bug" Workman und Emmanuel "Mendy" Weiss umgebracht.

Dewey ermittelt danach gegen Lucky Luciano und sein Prostitutionsunternehmen, das diesem $12 Mio. jährlich einbringt. Luciano war unangenehm aufgefallen, weil er die Schauspielerin Thelma Todd zu Tode prügeln liess. Da die Angestellten des Paramount-Studios und die Kriminalpolizei von Santa Monica die Beweise verschwinden liessen, wurde der Tod als tödlicher Selbstunfall klassiert. Dewey lässt 68 Zeugen, davon 40 Prostituierte, im Prozess auftreten. Luciano, der sich bei seinen Dirnen siebenmal mit Tripper und mit Syphilis angesteckt hatte, wird 1936 zu 30 bis 50 Jahre Haft verurteilt, nachdem 3 Prostituierte gegen ihn aussagten. Das einzige Beweismaterial gegen Luciano kommt von der heroinsüchtigen Strassenhure "Cokey" Flo Brown, die ihre Geschichte nach mehreren Tagen im Gefängnis ohne Drogen erzählte.

Über Vito Genovese kann Luciano sein Unternehmen von der Zelle in Dannemora aus weiterleiten. 1932 verliebte sich Genovese in eine verheiratete Frau, die er zwölf Tage nach dem Tod ihres erwürgten Ehemannes heiratete. Nach den Flitterwochen tätigte Genovese ein Erpressungsgeschäft mit Fernand "the Shadow" Boccia im Spielgeschäft. Anstatt die $150'000 zu teilen, setzte er zwei Killer auf Boccia an und bezahlte dann den einen der beiden, um seinen Kollegen zu ermorden. Aber dieser überlebte und ging zur Polizei. Carmine Galante der Bonanno-Familie steuert den Wagen beim Boccia-Attentat, kann allerdings, obwohl unter Bewachung stehend, nicht verfolgt werden, da die Polizeidetektive während dem Krieg keine Autos zur Verfügung haben. 1938 flieht Genovese nach Italien, um einer Verhaftung durch Dewey wegen dem Mord an Boccia von 1934 zu entgehen, und Frank Costello ersetzt Genovese.

1936 wird Lepke Buchalter angeklagt, Heroin im Wert von $10 Mio. von Shanghai und Hong Kong in die USA geschmuggelt zu haben. Anastasia versteckt Buchalter, auf dessen Kopf eine Belohnung von $1 Mio. ausgeschrieben wird, muss aber immer wieder Zeugen bestechen, weil Buchalter weiterhin für die Murder Inc. und an Schutzerpressungen von Firmen arbeitet. Lucky Luciano entscheidet im August 1939 im Gefängnis, Buchalter zu opfern, um dem Sonderermittler Thomas Dewey den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Kopf der Murder Inc. wird über Meyer Lansky angewiesen, sich Hoover zu ergeben. Costello trifft sich auf Vermittlung von Lewis Rosenstiel mit Hoover, der Buchalter am 24.8.39 mit grosser Publizität festnimmt. Dewey und die Polizei von New York fühlen sich ausgetrickst, da Hoover hinter ihrem Rücken arbeitet und ausser Prestigeerfolg absahnen nichts zum "Big Heat" beiträgt. Lansky, der Lucianos Drogenhandel und die Geldtransaktionen weiterführt, gewährt den Rosenstiels daraufhin unbeschränkte Spielkredite im Hotel Nacional in Havanna. Er profitiert besonders von diesem Deal, lässt ihn doch nicht nur Hoover, sondern auch Anslinger in Ruhe. Obwohl er in den Berichten von FBN und FBI oft figuriert, wird er, abgesehen von einer kurzen Periode, in der Robert Kennedy versucht, Licht in die Casinos von Las Vegas zu bringen, nie abgehört oder genauer unter die Lupe genommen. Als Lansky schliesslich angezeigt wird, steckt das IRS dahinter.

Da Abraham Reles und Allie Tannenbaum 1940 wegen Immunitätszusicherung zu singen beginnen, kommen Workman und Weiss wegen dem Mord an Dutch Schultz ins Gefängnis. Dank den Aussagen kann die Polizei 40 Morde der Murder Inc. aufklären, ohne aber einen Zusammenhang zur Mafia beweisen zu können. "Abe Kid Twist" Reles, dessen Spezialität Mord mit Eispickeln war, wird am 12.11.41, obwohl unter Polizeischutz stehend, aus dem Fenster des sechsten Stocks des Half Moon-Hotels geworfen. Er hätte kurz darauf gegen Anastasia aussagen sollen. Joe Adonis rühmt sich, den Staatsanwalt, der die Untersuchung von Reles Tod nach nicht mal einem Tag einstellt und Anastasias Namen vom Fahndungsregister streicht, im Griff zu haben. Zusätzlich zu den ergiebigen Schutzgelderpressungen steigt Adonis in den Zigarettenmarkt ein. Tausende von Verkaufsmaschinen werden installiert und oft mit gestohlenen Zigaretten von Lastwagenlieferungen der Konkurrenz gefüllt. Buchalter und Weiss landen 1944 auf dem elektrischen Stuhl. Buchalter ist der einzige bedeutende Mafiosi der amerikanischen Geschichte, der legal hingerichtet wird. Shapiro, wegen Mord zu lebenslänglich verurteilt, stirbt im Gefängnis. Damit verliert die Murders Inc. an Bedeutung, und die jüdischen Namen werden seltener.

Auch Bugsy Siegel wird wegen Mord an Harry Greenbaum, einem Gangster aus dem Umkreis von Lepke Buchalter, der Siegel verpfiffen hat, verhaftet. In der Zelle, mit allen VIP-Privilegien ausgestattet, entwickelt er den Plan, dem Dreamland Kuba ein zweites in Las Vegas entgegenzustellen, weil Nevada 1931 das Glückspiel legalisierte. Dank seinem Jugendfreund und Bierschmuggler George Raft ist Siegel nach Hollywood gekommen und hat dort sowohl Filmproduzenten wie auch SchauspielerInnen, die auf ihre grosse Karriere hofften, erpresst. Die $500'000, die er pro Jahr so erwirtschaftete, investierte er weitgehend in den Drogen- und Mädchenhandel. Mithilfe seines Verteidigers Jerry Geisler und dem rätselhaften Tod einiger Zeugen kommt Siegel bald wieder frei und macht sich daran, in Las Vegas ein luxuriöses Hotel mit integriertem Casino aufzubauen. Der spätere Schauspieler Raft arbeitet in Lanskys Casinos in Havanna und London.

Quellen: Davis (1994): 59, Delorme: 60, 115ff, Best: 5-8, 19, Summers (1993): 238f, Lacey: 110, Knorr (1992a): 45.


Hoover, die Nazis und die Mafia    top

J. Edgar Hoover bekämpfte bisher die Prostitution und die Erpressungsgeschäfte der Mafia, aber nicht die verbotenen Wetten der Pferderennbahnen, die nach dem Ende der Prohibition das meiste Geld einbringen. Hoover liebt die Pferdewetten.
Im Juli 1933 konnte Hoover nur mit viel Lobbying, indem er diffamierende Informationen über andere Kandidaten streute, und Mord (oder Glück) seine Stelle behalten: Der ihm feindlich gesinnte Staatsanwalt Thomas Walsh starb zwei Tage vor Amtsantritt als Justizminister an einem Infarkt. Der neue Justizminister Homer Cummings startete einen Anti-Gangster-Kriegszug, zusammen mit einer vom Journalisten Henry Suydam geleiteten, breit angelegten PR-Kampagne. Die Erfolge der Jagd auf Einzelgänger-Banditen wie "Machine Gun" Kelly, "Baby Face" Nelson oder John Dillinger wurden vor allem Hoover zugeschrieben, der Louis B. Nichols als Leiter der Crime Records Division für die Public Relation einstellte. Mit der Förderung der G-Man-Unterhaltungskultur (Filme, Groschenhefte, Comics) kann sich Hoover zum Volkshelden stilisieren. Er baute eine Zentralkartei für Fingerabdrücke und eine Nationale Polizeiakademie auf und stellte die FBI-Akten den Polizeidienststellen zur Verfügung, worauf sich die Beziehungen zu den lokalen Ordnungshütern etwas verbesserte.

Während sich die Mafia als "Organisation" etabliert, gibt Hoover deren Bekämpfung 1937 ziemlich abrupt auf und behauptet, es gebe keine nationale Verbrecherorganisation. Laut Boss Carmine Lambordazzi hat die Mafia Hoover in der Tasche. Hoover fährt gelegentlich nach Manhattan und trifft Frank Costello. Der Mafiosi hatte Hoover in den frühen 30er Jahren auf der 5th Avenue in New York angesprochen und ihn seither "kultiviert". Hoover und Costello sind Freunde und treffen sich in Washington, im Central Park, in der Lobby des Waldorf-Astoria, an den Pferderennen oder bei einem gemeinsamen Freund. Hoover mag es nicht, mit einem monatlichen Geldcouvert geschmiert zu werden, weshalb Costello Pferderennen manipulieren lässt, um Hoover bei der Stange zu halten. Frank Erikson, der grösste und mächtigste Buchmacher, informiert Costello über ein bevorstehendes abgekartetes Rennen, der dann den Chronisten Walter Winchell benachrichtigt, welcher wiederum Hoover ins Bild setzt. Der FBI-Direktor kann so selbst entscheiden, wie viel er gewinnen will. Er selbst setzt immer nur die legalen $2, aber einer seiner Agenten oder Clyde Tolson setzen grosse Summen, im Schnitt $200, und gewinnen immer. Hoover lässt sich auch in Mafiakreisen sehen wie im Stork Club von Sherman Billingsley in New York, in Joe's Stone Crab Restaurant von Jesse Weiss in Miami oder bei Del Webb, Casinobesitzer in Las Vegas, der ihn gratis einquartiert.
Hoover hat Kontakt mit Ed Levinson, John Drew, Ray Ryan, Art Samish, Dub McCanahan, einem Marcello-Partner, Johnny Roselli oder Irving Davidson. Die Mafia hilft Hoover, solange es nicht um ihr eigenes Geschäft geht, dafür lässt Hoover die Mobster in Ruhe. Als Costello in den frühen 50er Jahren von einem fleissigen FBI-Agenten überwacht wird, versetzt Hoover diesen nach einem Telefonanruf Costellos nach Alaska. Dasselbe passiert einem anderen FBI-Agenten, der Lansky bewacht und nach Georgia versetzt wird. Costello ist der wichtigste Kontaktmann der Mafia mit der Oberwelt in den 40er und 50er Jahren, bis er von Gigante angeschossen wird. Danach zieht er sich in eine Art Halbpension zurück, wobei er immer noch Deals arrangiert und Streit zwischen Mobstern schlichtet.
Der Journalist Walter Winchell, Hoovers Freund, kennt auch Owney "the Killer" Madden, Meyer Lansky, der in New York im selben Haus wohnt, und Joe Kennedy persönlich. Als Kennedy 1933 eine Affäre hatte mit dem Broadway Showgirl Evelyn Crowell, der Witwe des New Yorker Gangsters Larry Fay, und im New York Journal-American darüber berichtet wurde, besuchte Kennedy Winchell. Die beiden befreundeten sich, die Story konnte unterdrückt werden und Kennedy wurde zu einer der Schlüsselquellen für seine Boulevardgeschichten.
Meyer Lansky ist im Besitz von kompromittierenden Fotos, auf denen Hoover gut erkennbar seinem Freund Clyde Tolson einen bläst. Lansky schmiert auch Nahestehende Hoovers und bekommt sogar FBI-Reports von den FBI-Agenten, die ihn "überwachen" sollen. Der Stillhaltepakt dauert bis zum Tode Hoovers. Manchmal behindert Hoover aktiv und bewusst ein Vorgehen gegen die Mafia, zum Beispiel als der Pferderennservicebesitzer James Ragen dem FBI über seine neuen Konkurrenten alles berichtet, was er weiss. Das FBI startet zwar eine Operation, verweigert Ragen aber Begleitschutz. Nachdem dieser von Lenny Patrick und Dave Yaras auf Befehl von Jake Guzik umgebracht wird, weist Hoover seine Agenten an, die Untersuchung abzubrechen.
Der FBI-Direktor, der Homosexuelle in der Öffentlichkeit als pervers bezeichnet, hat auch fetischistische und pädophile Tendenzen. Er verkleidet sich bei Sexparties als Frau, und die Sittenpolizei von New Orleans verhaftete ihn Ende der 20er Jahre einmal mit einem minderjährigen Strichjungen. Da Henry G. C. Corcoran damals intervenierte und eine Strafverfolgung verhinderte, kann sich dieser im Gegenzug illegale Geschäfte erlauben, ohne mit Strafverfolgung rechnen zu müssen. Der Ex-Agent Guy Hottel erzählt, wenn er betrunken ist, von Sex-Parties ohne Mädchen bei Hoover, weshalb Hoover ihn jeweils in Polizeigewahrsam nehmen lässt. Da Hottel aber zu viel weiss, entlässt Hoover ihn nicht. Hoover lässt jedes Gerücht über seine eigene Homosexualität unterdrücken und seine Agenten während 23 Jahren gegen die "homosexuals right groups" vorgehen, um davon abzulenken. Offenbar macht Hoover das Risiko der möglichen Entdeckung seiner Homosexualität paranoid. Hoover befindet sich von 1941-71 in psychiatrischer Behandlung, und oft verhält er sich sehr brutal gegenüber Homosexuellen (wie gegen Sumner Welles) und benutzt Gerüchte angeblicher Homosexualität als politische Waffe (wie gegen Adlai Stevenson). Hoover besteht darauf, beschlagnahmtes pornografisches Material selbst zu sichten.

Der Automagnat Henry Ford beschreibt die Juden in seinem internationalen Bestseller 'Der internationale Jude' als Ursache der Börsenkrise und der illegalen Alkoholproduktion aufgrund einer Verschwörung. Ford ist so populär, dass er Präsident werden könnte. In Hitlers Hauptquartier steht ein Foto von Ford. Fords rechte Hand Harry Bennett trifft sich als Informant mit J. Edgar Hoover. Bennett ist der Verbindungsmann zu Chester LaMare, Boss des Detroiter Mafia, der eine Privatarmee gegen Gewerkschaftsaktivitäten aufbaut, womit Henry Ford keine Gewerkschaftsprobleme mehr hat. Im Gegenzug erhalten Gangster wie Joe Tocco, Leo Cellura, Joe Adonis, Tony D'Anna Beteiligungen bei Ford. Bennett versorgt Hoover mit Informationen über Linke, wobei sich später herausstellt, dass viele Namen vom lokalen Faschistenführer Gerald Smith stammen.

1934 erhielt Hoover von Roosevelt den geheimen Auftrag, die Nazis und deren Sympathisanten zu überwachen, wobei alle anderen Aktivitäten gegen Radikale ausdrücklich verboten bleiben. In den USA entstand nach der Machtergreifung Hitlers eine nationalsozialistische Bewegung, die neben dem Ku-Klux-Klan den Kampf gegen andere Rassen propagiert. Im Central Park marschieren 20'000 Nazis auf, die sich als Verteidiger des weissen Christentums verstehen. Aber Hoover arbeitet eng mit der 1923 in Berlin gegründeten Interpol zusammen, in der Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich, Arthur Nebe und andere fanatische Nazis aktiv sind. Auch nach dem Überfall der Tschechoslowakei und dem Fall Frankreichs tauscht Hoover noch immer Fahndungslisten mit Interpol aus. Erst drei Tage vor Pearl Harbor stoppt er die Zusammenarbeit. Nach dem Krieg verlegt Interpol seinen Sitz nach Paris, ernennt Hoover zum Vizepräsidenten und weigert sich hartnäckig, Nazi-Kriegsverbrecher zu suchen. In den 70er Jahren wird der ehemalige SS-Offizier Paul Dickopf Präsident der Interpol.

1939 befindet sich der ‚deutsch-amerikanische Bund' der Hitler-Anhänger auf dem Höhepunkt seiner Macht und organisiert Massenveranstaltungen in den Grossstädten. Die vereinte Aktion des Komitees für un-amerikanische Umtriebe zusammen mit der jüdischen Mafia von Bugsy Siegel und Meyer Lansky attackieren die Bewegung (auch mittels Massenprotesten) und zerstören sie.

Nach einer cleveren Intrige seitens Hoovers beschliesst Roosevelt am 26.6.39, dem FBI die Leitung bei Spionage- und Sabotagefällen zu übertragen, und nicht der Military Intelligence Division oder dem Office of Naval Intelligence. Bereits am 24.8.36 hatte Roosevelt Hoover beauftragt, neben den Faschisten auch die Kommunisten zu überwachen, was dieser schon lange macht. Wegen Spionage- und Sabotagegefahr bewilligte Roosevelt $150'000. Die Abteilung für Spionage heisst Division Five, die bereits seit 1919 existieren soll, aber erst zu diesem Zeitpunkt offiziell wird.
Das FBI expandiert von 898 Agenten 1940 auf 4886 Agenten 1945. Hoover eröffnet am 2.9.39 eine präventive Notverhaftungsliste "aller Feinde der USA". Justizminister Briddle verbietet diese Auflistung als sinnlos, wonach sie Hoover unter "Security Matter" geheim weiterführt. Eine weitere geheime Archivierung veranlasst Hoover mit Informationen, die durch illegale Aktionen des FBI wie Einbrüche bei politischen Organisationen, um beispielsweise Mitgliederlisten zu stehlen, zustande kommen. Obwohl offiziell seit 1934 durch den Kongress verboten, hat Hoover das Telefonabhören permanent eingesetzt. Am 21.5.41 legitimiert Roosevelt das geheime Abhören von Subversiven. Roosevelt beauftragt Hoover auch, Informationen über seine Gegner bei der nächsten Präsidentenwahl zu sammeln.
Alle Präsidenten seit Roosevelt benutzen Hoovers Wanzen auch für eigene politische Zwecke, was Hoovers Position sichert. Hoover sichert seine Macht auch durch die Mitgliedschaft in vielen Organisationen: American Bar Association, Boy Scouts, United States Chambres of Commerce, Kiwanis International, Knights of Columbus, Optimists International, Rotary International, Veterans of Foreign Wars u.a.m. Am meisten bringt ihm die American Legion, die dem Justizminister Jackson im Juni 1940 vorschlägt, er solle 11'000 Posten der Legion erlauben, die das Land in Bezug auf "subversive Aktivitäten" flächendeckend überwachen würden. Jackson lehnt ab, aber Hoover kann es so drehen, dass die Legionäre als Informanten die FBI-Büros kontaktieren können. Obwohl über die Legion bis im Oktober 1943 60'000 Informanten rekrutiert werden, kommt wenig Brauchbares über diese Kanäle. Aber sie eröffnen Hoover einen breiten Kontakt mit konservativen Medienschaffenden und Abgeordneten. Zudem baut Hoover über seinen Freund Carl McIntire die Cover-Institution American Council of Christian Churches auf.

Quellen: Theoharis/ Cox: 119, 187, 237, Schulz: 82, 181, Davis (1988): 237, 267f, Davis (1994): 103-107, Todd, Brussell: 5f, Summers (1993): 43-91, 91-129, 225-245, Cran, Lacey: 89, Hersh: 48, Giancana: 247f, Dammbeck (2014).


Appeasement-Politik

Arthur Neville Chamberlain und Winston Churchill verfolgen beide eine Politik der Beschwichtigung gegenüber Hitler, was Deutschland die Militarisierung und Aufrüstung erlaubt. ‚Appeasement' ist ein Euphemismus, denn es handelt sich um eine aktive Unterstützung des Nationalsozialismus. Seit 1919 drängen die Briten die Franzosen, gegenüber Deutschlad eine versöhnlichere Politik einzuschlagen. Ziel der britischen Politik ist, dass Hitler die Sowjetunion angreifen und vernichten wird. Mit diesem Ziel finanziert die Bank of England unter Lord Montague Norman die Nazis. Zur einflussreichen Round Table Group, die später nach dem Landhaus von Lord und Lady Astor als Cliveden Set bezeichnet wird, gehören neben dem prodeutschen Chamberlain unter anderem Lord Lothian, Lord Brand (Direktor der Lazard Brothers Bank), Abe Bailey, Lord Milner, Leopold Amery, Edward Grigg, Lionel Curtis, Geoffrey Dawson (Herausgeber der Times), Lady Ravensdale (die Schwägerin des Führers der British Union of Fasists, Sir Oswald Mosley) und Lord Halifax an.
Unter der Bedingung, dass Hitler seine Expansion nach Osten richtet, schliessen England und Deutschland einen Vertrag, der die Versailler Beschränkung der Waffenlieferungen aushebelt. Und im Juni 1935 erfolgt ein anglo-deutsches Flottenabkommen, worauf Frankreich und Russland sich verbünden. Die britische Regierung akzeptiert Hitlers schon 1925 in ‚Mein Kampf' geplante Annexionen der deutschsprachigen Teile der Tschechoslowakei, Österreichs und Polens. Die Briten versuchen nicht nur, einen Krieg zwischen Deutschland und der Sowjetunion, sondern auch der USA gegen Japan zu provozieren. Als Hitler mit Stalin 1937 den Pakt schliesst, bricht die britische Strategie zusammen, Deutschland gegen Russland zu mobiliseren. Stalin hatte auch mit England und Frankreich verhandelt, um einen Pakt gegen Deutschland abzuschliessen.
Nicht nur die Briten, auch die USA unterstützen die Faschisten tatkräftig: so steigern die USA ihre Ölexporte an Italien 1935 gewaltig. Völlig überraschend verkündet Franklin D. Roosevelt am 5.10.37 in seiner ‚Quarantänerede' in Chicago, dass sich die USA auf einen neuen Krieg einstellen müssen. Drei Monate zuvor startete Japan einen Krieg gegen China, um seine Dominanz auf dem asiatischen Kontinent, wo es Korea und die Mandschurei als Kolonialgebiete bereits besetzt hielt, zu sichern. Im Jahr zuvor beschlossen Japan und Deutschland den Antikominternpakt gegen die Sowjetunion, dem sich auch Italien anschliesst. Nach einem Sieg gegen die Sowjetunion wird es nötig sein, die geschwächten faschistischen Staaten zu besiegen. Ein Jahr darauf interzeichnet der britische Premier Neville Chamberlain das Abkommen mit Hitler in München, das diesem freie Hand gibt und das Roosevelt unterstützt.
Erstes und letztes Opfer der Appeasement-Politik ist Polen, das zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt wird. England hatte für Polen eine Garantieerklärung abgegeben, was Grossbritannien in den Krieg hineinzieht, als Hitler am 1.9.39 Polen angreift. Zwei Tage später erklärt England Deutschland den Krieg, und Churchill wird zum 1. Lord der Admiralität ernannt. Obwohl Polen für den erwarteten Angriff 1 Mio. Soldaten mobilisiert hat, überrollen 2 Mio. Deutsche das Land in wenigen Tagen. Am 16.9. besetzt die Rote Armee den Ostteil Polens. Ein Teil des polnischen Generalsstabs unter General Dyslaw Sikorski und etwa 100'000 Truppen fliehen nach Frankreich und hoffen auf einen Gegenschlag. Etwa 30'000 Offiziere und Soldaten erreichen Frankreich und bilden eine neue, aber kaum einsatzbereite Exilarmee. Bei der Niederlage Frankreichs können 340'000 alliierte Soldaten nach England fliehen, darunter 20'000 Polen. Im August 1940 beginnen die deutschen Luftangriffe gegen England, ohne dass sie die Kontrolle über den Luftraum erreichen. Die polnischen Geschwader bringen mehr deutsche Flugzeuge zum Absturz als die britischen (insgesamt 2000). Nach der Invasion der Sowjetunion willigt Stalin ein, die überlebenden polnischen Kriegsgefangenen freizulassen, womit Sikorski im Nahen Osten eine zweite polnische Armee gegen Deutschland aufbaut. Nach der Wende im Krieg um Stalingrad im Februar 1943 zeichnet sich eine Niederlage der Deutschen ab.
Am 4.7.1943 stürzt das Flugzeug Sikorskis wegen einem manipulierten Hohenruder im britischen Spionagenest Gibraltar ab. Sikorski hielt sich nich an den britischen Maulkorb, den Churchill über die Eliminierung von 20'000 Mitgliedern der polnischen Elite durch Stalin verhängte, die in Katyn mit der Ermordung von 4000 Offizieren ihren Höhepunkt fand. Mit der Vertuschung der Ermordungen und der Ermordung Sikorskis wollen Churchill und Roosevelt den Verbündeten Stalin bei der Stange halten, weil sie ihr Versprechen, Deutschland auf europäischem Boden anzugreifen, nicht einhielten. Die Amerikaner warteten bisher mit dem Angriff, damit Russland und Deutschland sich gegenseitig genug schwächen. An einem eigenständigen Polen ist niemand interessiert. In Warschau erheben sich Untergrundkämpfer gegen die Deutschen, aber Stalin, dessen Armee nur wenige Kilometer entfernt ist, bezeichnet die polnischen Kämpfer als Kriminelle und wartet, bis die SS und die Wehrmacht nach 63 Tagen die Stadt in Schutt und Asche gelegt haben.

Quellen: Tarpley 2008: 360f, Schaaf/ Weinert 2011, Bardehle 2012.


Dezember 1937: Botschafter Kennedy in England   top

Joe Kennedy wird, obwohl er über keinen politischen Background verfügt, als Dank für die Unterstützung von Roosevelts Wiederwahl zum Botschafter in England ernannt. Die beiden Jahre vorher beschäftigte Kennedy sich mit der Reorganisation der Firmen RKO, Paramount und Hearst Corporation und schrieb zusammen mit dem Journalisten Arthur Krock das Buch I'm for Roosevelt. Krock ist der Leiter des New York Times-Büros in Washington und wird von Kennedy mit bezahlten Ferien, teuren Geschenken und Frauen versorgt.
Nach dem Wahlsieg Roosevelts wurde Kennedy, der eigentlich auf das Finanzministerium hoffte, zum Direktor der maroden Obersten Handelsschifffahrtsbehörde berufen, ein Job zweiter Klasse, aus dem Kennedy das Beste macht. Kennedy verbringt Monate mit Lobbying für eine angemessene Stellung und beackert James Roosevelt. 1933 begleitete der Präsidentensohn Kennedy nach England, als es um die Neuorganisation und Legalisierung von Alkoholimporten ging, wobei Joe die Schwächen Roosevelts für Frauen und Reichtum gezielt auszunützen verstand. Als dann der Botschafter in London unerwartet neu zu besetzen ist, ist Roosevelt froh, dass er den aufsässigen Kennedy, der ihm gefährlich werden könnte, abschieben kann.

Als Botschafter versagt Kennedy auf der ganzen Linie, vor allem wegen seiner Fehleinschätzungen der politischen Situation. Er glaubt, dass England weder den Willen noch die Waffen zur Verteidigung gegenüber Deutschland habe. Bei Ausbruch des Krieges bezeichnet er Hitler als Genie und empfiehlt seiner Regierung, ein Arrangement mit dem Führer zu suchen, damit die Vereinigten Staaten nicht in den Krieg hineingezogen werden. Antisemitische Äusserungen, seine politische Ignoranz der europäischen Lage und die Feigheit, sich während der Bombenangriffe auf dem Land in Sicherheit zu bringen, machen ihn bei Winston Churchill und allen Diplomaten äusserst unbeliebt. Über John J. Burns spekuliert der Botschafter trotz Businessverbot weiterhin an der Wallstreet und missbraucht dringend benötigten Frachtraum für den Whiskey seiner Somerset Importers. Da England nur mithilfe der USA eine Chance gegen Hitler hat, wird Kennedy für Churchill zum Sicherheitsrisiko. Der Botschafter wird vom MI-5 abgehört und beschattet, wobei klar wird, dass Kennedy über eine reiche Engländerin in Kontakt mit dem Führer der britischen Faschistenbewegung, Sir Oswald Mosley, getreten ist. Kennedy trifft sich im Geheimen am 9.5.39 trotz dem expliziten Verbot Roosevelts mit Dr. Helmut Wohltat, dem Vertreter Görings, zur Besprechung gegenseitiger Konzessionen. Mit seiner Indiskretion bringt Kennedy die Anti-Hitler-Verschwörergruppe um die Generäle Ludwig Beck und Franz Halder in Lebensgefahr, indem er deren Absichten und Namen an einer Pressekonferenz bekanntgibt. Kennedy will ein Attentat Hitlers verhindern, weil die Sowjetunion für ihn gefährlicher ist als Nazi-Deutschland.

Hauptinteressen Kennedys sind allerdings seine eigenen Präsidentschaftspläne und die Wahlkampfstrategie für die demokratische Nomination von 1940. Roosevelt isoliert Kennedy in London, indem er alle wichtigen Verhandlungen und Entscheidungen über persönliche Vertreter wie William Donovan und den amerikanischen Botschafter in Paris laufen lässt und selbst in direktem, aber geheimem Kontakt zu Churchill steht. Kennedy versucht daraufhin, Roosevelt zu erpressen, indem er diesen Geheimkontakt, der über die Amerikanische Botschaft läuft, an die Presse verraten würde, falls der Präsident ihn nicht zurückrufe. Kennedy hatte den Codespezialisten Tyler Kent angewiesen, von allen aussergewöhnlichen Telegrammen Kopien zu machen und diese aus der Botschaft zu schmuggeln. So stellt er sich ein Dossier der geheimen Roosevelt-Churchill-Telegramme zusammen, das er in die USA schiffen lässt, um Roosevelt damit politisch auszuschalten. Im Frühjahr 1940 schlägt die britische Gegenspionage-Abteilung nach achtmonatiger Bewachung zu und entdeckt in Kents Wohnung 1500 dekodierte Kopien. Kennedy lässt Kent fallen, indem er dessen diplomatische Immunität aufhebt - Kent verbringt die Kriegsjahre nach einem geheimen Prozess in einem britischen Gefängnis - und kann so verhindern, dass die amerikanische Öffentlichkeit etwas erfährt.
Am 26.10.40 kehrt Kennedy in die USA zurück und trifft sich, zehn Tage vor der Nomination, mit Roosevelt. Roosevelt kann Kennedy nicht einfach fallenlassen, denn er will sich widerrechtlich ein drittes Mal wählen lassen und braucht jede Unterstützung. Da Roosevelt Kennedy vor allem nicht als Konkurrent für die Präsidentschaft will, macht er ihm Hoffnungen auf einen Ministerstuhl, verspricht seine Unterstützung für die Kandidatur seines Sohnes Joe Jr. zum Gouverneur von Massachusetts und droht mit einer alten Steuerhinterziehung. Nach der erneuten Wahl Roosevelts bekommen die beiden jedoch Streit, da Kennedy die Aussenpolitik in einem Interview kritisiert und damit seine eigene Politkarriere sabotiert. Kennedy, dessen Vermögen unterdessen auf $250 Mio. angewachsen ist, setzt nun alle seine politische Hoffnung auf eine Karriere seinesältesten Sohns Joe Jr.

Quellen: Kessler (1997), Hersh: 61ff, Best: 18, Collier/ Horowitz: 84-137.

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